Lauschet den Speakerinnen!

In einem meiner Blogposts hatte ich das Thema aufgriffen, dass sich Frauen als Vortragende für Veranstaltungen buchen lassen, wenn sonst keine Frau bei dieser Veranstaltung referiert.

Vor einiger Zeit fand ich zufällig eine Website, wo sich Frauen als „Speakerinnen“ in eine Liste eintragen können.
Angeblich (und nach meiner Erfahrung stimmt das auch) gibt es viele Veranstaltungen, bei denen keine einzige Frau eine Rede oder Vortrag hält. Deshalb wurde ein Portal gegründet, bei dem die Veranstalter nach einer Frau als Vortragende suchen können.
Wenn ich eine Veranstaltung besuche, dann möchte ich Vorträge von kompetenten und sachkundigen Personen hören (was in Einzelfällen durchaus zufällig auch mal eine Frau sein kann). Normalerweise beziehen sich alle Vorträge auf einen bestimmten Themenkomplex. Darüber möchte ich mich informiereren (sonst würde ich ja gar nicht erst hin gehen). Wenn jetzt über ein ganz anderes Thema referiert wird, weil es für die vorgesehenen Themen keine geeignete „Speakerin“ gibt, dann ist das sicherlich nicht im Sinne der Sache (ja, ja, ich weiß, bei der Hausmesse hat mein Thema auch nicht so recht gepasst, aber dafür war es auch nur ein freiwilliges Angebot, und niemand wurde gezwungen, es sich anzuhören, und die Motivation war vor allem eine ganz andere).
Ich kann es ganz und gar nicht nachvollziehen, dass sich Frauen in diese Liste eintragen lassen. Ist es denen denn egal, dass sie nur als Alibifrau genutzt werden? Ich selbst habe ja auch schon Vorträge gehalten, aber dabei ging es um ganz genau definierte Themen, in denen ich sehr gut bewandert war, und die auch zum roten Faden der ganzen Veranstaltung passten. Da wurde ich als Referentin aufgrund meines fachlichen Renommees eingeladen, und nicht, damit halt auch eine Frau irgendetwas sagt (auf die Gefahrt hin, dass dem völlig die Substanz fehlt).

Einer der Kommentare:

Kommt drauf an, wofür die „Frauenliste“ (wieso muss ich an „Aktenordner voller Frauen“ aus dem letzten US-Präsidentschaftswahlkampf denken?) gedacht ist: um einfach irgendeine Frau auf der Liste zu haben, damit keiner sagen kann „Frauen werden nicht eingeladen“? Dann wäre das blöd und kontraproduktiv auch für die Frauen.
Alternativ könnte es auch sein, dass jemand denkt „Mist, haben sich schon wieder nur Männer gemeldet, lass mal die Liste anschauen, ob’s nicht ne Frau gibt, die das evtl. nicht mitbekommen hat und die trotzdem was zum Thema sagen kann“. Das wäre dann positiv(er).

Meine Antwort darauf:

So wie ich das verstanden habe, geht es vor allem darum, überhaupt eine Frau bei den Referenten zu haben.
Wenn sie zufällig etwas in Richtung des speziellen Themas beitragen kann, dann umso besser, aber wenn nicht, dann wird das auch nicht als tragisch betrachtet.
Die zweite von dir genannte Alternative scheint mir etwas zu optimistisch zu sein, denn normalerweise weiß man als Insider (zumindest in eng begrenzten Fachbereichen) schon so ungefähr, wer für ein spezielles Thema überhaupt in Frage kommen könnte.
Und insbesondere in Fächern, in denen Frauen selten sind, bleiben sie gerade deshalb leichter im Gedächtnis.
Für Themen dagegen, bei denen Frauen eh schon häufig vertreten sind .. wozu braucht man da noch eine extra Liste?

Was haltet ihr von diesem Konzept der „Speakerinnen“?
Sind sie eine sinnvolle Ergänzung oder nur ein scheinheiliges Alibi?

Einige Anmerkungen:

  1. Die Bezeichnung Speaker bezeichnet im englischen Sprachraum den Vorsitzenden eines legislativen Gremiums, und zwar unabhängig vom Geschlecht.
  2. Damit „was in Einzelfällen durchaus zufällig auch mal eine Frau sein kann“ nicht wieder falsch aufgenommen wird: In den Bereichen, in denen ich arbeite, sind Frauen seltene Ausnahmen.
  3. Mein Computer hat einen Speaker innen auf dem Motherboard.

Der Movember kommt

Ich hatte es bereits früher angesprochen: Bald ist wieder Movember.

Zeit, sich einen Schnurrbart wachsen zu lassen (wie etwa Thomas Hitzlsperger), um auf Männergesundheit aufmerksam zu machen. Aber auch für Leute mit spärlichem oder gar keinem Bartwuchs gibt es Möglichkeiten, teilzunehmen: Etwa indem man das Thema im Bekanntenkreis anspricht. Das wäre doch auch eine Idee für dieses Blog: Gezielt Artikel zu diesem Thema zu schreiben! Vielleicht wäre das sogar eine Blogparade wert, von der es ja lange keine mehr in dieser Blogblase gegeben hat. Also, einmal in die Runde gefragt: Wer macht mit?

Eine Glosse (oder der Versuch, eine zu schreiben)

(Nach einem ernst gemeinten Aufruf jetzt etwas ganz anderes. Manchmal fallen mir solche Sachen ein und aus diesem Monat stammen zwei Meldungen, auf die ich mich beziehe. Vielleicht am ehesten als Vorschlag zu sehen, wie es nicht laufen sollte.)

Mit so richtig viel Ernst erreicht man ja sowieso keine Leute. Also haue ich mal auf die Pauke: Angeblich kommt, wenn man auf gesundheitliche Probleme von Männern aufmerksam machen will, am häufigsten der Hinweis, dass Männer ja selbst an ihrem schlechten Gesundheitszustand Schuld seien. Sprich, da sollen sie sich mal alleine darum kümmern! Wie etwa der Mann aus Jena, der eine eigene Hodenkrebs-Stiftung gründete (gefunden via Genderama).

Na, das ist doch mal ein Vorgehensmodell! Und da sich gerade herausstellte, dass Sex mit mehr als 20 Frauen das Risiko für Prostatakrebs erheblich senkt (gefunden erneut via Genderama), wissen wir ja, was zu tun ist. Endlich gibt es auch einen Weg, die Pickup-Szene vernünftig in die Männerechtsbewegung zu integrieren!

Jetzt kann natürlich Kritik kommen, dass diese Lösung nur für erfolgreiche Männer funktioniert, die auf Frauen stehen. Aber keine Angst, Masturbation hat denselben Effekt, wie das ehemalige Nachrichtenmagazin schon 2003 vermeldete. Und wie wir aus dem Lawblog seit 2011 wissen (gefunden via fefe), sollte man als Mann ohnehin einige legale Pornos auf dem Computer haben – sonst macht man sich verdächtig, Kinderpornographie irgendwie versteckt zu haben. Damit hätten wir dann auch endlich die passende Entgegnung auf eine „Männliche Sexualität? Ih bäh!“-Haltung: Es geht um unsere Gesundheit und um nicht unschuldig unter Verdacht zu geraten! Der von Adrian vorgeschlagene Marsch hätte damit seine moralische Rechtfertigung.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Diesmal mit einem Lied, das inhaltlich überhaupt nichts mit dem Thema zu tun hat. Aber einer der Musiker hat so einen fürchterlichen Schnurrbart…

Kraftklub: Songs für Liam

Der ganz alltägliche Männerhass

Die Geschichte ist ja eigentlich schon durch. Der Blogpost wurde gelöscht und Christian hat aus dem Umfeld auch schon einiges thematisiert. Was los war?

Anne hat im Selbermachsamstag 106 auf http://vonderuniandenherd.wordpress.com/2014/10/05/bloggerprojekt-medizynicus-und-molly-sexuelle-belastigung/ verwiesen. Kurzum ging es um einenn Doodle, der als Umfrage umgestaltet war. Frauen durften ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung ankreuzen, Männer durften ankreuzen, inwiefern sie sexuell belästigt hatten. „Keine sexuelle Belästigung“ war dabei nicht mal eine explizite Option, man durfte immerhin eine leere Eingabe absenden. Eigentlich schade, daß sie ihren Text gelöscht hat. Ein Vergleich zwischen Männern und Pitbulls war auch dabei. Da mir nicht klar war, ob mein Kommentar bei ihr veröffentlicht wird, habe ich ihn auch im Selbermachsamstagsthread veröffentlicht. Dabei gehe ich auch auf die Diskussionen in den Kommentaren ein.

Danke, Anne. Kluge Worte.

Ich veröffentliche dann mal auch hier meinen Kommentar, den ich auch im Blog geschrieben habe, den Anne aufgeführt hat:

Das Zitat, welches Du Dir zu eigen gemacht hast, sagt eigentlich schon alles.

“Wie kann es nur sein, daß immerzu die eine Hälfte der Menschheit die andere bedroht oder fürchtet.”

Wie kann es nur sein, daß immerzu einige Männerfeinde die eine Hälfte der Menschheit als Bedrohung hinstellt? Die 1,70-Analogie hat Dir nichts ausgemacht, die Radfahrer-Analogie auch nicht. Die Diskussion über M&Ms ist nun auch nicht besonders lange her.

In Eurer Umfrage ist das Nichterleben/Nichtausführen nicht mal eine anklickbare Option. Was man durch Nichtanklicken-aber-trotzdem-absenden doch so gerade mal antworten kann.Eine höchst unsaubere Methode. Was jedoch komplett fehlt, sind Angaben zu Übergriffen an Männer oder durch Frauen. Und da hilft es auch nicht, wenn Du immer wieder schreibst, daß Du doch gar nicht männerfeindlich bist. Bei Dir klingt es eher wie ein “Aber ich habe eigentlich nichts gegen Ausländer”. Wird man ja wohl mal sagen dürfen, oder?

Mal ein paar Männergeheimnisse: Männer erleben Gewalt. In der Partnerschaft und sie haben keine adäquaten Anlaufstellen. Männer sind weit häufiger Obdachlos. Das sind die, vor denen Du vorm Supermarkt Angst hast.

Ganz besonders aber erleben Männer ständig und immer wieder Gewalt in der Öffentlichkeit. Die Bedrohungslage, die Du in Deinem Tagesablauf schilderst, haben Männer deutlich stärker als Du oder jede andere Frau. Einen Fausthieb für einen “dummen” Blick? Kommt in der Tageszeitung eigentlich nur vor, wenn das Opfer in Lebensgefahr geprügelt worden ist. Als Jugendlicher habe ich ganze Stadtteile gemieden und das unabhängig von der Uhrzeit.

Aber für Dich sind Männer ja nichts anderes als Pitbulls. Wenn das mal nicht männerfeindlich ist. Wenn wir uns auf der Straße begegnen, so wechsel doch bitte die Straßenseite. Ich wäre nämlich zutiefst schockiert und betroffen, wenn jemand grundlos mich als Vergewaltiger verdächtigen würde. Nur weil ich einen Penis habe. Ich mag keine Sexisten.

Einmal in der feministischen Hölle (ich wollte mich davon fernhalten), habe ich dann noch folgendes hinterhergeschoben.

Followup auf meinen eigenen Senf. Ich glaube jetzt nicht mehr, daß die Option “Ich wurde/habe nicht belästigt/vergewaltigt/etc” unabsichtlich weggelassen wurde. Die Blogger dort sollten mal für einen Realitätscheck mit einem anderen Doodle machen. Wer zur Hölle kreuzt bei einer Umfrage nichts an und sendet trotzdem ab?

Schön auch die Auswertung: http://medizynicus.wordpress.com/2014/10/11/die-zusammenfassung/

Besonders beunruhigend findet er, daß FRAUEN schon mal Sex hatten ohne es wirklich zu wollen. Kommentatorin Sternenpfad gibt ihm eine gute Antwort. Und auch ich finde es gutes partnerschaftliches Verhalten. Wieviele Männer hatten schon mal Sex ohne es wirklich zu wollen? Wird nicht gefragt. Praktiken, auf die sie nicht unbedingt Lust hatten, aber ihre Partner(innen!) umso mehr? Das ist aus der Luft gegriffen? Dann frag mal Männer, deren Frauen schwanger werden wollten.

Die feministische Hölle ist aber der von ihr verlinkte Blogbeitrag http://nandalya.wordpress.com/2014/09/10/ohne-mann-fehlt-dir-was/#commentshttp:// und hier ebenso auch die Kommentare.

Am Anfang verwehrt sie sich noch gegen Vorwürfe, daß sie männerfeindlich sei. Der Rest demonstriert das Gegenteil. Von den drei von ihr aufgeführten Beispielen für vermeintlichen Alltagssexismus sind zwei kriminell und der dritte eine Diskussion! Kein Wunder, daß sie die “die Liste sexistischer Übergriffe noch endlos weiterführen” könnte. Nandalya gibt zu “Ich habe Mann früher als Feindbild Nr. 1 gehabt. “. Früher?

Ulrike gibt herzerfrischend zu:
“Manchmal bin ich ganz froh, dass ich langsam so alt bin, dass mich kaum noch ein Mann sexuell wahrnimmt. 😉 Aber das gibt es doch noch – habe gerade vor ein paar Tagen einen “unsittlichen” Antrag von einem Mann erhalten. Fast bin ich schon wieder in einem Alter, wo man sowas als Kompliment auffasst. 😉 Und ich bekenne mich schuldig: Ich hab mich in meiner Jugend gefreut, wenn die Männer auf der Straße hinter mir her pfiffen. ”

Nandalya entgegnet, daß Gewalt für sie kein Problem ist, solange sie nur von ihr ausgeht: “Bei Pfiffen gab es früher von mir den Mittelfinger. Manchmal auch die ganze Hand”

Ein bisschen Rassismus ist dann auch dabei: “Lesbisch sein in Italien? Ich bitte dich … wo Mann doch so viel zu bieten hat! Ironie off, Realität on.”. Schön auch “Die neue “Grabscher-Mentalität” kommt leider auch durch das Zusammentreffen verschiedener Kulturkreise zustande. Immer wieder werden Südländer auffällig die wenig, oder keinen Respekt vor deutschen Frauen haben.”

Immerhin, als dreifach unterdrückte Minderheit sticht sie Nur-Ausländer auch locker aus: “Als asiatisch aussehende lesbische Deutsche[…]“. Gut, das sie keine rassistischen Sprüche bringt, wie sie versichert.

Molly L. fordert dann mal wieder, daß Männer die Beschützer spielen müssen um sich ihrer Erbschuld zu entledigen. “Und da können die Männer schließlich auch etwas tun: Nicht mitlachen, wenn der Kumpel seine sexistisch-fiesen Witze macht, andere Männer stellen, wenn sie eine Frau angegrabscht haben, eben einfach auch nicht wegsehen!”. Damselisierung, schönes Wort.

Aurelie, Ordnungsruf an Dich: ” Bei Frauen wiederum habe ich es ne erlebt, dass sie Schwule mit ihrer tollen Vagina “bekehren” wollen”. Schon klar, daß Du das nie erlebt hast. Du bist ja auch kein schwuler Mann. Wie wäre es, wenn wir diese Frage mal ein paar Schwulen stellen? Oder schauen mal, wie aggressiv insbesondere gutaussehende Frauen werden, wenn sie einen Korb bekommen?

Ich schließe meinen Ausflug in die Sexismushölle mit diesem Zitat von Nandalya:

“Aber versuch bitte dich in eine Frau zu versetzen. Wir sind diejenigen, die Kinder bekommen, sich Mann “öffnen” müssen. Nicht nur im sexuellen Sinn, auch emotional. Aber dieses “öffnen” bedeutet einen großen Einschnitt im Leben von Frau. Sie macht sich damit verletzlich, sie ist ungeschützt. Und das macht ihr Angst. Auch, wenn ich nie etwas mit Mann hatte und haben werde, so kann ich das zu 100 % nachempfinden.

Männer kennen dieses Gefühl nicht. Für gewisse Typem sind Frauen nur ein Objekt aus Busen, Beine, Po. Das Gesamtpaket, der Mensch, interessiert sie nicht.”

Da muß man wirklich nichts mehr zu sagen.

Petpanther meinte, daß ich das unterschätze. Und ich ahnte nicht wie recht er doch hat. Der Autorin und ihrem Co-Autor wurde die Diskussion nämlich zu heiß. Daher haben sie den Artikel inkl. der Kommentare kurzerhand gelöscht. Auch eine Art mit Kritik umzugehen. Der Erklärtext, der den Artikel dann ersetzte, scheint mir auch weniger von Einsicht als von Abwehr gekennzeichnet zu sein.

Mein Kommentar lautete:

Tja, gehöre ich nun zu denjenigen, die sich diskriminiert und
beleidigt gefühlt haben, zu den Finsterschweinen oder zu den
Beleidigern?

Ich werds wohl nicht erfahren, kann Dir jedoch sagen, daß ich mich auf
jeden Fall zu dem erstgenannten Personenkreis zähle. Mir ist auch
nicht klar was Du gemeint hast, denn was Du geschrieben hast, fand ich
ziemlich klar.

Bleibt mir Dir und Deinem Coautor einen ziemlich saloppen Umgang mit
den Leuten zu attestieren, die sich nicht nur mit Deinem Text
auseinandergesetzt haben, sondern sich auch die Mühe gegeben haben
ihre Antworten zu formulieren und zu schreiben. Und da frage ich mich,
ob die nun aufgewendete Zeit Dir und Deinen Lesern dies mitzuteilen
nicht auch völlig verschwendete Zeit war. Kein gutes Gefühl.

Und was soll ich sagen? Er wurde nicht veröffentlicht. Immerhin weiß ich jetzt, ich gehöre zu den Finsterschweinen.

Kleine Nachlese. Ihr Coautor Medizynicus veröffentlicht dann noch diesen unglaublich sachlichen Artikel: http://medizynicus.wordpress.com/2014/10/06/sexuelle-belastigung-sind-es-immer-nur-die-manner/

Ich als Mann kann locker erhobenen Hauptes nachts um halb eins alleine durch das übelste Rotlichtviertel spazieren und fühle mich immer noch halbwegs sicher – Molly muss sich in gewissen Situationen schon in ihrem idyllisch-verschnarchten Heimatkaff Gedanken machen.

Nun, Medizynikus scheint ein 2,10m-Schrank zu sein, der nachts um halb eins alleine mit seinem Rockerclub durchs Rotlichtviertel zu spazieren pflegt. Anders kann ich mir auf seine Aussage keinen Reim machen. Aber klar, wenn es allein um sexuelle Belästigung geht, da hat er natürlich recht. Die tatsächliche Gefahr von Gewalterfahrung jedoch ist mehr als sexuelle Gewalt. Auch bei den Folgen der nichtsexuellen Gewalttaten für Leben und (psychische) Gesundheit hat man schnell die große Schöpfkelle erwischt.

Immmerhin schafft er es noch festzustellen, daß Männer 30% der Opfer ausmachen, aber dann kommt das:

An fast allen Taten sind Männer als Täter beteiligt, an einem Fünftel der Taten sind Frauen als Täter beteiligt. Wenn Frauen als Täter beteiligt sind, dann meist gemeinsam mit Männern

Ja, und ich denke, das ist doch das einzig wichtige. Zwar gibt es auch einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an Opfern, aber das der Mann natürlich das hauptsächliche Tätergeschlecht ist, das scheint ihm doch recht wichtig. Und ich frage mich wieso. Wieso können Menschen, die immerhin einen ordentlichen formalen Berufsabschluß haben, die sich anscheinend für Geschlechtergerechtigkeit interessieren, so dermaßen bösartig und sexistisch sein? Er müßte in der Statistik nur mal „Männer“ mit Frauen, Juden, Altersgruppen oder Ausländern austauschen. Welchen Sinn mag es haben, aus einer –gemessen an der Gesamtbevölkerung verschwindend kleinen– Gruppe ausgerechnet das Geschlecht als Kategorie herauszuziehen?

Nun, ich wollte mich aus solchen Texten raushalten. Und ich bin doch immer wieder fasziniert davon. Hier haben wir (nicht nur) Radfems, die ihre psychischen Störungen spazieren fahren. Hier kommen Menschen mit vordergründig sehr sachlichen und empathischen Worten. Und trotzdem trieft alles von Männerhaß. Von Sexismus.

Potty-Mouthed Princesses Drop F-Bombs for Feminism by FCKH8.com

Ich frage mich wirklich, wie man schon Kinder mit diesem Mist indoktrinieren kann.

Doch weil sie so genial ist, gleich im Anschluss die Videoantwort von Julie Borowski:

Barbara Kay hat in der National Post einen Artikel darüber geschrieben.

Elisabeth Tuider et al.: Sexualpädagogik der Vielfalt

Es folgt ein Gastartikel von Stephan Fleischhauer. Da der Text etwas länger ist, ist er ganz nur zu lesen, wenn man direkt den Artikel ansteuert (d.h. von den Übersichtsseiten aus sieht man nur den ersten Teil). Aktualisierung: Stephan weist darauf hin, dass der Text noch in der Entwurfphase war.

Vor einigen Tagen ist in der FAZ ein Artikel erschienen, der kritisch über die Entwicklung der Sexualaufklärung in den Schulen berichtet: „Unter dem Deckmantel der Vielfalt“ (Autorin Antje Schmelcher). Der Artikel weist auf das bemerkenswerte Buch Sexualpädagogik der Vielfalt hin, das von Elisabeth Tuider und anderen Autoren mit dem Untertitel Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit veröffentlicht wurde. Das Buch ist in zwei Auflagen erschienen, die 1. Auflage 2008, eine 2. überarbeitete Auflage 2012.
Weiterlesen „Elisabeth Tuider et al.: Sexualpädagogik der Vielfalt“

Zum angeblichen „Zorn abgehängter Männer“

Liebe Christina Schildmann und liebe Anna-Katharina Meßmer

Ich habe Ihr essay „Vom Zorn abgehängter Männer gelesen“.

Sie beginnen dort mit der nicht gerade neuen Feststellung, der Ton im Internet sei oft ruppig oder gar gewalttätig, und dies insbesondere bei Themen, die Gender und Feminismus betreffen würden. Schuld daran sind nach Ihrer Auffassung „wütende Männer“, die sich „in Horden“ organisieren zusammenschließen würden.

Auffällig viele wütende Männer habe diese digitale Öffentlichkeit für sich entdeckt: Sie schließen sich in Horden zusammen, um gezielt auf einzelne Personen loszugehen – augenscheinlich auf solche, die ihnen als verantwortliche Symbolfiguren für den Untergang des WHM (weißen heterosexuellen Mannes) erscheinen.

Wenn man nun weiss, dass der (feministische) Zusammenschluss von Frauen im Internet gerne als moderne Vernetzung (Bildung von Netzwerken) gefeiert wird, fällt auf wie abwertend dazu im Gegensatz von Ihnen der Zusammenschluss von Männern betrachtet wird (Horden).

Als Ursache für die von Ihnen diagnostizierte Wut dieser männlichen Horden haben sie ein angebliches „Gefühl der Entmännlichung“ ausgemacht, dass diese Männer umtreiben soll. Genaue Belege für diese These liefern Sie in Ihrem Artikel leider nicht. Der wütende und feminismuskritische Mann ist in ihren Augen aber ein Gesellschaftsverlierer.

„Persönliche Schicksale werden – entindividualisiert und verallgemeinert – zu politischen Botschaften, mit denen die wütenden Männer in den Geschlechterkampf ziehen. Es ist das Gefühl einer persönlichen Niederlage, die sie zu politischen Kriegern macht, deren Wut sich vor allem gegen all jene richtet, die ihrer Meinung nach die Zerstörung einer sicheren Ordnung zu verantworten haben: Progressive, Frauen, Ausländer, Homosexuelle.“

Die „Horde“ besteht also nur aus einem Haufen von Leuten, die ihr persönliches Einzelschicksal nicht verkraftet haben? Auch hier lohnt der Blick ins andere Lager. Auch Feministinnen sind sehr oft in ihrem Aktionismus von ihren eigenen persönlichen negativen Erfahrungen angetrieben. Die persönliche Leidensgeschichte wird hier sogar gerne ausführlichst und wiederholt geschildert, dient teilweise geradezu als Legitimation (eigene Betroffenheit, Definitionsmacht). Ein Höhepunkt dieser Bündelung von negativen weiblichen Einzelerlebnissen war z.B. die viel gelobte Aktion #aufschrei.

Das Argument, eine Bewegung (bei Ihnen auch Horde genannt) sei in ihren Absichten weniger legitim oder ernst zu nehmen, weil die Akteure eigentlich nur ihre persönlichen Einzelschicksale verdauen wollen trägt also nichts wirklich Erhellendes zur Diskussion bei.

Dann haben Sie den nächsten Gedankenblitz:

Bei den Web-2.0-Kriegern fällt auf, dass sie sich oft auf „höhere Autoritäten“ berufen – gern auf Ikonen des Bildungsbürgertums wie Cicero und Nietzsche oder auf Repräsentanten der Qualitätsmedien.

Tja und umgekehrt beruft sich der Feminismus – je nach Ausrichtung – zum Beleg seiner Theorien und Forderungen gerne auf Judith Butler, Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer. Eine Bewegung beruft sich also üblicherweise gerne auf Repräsentanten. Na schau mal an. Was für eine Erkenntnis.

Weiterhin meinen Sie eine unheilige Allianz entdeckt zu haben, zwischen weißen männlichen Journalisten und den besagten männlichen Horden mit ihren persönlichen Entmännlichungsängsten.

„Doch ist die Geschichte der „Angry White Men“ keineswegs eine reine Verlierergeschichte. Speziell in Deutschland ist die Debatte schon lange auch die eines saturierten, einflussreichen konservativen Feuilletons. Es scheint eine unausgesprochene Allianz zu geben zwischen den verbalen Amokläufern im Web 2.0 und einigen arrivierten Journalisten, die sich über den „feminisierten Journalismus“ ereifern und die es sich zum Markenzeichen gemacht haben, eine „mutige“ beziehungsweise „unpopuläre“ Meinung zu vertreten“

Das wirft natürlich die Frage auf, warum auch diese wohlsituierten Männer den Antifeminismus unterstützen. Das Argument, bei Antifeministen würde es sich eigentlich nur um frustrierte Gesellschaftsverlierer handeln greift hier nicht wirklich. Statt diesem Widerspruch nachzugehen bilden Sie aber lieber Gruppentypen von weißen kritischen Journalisten. Zu jeder der von Ihnen benannten Gruppe fällt Ihnen exakt ein Repräsentant ein. Man könnte auch sagen sie machen für jeden bekannten feminismuskritischen weißen Journalisten eine eigene Kategorie auf. Das stellt dieses ganze Katalogisierungssystem schon irgendwie in Frage, finden Sie nicht?

Natur, Kultur und Geschlecht. Eine anthropologische Skizze.

Vorbemerkungen: Dieser Blogpost hat den Charakter eines Fachartikels oder »technical papers« und ist daher möglicherweise nicht immer leicht zu lesen. Auch wenn ich mich bemüht habe, Fachjargon zu vermeiden, habe ich im Zweifelsfall der Ausdrucksabsicht Vorrang vor der Einfachheit gegeben.

Einzelne, ggf.längere Zitate haben nicht die Funktion, eine Beleglast zu tragen (das kann nur in Auseinandersetzung mit der referenzierten Literatur geschehen), sondern sollen die Pointe bestimmter Gedankengänge illustrieren – insbesondere dann, wenn ihre Paraphrase auf ein wörtliches Zitat hinausliefe.

Ein erheblicher Anteil des hier betriebenen Begründungsaufwands entfällt auf die Positionierung zur Soziobiologie, wobei ich grundsätzlich der Absicht folge, deren Positionen, soweit sinnvoll, in eine »integrative« Perspektive einzubeziehen.

(1) Wenn wir daran gehen, aus der wissenschaftlichen Literatur eine naturalistische Grundlegung der menschlichen Kultur zu kompilieren, bietet es sich an, bei der neuronalen Plastizität des menschlichen Gehirns zu beginnen. Die Frage nach Freiheit und Determinismus des menschlichen Verhaltens findet hier das Kernstück ihrer Beantwortung. Das menschliche Gehirn und sein funktioneller Aufbau ist das entscheidende Resultat der Hominisierung, der zum anatomisch modernen Menschen führenden Evolution. Gehirnforscher wie Singer (Singer 2002: 44, 2003: 97 f.) und Roth (Roth 2003: 81) und Soziobiologen wie Wuketits (Wuketits 1997: 166) und wohl auch Wilson (Wilson 2014: 291) sowie Paläoanthropologen wie Mithen (Mithen 1998: 171 ff.) sind sich darin einig, dass sich unabhängig von fortlaufenden genetischen Anpassungen des Homo Sapiens der strukturelle Aufbau und die funktionelle Ausstattung des menschlichen Gehirns seit dem Zeitraum von 80.000 bis spätestens 30.000 Jahren vuZ nicht mehr verändert hat, einem biologischen Lehrbuch zufolge sogar seit »weit über 100.000 Jahren« nicht mehr (Thompson 2001: 444). Laut Hermann Parzinger »besteht inzwischen in der Forschung weitgehende Einigkeit, dass sich der Homo sapiens des Jungpaläolithikums ab 40.000 vor heute in seinen kulturellen Fähigkeiten nicht mehr grundlegend vom heutigen Menschen unterschied.« (Parzinger 2014: 62) Höhlenmenschen und Justizbeamte haben die gleiche Kapazität für Kultur (Wuketits), Kinder der jüngeren Altsteinzeit könnten in modernen Kulturen zu Wissenschaftlern oder Geigenvirtuosen heranwachsen (Singer) und »Einstein hat die Relativitätstheorie mit einem Steinzeit-Hirn ersonnen.« (Welsch 2012: 729) Weiterlesen „Natur, Kultur und Geschlecht. Eine anthropologische Skizze.“

Welcome to WGTOW.net

Das hier finde ich sehr interessant. So wie ich das verstanden habe vertreten die wgtow ähnliche Ansichten wie ich, auch wenn mir das „women for women“ ein wenig sauer aufstößt.

womengoingtheirownway

Women Going Their Own Way (WGTOW.net) is for women who have no interest in male chivalry, and no interest in being damselled or pedestalized.

In place of these inane stereotypes, it’s time for a real movement to transcend them instead of waiting for a faux movement that promised to discard gender assumptions but did little more than entrench them further.

Women Going Their Own Way can be viewed as a counterpart to the Men Going Their Own Way movement, but it is no mere copy. The idea of self-determined men and women, and the phrase ‚go your own way‘ is hundreds of years old, serving as a call to integrity and independence that can’t be limited to one gender or group.

We no longer wish to be held to the ridiculous standard of goddesses, and we don’t need to be seen as damsels in distress. And we sure as…

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Das Blick-Embargo

Werden Frauen über 50 diskriminiert, weil sie nicht mehr so viele bewundernde Blicke von Männern erhaschen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die „Kolume Später: Der Nichtblick des Mannes“ in der taz. Eigentlich war dieser Beitrag als Kommentar auf der taz-Website geplant, aber da er immer länger wurde, veröffentliche ich ihn hier. Hier nun also meine Erwiderung:

Ihr Frauen habt echt Probleme. Erst ist es Euch zuviel, dann ist es Euch zuwenig. Und natürlich sind immer wir Männer Schuld. Nur weil wir eben die Frauen anschauen, die uns gefallen, und die ignorieren, die uns nicht gefallen. Wie sexistisch! Wie Schönheitsnormen-zementierend!

Nur: Die Schönheitsnormen haben nicht wir gemacht, das ist schlicht Biologie und Evolution. Ja, mal sind die Molligeren mehr angesagt, mal die Schlanken, das ist wohl kulturell bedingt. Aber was sich nie geändert hat und auch nicht ändern wird, weil es m.E. biologisch bedingt ist, ist, dass jüngere nun mal im Schnitt attraktiver sind als ältere.

Ja, es gibt attraktive Frauen über 50. Aber es sind eben weit weniger als bei den Frauen in den 20ern. Nichts und niemand wird uns Männer dazu kriegen, unsere Attraktivitätskriterien zu ändern, nur weil Frauen wie z.B. Bascha Mika das gerne so hätten. Oder verlangen wir von Euch, dass Ihr doch bitteschön auch mal arme Schlucker am unteren Rande der Gesellschaft attraktiv finden solltet?

Willkommen in der Welt des Mannes

Meint ihr, uns geht es anders? Wann zeigen denn Frauen uns Männern mal deutlich, dass sie uns begehrenswert finden? Normale Männer, also die 98%, die nicht zu den besonders begehrenswerten zählen, leiden unter dem Blick-Embargo, das Ihr als 50plus-Frauen beklagt, ihr ganzes Leben lang. Oder was heißt „leiden“, wir kennen es ja gar nicht anders. Kaum eine Frau dreht sich mal nach uns um oder pfeift uns gar hinterher. Es gibt keinen Anspruch darauf, vom anderen Geschlecht bewundert zu werden. Das muss man sich unter Umständen erst mühsam erwerben. Das haben wir Männer schon in der Pubertät begriffen, manche Frauen scheinen das aber erst in den 50ern zu begreifen und manche nie. Willkommen in der Welt derer, die das sexuelle Interesse des anderen Geschlechts nicht einfach so hinterher geworfen bekommen! Willkommen in der Welt der Männer!

Warum ich schwangere Kolleginnen völlig ok finde

„Die Wirtschaft könnte so gut laufen, wenn nur die Menschen nicht wären!“ Diese Einstellung führe ich schon immer auf asoziale Ratten zurück. Ja, bei dieser Gelegenheit spreche ich deutliche Worte. Der Mensch als Störfaktor im Wirtschaftssystem – da hat jemand etwas falsch herum verstanden (oder die falschen Prioritäten gesetzt). So direkt sagt das zum Glück fast niemand, aber wann immer eine Argumentation sich in die Richtung bewegt, werde ich hellhörig.

Was musste ich zuletzt lesen? Einen verstörenden Artikel nebst entsprechender Diskussion. Das eigentliche Thema sollte ein ganz anderes sein, aber es wurde zurecht die Hauptsache: Eine diskriminierende, weil sexistische Auswahl von Bewerbern. Frauen hätten, so wurde frank und frei zugegeben, selbst bei bester Qualifikation keine Chance, die Stelle zu bekommen.

Es ist faszinierend und bewundernswert, wie sehr einige Kommentatoren nachsetzten und sich nicht mit halbgaren Beschwichtigungen zufrieden gaben. Darunter fielen:

  1. Die meisten Frauen wollen gar nicht führen.
  2. Es gibt ja ohnehin nur 5% Bewerberinnen.
  3. Es ist ja nur eine Stelle!
  4. Das ist sowieso ein harter, das möchte man den wenigsten zumuten.

Natürlich ist das alles Blödsinn. Wenn sich eine Frau findet, die hart im Nehmen ist, die in einer solchen Stelle ihre Erfüllung sieht, dann muss sie, wenn sie die Qualifikation hat, eine Chance haben, die Stelle zu bekommen. (Immer unter der Voraussetzung, dass sie so gut ist wie andere Bewerber usw. – ich werde jetzt nicht die Bedingungen aufzählen, die unter „mit gesundem Menschenverstand betrachtet“ zusammenfassen würde.)

Mein Lieblingstest bei solchen Fragestellungen ist ja immer: Wie sähe derselbe Sachverhalt aus, wenn man sinngemäß Ausländer / Schwarzer / Jude einsetzen würde? „Wir wollen grundsätzlich keine Ausländer für die Stelle.“ / „Wir wollen grundsätzlich keine Schwarzen für die Stelle.“ / „Wir wollen grundsätzlich keine Juden für die Stelle.“ Starker Tobak!

Stellen wir uns ein anderes, aber sehr ähnlich gelagertes Beispiel vor: Eine Stelle wird geschlechtsneutral ausgeschrieben, es wird aber eigentlich nur eine Frau gesucht. Es bewirbt sich ein hochqualifizierter Mann, formal entspricht er den Anforderungen, aber man kann ihn aus diesen diskriminierenden Gründen nicht nehmen und streicht die Stelle lieber ganz. Unglaublich, oder? Der Fall eines Mathematik-Professors sorgte vor vier Monaten zurecht für Aufsehen (zumindest in dieser Blogblase) – ich staune aus heutiger Sicht, bei wem unter anderem.

Kommen wir nun zu dem Grund, der vorgeschoben wird, um Diskriminierung zu rechtfertigen: „Wir haben Angst vor Frauen als Mitarbeitern, weil die schwanger werden können.“ Alles klar! Und nächste Woche: Warum ist die Geburtenrate (gerade bei Akademikerinnen) so niedrig?

Fummeln wir das mal Schritt für Schritt auseinander. Zunächst einmal sollten wir nicht auf eine billige Nebelkerze hereinfallen: Das sei eine Stelle im Top-Management. Deswegen sei es doch klar, dass man völlige Hingabe erwarten müsse, und das sei bei Frauen im gebärfähigen Alter unwahrscheinlich. Außerdem gehe es um KMU (für die Nicht-Ökonomen: das steht für „kleine und mittlere Unternehmen“). Bei denen wirke sich der längere und unerwartete Ausfall eines Mitarbeiters fatal aus.

Also, was denn nun? Das Spitzenmanagement, über das wir im Zusammenhang mit der Frauenquote reden, betrifft nur eine Handvoll Großkonzerne, also gerade nicht KMU. Und KMU werden uns immer auch damit als wichtiges Rückrat oder Seele der deutschen Wirtschaft verkauft (und ich glaube es sogar), dass sie anpassungsfähiger seien.

Mit Verlaub: Die Karte „die können sich nicht darauf einstellen“ zieht da nicht. Je größer der Laden, desto eher findet man jemanden innerhalb des Betriebs, der den Ausfall ersetzen kann. Je kleiner die Klitsche, desto mehr kann man erwarten, dass sich alle Beteiligten absprechen.

Klar, ungeplante Schwangerschaft läßt sich nie zu 100% ausschließen. Aber bitte, hören wir denn sonst nicht von irgendwelchen Leuten mit stolzgeschwellter Brust, das einzig konstante sei der Wandel, und das sei ihr tägliches Geschäft? Und so etwas Gewöhnliches wie eine schwangere Frau bringt sie aus dem Konzept? Auf welchem Planeten leben diese Leute? Mal umgekehrt gesehen: Wenn in dieser Blogblase Forderungen nach Sicherheit abgelehnt werden (die auch überzogen sind, meine Wertung), dann mit dem Hinweis, dass ich mich nie vollständig vor Risiken schützen kann und vor allem, dass es immer Idioten geben wird. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt auch für diesen Fall.

„Kind und Karriere“ halte ich tatsächlich für eine Illusion, und ich glaube, dass der Ausdruck hauptsächlich wegen der Alliteration verwendet wird, denn ansonsten führt er in die Irre. Ich setze dem mal eine andere entgegen: „Auslaufmodell Alleinverdienerehe“. Darum muss „Kind und Beruf“ vereinbar sein – ohne Reibung und Ärger wird das nicht gehen, aber es muss machbar sein.

Sodann lese ich, die Stelle sei als Sprungbrett geplant. Dann wird nach 2-3 Jahren ohnehin ein Wechsel nötig sein! Gerade wenn man Typen direkt von der Uni im Auge hat, die sich hocharbeiten wollen, muss man davon ausgehen, dass sie von einer anderen Firma abgeworben werden. Dieses Schicksal ist KMU nur zu gut bekannt. Um nach oben zu kommen, muss man wechseln oder von Anfang an bei einer größeren Firma einsteigen.

Der nächste Widerspruch: Entweder es sind genug andere Leute da, weil man eine Flut von Bewerbungen hat, bei denen man nicht nach formalen Kriterien aussortieren kann. Dann wird Ersatz zu finden kein Problem sein. Eine Frau automatisch auszuschließen ist dennoch Diskriminierung, selbst wenn ihre Chance auf die Stelle minimal waren. Oder es herrscht Fachkräftemangel (meiner Ansicht nach generell ein Mythos, er herrscht eher „Mangel an Fachkräften, die man mit einem niedrigen Lohn abspeisen kann“) und man bekommt schwer einen neuen Mitarbeiter: Dann ist jedoch Entgegenkommen sinnvoll in Form von Regelungen, mit denen man auf Schwangerschaften adäquat reagieren kann.

Sexuelle Diskriminierung bei der Vergabe von Stellen trifft Männer wie Frauen (siehe das Mathematik-Professur-Beispiel oben). Mein Bekannter X suchte lange eine Stelle. Eine Regel schälte sich heraus: Aufgrund der „Wir wollen unseren Frauenanteil erhöhen und stellen bei gleicher Qualifikation eine Frau ein“-Regelung vieler Unternehmen hatte er keine Chance mehr, sobald sich eine (wohl mindestens halbwegs qualifizierte) Frau bewarb. Es war ab dann egal, wie gut er war. Genau das würde eine Frau umgekehrt im Ausgangsfall erleben. Aus diesem Grund bin ich auch gegen eine Frauenquote, denn sie läuft auf einen ähnlichen Mechanismus hinaus.

Meine Bekannte Y hingegen wurde in ihrer ersten Stelle ausgebremst und nicht ernst genommen. Es stellte sich heraus, dass der Chef ein mentales Problem hatte. Er war der Meinung, Frauen gehörten an den Herd und da sie irgendwann schwanger würde, würde sie jetzt eh nichts reißen.

Mein Bekannter Z wiederum wurde völlig ausgelaugt an seinem Arbeitsplatz. Sein Vorgesetzter verlangte Übermenschliches. Für den Kram zu Hause, da habe man ja eine Frau, die einem den Rücken freihielte… auch die Einstellung ist natürlich von vorgestern. Textaufgabe: Wie läßt sich diese Idee mit der Realität vereinbaren, in der es homosexuelle Männer gibt, bei denen beide Partner arbeiten – von Single-Männern wollen wir mal gar nicht reden?

Wenn eine Stelle „nur für Männer“ vorgesehen wird, weil man das Frauen aufgrund der Härte „ja auch nicht zumuten“ kann – dann ist das einerseits Frauenbevormundung. Andererseits handelt es sich auch um Männerdiskriminierung („mit denen kann man es ja machen“).

Ich selbst habe in mehreren KMU erlebt, wie sowohl Frauen als auch Männer Elternzeit genommen haben. Schwangerschaftszeiten kann man planen inklusive Rückkehr. Die Einstellung war: Lieber einen Mitarbeiter halb verlieren als ganz an die Konkurrenz. Die Rückkehrer kommen schneller wieder rein in den Ablauf als ganz neue Leute.

Alle anderen Kollegen bekommen die Stimmung mit und eine gute und faire Behandlung motiviert auch die anderen. Die Kollegen ohne Kinder helfen mit. Es ist ja klar, dass das jeder später selbst verlangen kann. Dabei hilft eine gute Mischung im Unternehmen, etwa indem man ein paar „junge Heißsporne“ hat, die sich beweisen wollen. Das ist ein typisches Beispiel für eine Solidargemeinschaft – der eine steht für den anderen ein.

Selbst nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb wird Gutes über die Firma erzählt. Und ein guter Ruf kann viel ausmachen.

Richtig ist aus: Die Elternzeit für Väter musste erkämpft werden. Die Väter, die ich erlebt habe, haben sie gerne genommen. Zufriedene Väter schienen auch besser ranzuklotzen, es hatte also seinen Sinn.

Und die Vorstellung von „totale Flexibilität“ ist ohnehin eine Illusion. Wer soll so ein Haus bauen?

Interessant finde ich, wie Sexismus an dieser Stelle durch „ökonomische Zwänge“ begründet wird auf der Ebene eines einzelnen Betriebes gerechnet wird. Das hat aber gleich mehrere Macken.

Zum einen gilt auch für ökonomische Modelle: garbage in, garbage out. Man kann aus einem Modell nicht herausholen, was man nicht hineingesteckt hat. Was sich nicht beziffern läßt, läßt sich auch nicht einpreisen. Gut motivierte Mitarbeiter sind unbezahlbar! Auch das Wirtschaftssystem existiert nicht im luftleeren Raum, sondern basiert auf der Gesellschaft, die dazugehört. Es gibt also viele Einflussfaktoren, die man aber schwer einpreisen und damit in das Modell packen kann.

Außerdem wird der alte Fehler gemacht, für eine volkswirtschaftliche Beurteilung betriebswirtschaftlich zu denken. Dabei ist klar, dass das nicht funktioniert: Das Gefangenendilemma aus der Spieltheorie ist ein Beispiel, wie man gerade nicht das gesamtgesellschaftliche Optimum bekommt, wenn jeder für sich optimiert. Wenn jemand das „Risiko“ schwangere Frau ausschließen will, will er sich möglichen Kosten entziehen, die gesamtgesellschaftlich anfallen müssen (sonst stirbt die Gesellschaft langsam aus – wir sind übrigens auf gutem Wege dabei).

Schließlich stellt sich noch die Frage, warum denn „das Primat der Wirtschaft“ gelten soll. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, auch wenn das meistens nicht sinnvoll oder möglich ist, sowie ein ins Private überbordendes Wirtschaftssystem, das uns nebenbei eine „marktkonforme Demokratie“ beschert und eine Lebensplanung, bei der die Menschen der Wirtschaft dienen und nicht umgekehrt – es scheint ein weiteres Mal, als sei der wahre Feind einer modernen Gesellschaft nicht „das Patriarchat“, sondern der Neoliberalismus. Es ist zum links werden!

Was tun? Denn die Firma (oder Autorin) hat einfach keinen Bock auf „keine Diskriminierung“. Dazu kann man sie (ohne Beweise) nicht zwingen und selbst mit Beweisen hat es wenig Sinn, jemanden reinzupuschen, der da nicht willkommen ist.

In einer überraschenden Wende bringe ich jetzt (scheinbar) neoliberales Gewäsch: Der Markt funktioniert an dieser Stelle! So eine Einstellungspolitik läßt sich auf Dauer schwer kaschieren, selbst wenn sie nirgendswo aufgeschrieben oder verkündet wird. Die beste Konsequenz für jeden einzelnen besteht darin, einen weiten Bogen um diese Firma zu machen! Die wollen Frauen nicht und laugen Männer gerne etwas mehr aus. Das regelt sich mit der Zeit von selbst, denn die Leute erzählen das ja.

Die beste Strategie für jeden einzelnen besteht also darin, die Augen und Ohren aufzuhalten und solche Sachverhalte weiterzugeben. Wenn ein Unternehmen weniger verkauft oder Probleme hat, neue Mitarbeiter zu finden, weil die Einstellung von hinreichend vielen Leuten einfach nicht hingenommen wird, dann gibt es irgendwann genügend Leidensdruck, um sich zu ändern. Das mag langsamer wirken und weniger plakativ sein als ein Gesetz. Aber ich glaube, dass das am Ende besser funktioniert.

P.S.: Was mich nicht überzeugt: Frauen als „halsstarrig“ darstellen, wenn sie auf etwas beharren. Das nennt man auch Durchhaltevermögen. Zum Vergleich: Ansonsten werden Frauen (zumindest in dieser Blogblase) umgekehrt gerne als „wenig hartnäckig“ abgewertet oder bekommen zu hören „die halten keinen Widerspruch / keine harten Worte aus“ oder „regen sich über ein paar wenig nette Bezeichnungen zu sehr auf, lassen sich davon ins Bockshorn jagen“. In meinem Berufsleben sind Kolleginnen übrigens sehr erfolgreich gewesen mit dieser Methode und auch sehr beliebt bei Kunden und anderen Kollegen!

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Diesmal gibt’s einen Klassiker Depeche Mode. Ist schon beachtlich, wie oft in der Popmusiker der 1980er der zügellose Kapitalismus besungen wurde…

Depeche Mode: Everything Counts