Zum angeblichen „Zorn abgehängter Männer“

Liebe Christina Schildmann und liebe Anna-Katharina Meßmer

Ich habe Ihr essay „Vom Zorn abgehängter Männer gelesen“.

Sie beginnen dort mit der nicht gerade neuen Feststellung, der Ton im Internet sei oft ruppig oder gar gewalttätig, und dies insbesondere bei Themen, die Gender und Feminismus betreffen würden. Schuld daran sind nach Ihrer Auffassung „wütende Männer“, die sich „in Horden“ organisieren zusammenschließen würden.

Auffällig viele wütende Männer habe diese digitale Öffentlichkeit für sich entdeckt: Sie schließen sich in Horden zusammen, um gezielt auf einzelne Personen loszugehen – augenscheinlich auf solche, die ihnen als verantwortliche Symbolfiguren für den Untergang des WHM (weißen heterosexuellen Mannes) erscheinen.

Wenn man nun weiss, dass der (feministische) Zusammenschluss von Frauen im Internet gerne als moderne Vernetzung (Bildung von Netzwerken) gefeiert wird, fällt auf wie abwertend dazu im Gegensatz von Ihnen der Zusammenschluss von Männern betrachtet wird (Horden).

Als Ursache für die von Ihnen diagnostizierte Wut dieser männlichen Horden haben sie ein angebliches „Gefühl der Entmännlichung“ ausgemacht, dass diese Männer umtreiben soll. Genaue Belege für diese These liefern Sie in Ihrem Artikel leider nicht. Der wütende und feminismuskritische Mann ist in ihren Augen aber ein Gesellschaftsverlierer.

„Persönliche Schicksale werden – entindividualisiert und verallgemeinert – zu politischen Botschaften, mit denen die wütenden Männer in den Geschlechterkampf ziehen. Es ist das Gefühl einer persönlichen Niederlage, die sie zu politischen Kriegern macht, deren Wut sich vor allem gegen all jene richtet, die ihrer Meinung nach die Zerstörung einer sicheren Ordnung zu verantworten haben: Progressive, Frauen, Ausländer, Homosexuelle.“

Die „Horde“ besteht also nur aus einem Haufen von Leuten, die ihr persönliches Einzelschicksal nicht verkraftet haben? Auch hier lohnt der Blick ins andere Lager. Auch Feministinnen sind sehr oft in ihrem Aktionismus von ihren eigenen persönlichen negativen Erfahrungen angetrieben. Die persönliche Leidensgeschichte wird hier sogar gerne ausführlichst und wiederholt geschildert, dient teilweise geradezu als Legitimation (eigene Betroffenheit, Definitionsmacht). Ein Höhepunkt dieser Bündelung von negativen weiblichen Einzelerlebnissen war z.B. die viel gelobte Aktion #aufschrei.

Das Argument, eine Bewegung (bei Ihnen auch Horde genannt) sei in ihren Absichten weniger legitim oder ernst zu nehmen, weil die Akteure eigentlich nur ihre persönlichen Einzelschicksale verdauen wollen trägt also nichts wirklich Erhellendes zur Diskussion bei.

Dann haben Sie den nächsten Gedankenblitz:

Bei den Web-2.0-Kriegern fällt auf, dass sie sich oft auf „höhere Autoritäten“ berufen – gern auf Ikonen des Bildungsbürgertums wie Cicero und Nietzsche oder auf Repräsentanten der Qualitätsmedien.

Tja und umgekehrt beruft sich der Feminismus – je nach Ausrichtung – zum Beleg seiner Theorien und Forderungen gerne auf Judith Butler, Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer. Eine Bewegung beruft sich also üblicherweise gerne auf Repräsentanten. Na schau mal an. Was für eine Erkenntnis.

Weiterhin meinen Sie eine unheilige Allianz entdeckt zu haben, zwischen weißen männlichen Journalisten und den besagten männlichen Horden mit ihren persönlichen Entmännlichungsängsten.

„Doch ist die Geschichte der „Angry White Men“ keineswegs eine reine Verlierergeschichte. Speziell in Deutschland ist die Debatte schon lange auch die eines saturierten, einflussreichen konservativen Feuilletons. Es scheint eine unausgesprochene Allianz zu geben zwischen den verbalen Amokläufern im Web 2.0 und einigen arrivierten Journalisten, die sich über den „feminisierten Journalismus“ ereifern und die es sich zum Markenzeichen gemacht haben, eine „mutige“ beziehungsweise „unpopuläre“ Meinung zu vertreten“

Das wirft natürlich die Frage auf, warum auch diese wohlsituierten Männer den Antifeminismus unterstützen. Das Argument, bei Antifeministen würde es sich eigentlich nur um frustrierte Gesellschaftsverlierer handeln greift hier nicht wirklich. Statt diesem Widerspruch nachzugehen bilden Sie aber lieber Gruppentypen von weißen kritischen Journalisten. Zu jeder der von Ihnen benannten Gruppe fällt Ihnen exakt ein Repräsentant ein. Man könnte auch sagen sie machen für jeden bekannten feminismuskritischen weißen Journalisten eine eigene Kategorie auf. Das stellt dieses ganze Katalogisierungssystem schon irgendwie in Frage, finden Sie nicht?

Feminismus und die Unfähigkeit für Allianzen

Eine politische Bewegung, die etwas Gesellschaftsveränderndes erreichen möchte kann dies eigentlich nur auf zwei Wegen tun. Entweder sie träumt von einer Art Revolution, also einer gewaltsamen Machtübernahme, wie viele am ganz linken oder rechten Rand das tun mögen, oder aber sie muss Allianzen schmieden und Verbündete suchen.

Genau damit tut sich der Feminismus jedoch sehr schwer. Auch der Feminismus hat Unterstützer, die dort (etwas infantil) „Allies“ oder „Allys“  genannt werden. Allie ist in diesem System jeder, der nach feministischem Dogma nicht selbst „Betroffener“ oder besser „Betroffene“ sein kann. Also konkret gesagt profeministische Männer.

„Allies sind in erster Linie unterstützende Menschen, die nicht selbst von der Diskriminierung betroffen sind, gegen die sie sich stellen wollen. Was dabei als unterstützend empfunden wird, ist von Feministin zu Feministin unterschiedlich.“

Quelle: Faserpiratin

„Verbündete sind Leute, die eine Gruppe von Menschen unterstützen, die von Diskriminierungen, Vorurteilen etc. betroffen sind. Verbündete sind dabei selbst keine Mitglieder dieser Gruppe. Speziell feministische Verbündete sind Einzelpersonen, die keine Frauen sind und Frauenrechte unterstützen sowie Feminismus und dessen Anliegen fördern. „

Quelle: kleinerdrei

Ob man überhaupt Allie ist oder nicht, kann man auch gar nicht selber entscheiden:

„Ihr habt nicht zu entscheiden, ob ihr “Allies” seid. Das entscheiden die, die ihr supporten wollt. Anhand eurer Handlungen, Aussagen, eurer Motivation.“

Quelle: A++Ranting

Diese Allies sollen also nicht den Status des Mitglieds der (feministischen) Gruppe erhalten, sie sind damit keine Partner auf Augehöhe sein, um die feministische Basis in der Gesellschaft zu verankern, sie dienen statt dessen fast ausschließlich als interne Sündenböcke und werden als Adressat von Erziehungsmaßnahmen genutzt. Weil die männliche Normalbevölkerung sich relativ wenig um Verhaltensvorschriften und Lebensanweisungen aus dem feministischen Lager schert, müssen die Allies als Repräsentanten und Stellvertreter herhalten. Das muss so sein, denn der Allie muss ein Leben in Buße führen:

„Ein Ally fällt nicht einfach vom Himmel und deswegen ist es ganz normal, Dinge nicht zu wissen. Wichtig ist immer die Selbstreflektion des eigenen Handelns und der eigenen männlichen Privilegien. Sei dir also auch deines Nichtwissens bewusst und halte dich nicht für unanfechtbar. Nimm Kritik an deinem Verhalten ernst, aber nicht persönlich. Wir alle machen Fehler, wichtig ist, daraus zu lernen, das Handeln zu reflektieren und sich weiterzuentwickeln. Wenn Feministinnen dich kritisieren, wirf nicht das Vorwurfskarusell an und gehe nicht in Verteidigungsstellung, das hilft nicht und kostet allen Energie.“

Quelle: Faserpiratin

Da die feministische Dogmatik kein In-sich geschlossenes logisches System bildet, sondern in jedem Einzelfall von der Willkür den Gefühlen der wirklich Betroffenen Femininistinnen und deren Definitionsmacht abhängt, kann man als Allie scheinbar viel falsch machen. Man kann sich zum beispiel ZU SEHR engagieren und dadurch den echten Feministinnen „Raum wegnehmen“:

„Vergiss nicht, um wen es hier geht und mache Frauen sichtbar (das fängt z.B. bei Verlinkungen in Blogeinträgen an). Biete Frauen Freiräume, in denen sie sich entfalten können und respektiere. dass diese Freiräume auch mal nur für FLTI* reserviert sind. Achte online und offline auf dein Redeverhalten: Hast du in einem Gespräch viele Redeanteile, die besonders lang sind? Verhälst du dich dominant? Könnten Frauen aufgrund deiner Redensweise keine Lust mehr haben, sich am Gespräch zu beteiligen?“

Quelle: Faserpiratin

Auf der anderen Seite kann Zurückhaltung eines Allies auch falsch sein, weil er damit den armen Feministinnen die ganze Arbeit überlässt, wie z.B. accalmie darlegt:

„Viel­leicht gibt es bei man­chen allies auch Be­den­ken, sich sonst “vor­zu­drän­gen“. Das Problem dabei ist jedoch, dass viele denken, dass zum Beispiel Antisexismus grundsätzlich die exklusive oder zumindest primäre Aufgabe von Frauen sei, und das rund um die Uhr. Dazu kommt noch, dass manche vielleicht meinen, Feminist_innen hätten täglich nichts Besseres zu tun, als auf akribische Sexismus-Spurensuche zu gehen, und man sie mit dem neuesten Beispiel überraschen und darin unterstützen könnte, endlich wieder etwas gefunden zu haben, anhand dessen man Sexismus aufzeigen kann.“

Quelle: mädchenmannschaft

Diese Forderung steht in einem gewissen Widerspruch zu dieser Aufforderung:

„Frage erst, ob und wie du helfen kannst, bevor du zur Hilfe eilst und dabei vielleicht übergriffig wirst. Das kann bei Tätigkeiten im Alltag oder auch bei Diskussionen im Netz der Fall sein. Wenn du Frauen das Gefühl gibst, du greifst ein, weil sie Frauen sind und ihre Probleme deshalb nicht alleine lösen können, bist du kein Ally.“

Quelle: Faserpiratin

Schon die Idee einer in der Politik notwendigen Kompromisfindung oder auch nur der Überzeugungsarbeit ist vielen Feministinnen jedenfalls scheinbar fremd:

„Für den Feminismus soll ich also den armen Dudes alles nochmal lieb und nett erklären.
Was bleibt von Feminismus noch übrig, wenn sein Anliegen ist, cisMänner zu überzeugen? Was bleibt von Feminismus noch übrig, wenn er sich bemüht, es cisMännern Recht zu machen? Ich will eine radikale Bewegung, die wirklichen Umbruch fordert_provoziert_bewirkt. Und nicht eine, die darum bettelt, dass Dudes ihr einen Knochen hinwerfen.“

„Ich bettele nicht um Support. Ich bettele nicht um Anerkennung. Ich bettele nicht jedes verdammte bisschen Respekt. Wenn “die Sache” also ist, Dudes bei der Stange zu halten, und der Sache nützt, ihnen die Füße zu küssen: ja, das ist mir herzlich egal.“

Quelle: A++ Ranting

Allies werden hier eher als eine Art notwendiges Übel, als Gegner zweiten Grades wahrgenommen.

Feminismus ist nicht für cisMänner da. Ich finde es gut, wenn sie sich beteiligen*. Aber ich brauche sie nicht. “Mein” Feminismus ist darauf abgerichtet, mich und andere zu empowern. Das ist “die Sache”, für die ich arbeite. Um das zu erreichen, muss ich keinem Dude Honig ums Maul schmieren

Quelle: A++ Ranting

Eine weitere wichtige Funktion des feministischen Allies ist eine Art Blitzableiter für feministische Wut zu sein, denn anders als der „Masku“ schläge der Allie natürlich nicht zurück:

„Ich habe keine Ressourcen, um mir eure male tears anzuhören. Ich erlebe jeden Tag Sexismus, und das schwächt. Ich werde von Maskus angegangen, und das schwächt. Ich habe keine Kraft, um mir Zeit zu nehmen für eure Weh-Wehchen. Ich will mich nicht mit rummaulenden “Allies” auseinandersetzen müssen, wenn der nächste Masku mir schon wieder Gewalt androht. Sexismus ist Gewalt und macht wütend. FUCKING DEAL WITH IT.“

Quelle: A++ Ranting

Wir sehen man(n) hat es nicht einfach als Diener, Untergebener Allie des Feminismus.  Ich glaube kaum, dass mit diesem Konzept der feministischen Idee zum Durchbruch verholfen werden kann.

Nachtrag zum Thema:

„Ich bin selber eine von denen die am lautesten widersprechen, wenn jemand erklärt, Feminismus müsste netter werden. Niemand muss zu männlichen Allies nett sein, das habe ich weder gesagt noch gemeint. Aber diejenigen kollateral zu bashen, die gerade weder gefailt haben noch sonstwie aufgefallen sind, indem man über alle männlichen Allies ablästert, ist etwas anderes als nur nicht nett sein.“

Quelle: sanczny

„Wenn sich ein weißer, männlicher Ally so krass in seinem Selbstverständnis beleidigt fühlt, dass er jetzt aus Feminismus und/oder Antirassismus (TM, natürlich) herausspaziert, dann kann’s nicht weit gewesen sein mit all jenen Anti-*Ismen. Denn, surprise: es gibt auch feminist allies, die damit umgehen können, weil sie verstehen, dass es um Auseinandersetzungen und Argumentationsweisen geht, die strukturelle Machtgefälle aufdecken sollen, und die sich an individuellen fails abarbeiten, um Gesamtmechanismen zu illustrieren.“

Quelle:viruletta

Gallische Dörfer und andere Legenden

Der Queer- und Genderfeminismus liebt es in seiner Außendarstellung gerne folgendes romantische Bild von sich zu entwerfen. Eine kleine geknechtete Minderheit steht dem schier übermächtigen Imperium (Patriarchat, Mainstream, Heteronormativität) gegenüber trotzt diesem erfolgreich kleine Siege ab. Quasi das kleine gallische Dorf, dass den Römern noch immer erfolgreich Widerstand leistet.

Tatsächlich ist es aber so, dass die Denkrichtung des Queer- und Genderfeminismus sich längst als herrschende, dominierende Meinung versteht, gegen die es eigentlich keinen ernsthaften Widerspruch mehr geben darf.

Wann immer tatsächlich mal zu seltenen Anlässen Personen oder Gruppen auftreten und genau das tun, was der Queer- und Genderfeminismus der Mehrheit ohnehin unterstellt, nämlich sich offen GEGEN  ein Genderleitbild im Schulunterricht, gegen Frauenquoten oder Homoehe auszusprechen, flippt die femistische Seite völlig aus. Vertreter dieser Auffassungen werden dann plötzlich nicht mehr als Mehrheitsvertreter sondern als Minderheit, als Nazis, als krank, als totale gesellschaftliche Außenseiter und Feinde der Menschheit gesehen und angegriffen. Obwohl man sich in einer Welt wähnt die nach eigener Deutung per se tagtäglich sexistisch und homophob ist wird es als unglaubliche Entgleisung verstanden, wenn jemand offen derartige Positionen vertritt.

Warum wird dieses gewaltvolle Verständnis von Meinungsfreiheit medial geduldet? Warum wird diskriminierenden Positionen Raum gegeben, warum werden andere Stimmen dafür übergangen?taz

Das passt nicht zu der Legende von der kleinen mutigen Rebellengruppe. Hier versucht eine meinungsdominaten Gruppe diese Dominanz und Deutungshoheit um jeden Preis zu verteidigen und ist dabei schon so diskursstark, dass die Gegenmeinung nur noch als Zeichen pathologischer Störungen wahrgenommen wird.

„Hinter seinem krawalligen Vulgärkonservativismus verbergen sich eher die altbekannten Klagen jener Wutbürger, die mit all den Zumutungen einer modernen Gesellschaft nicht mehr klarkommen: mit Homosexuellen, die heiraten, mit Frauen, die eine eigene Meinung haben, mit Jugendlichen, die nicht arbeiten, oder mit Wörtern mit großem I in der Mitte. In seinem Buch „Deutschland von Sinnen“ brüllt Pirinçci, der mit dem Katzenroman „Felidae“ reich wurde, Sarrazins Empörungslitanei noch mal durchs Megafon. Man wird ja wohl noch mal herumpöbeln dürfen“ FAZ

Der besondere Kunstgriff besteht also darin die Gegenposition zunächst einerseits als Mehrheitsmeinung darzustellen – denn man ist ja selber unterdrückt – um dann im nächsten Atemzug süffisant darauf hinzuweisen, dass es sich ja eigentlich nur um die Meinung Ewiggestriger, Wutbürger etc. also keinesfalls ernstzunehmnder Gesprächspartner handelt.

 

Was ist eigentlich Unterdrückung?

Wurden Frauen in früheren Zeiten unterdrückt? Das ist eine sehr interessante Frage, die hier im Artikel  „Die Mär von der Unterdrückung der Frauen in fernen Ländern und Zeiten“  aufgeworfen wurde. Ich möchte als Mitautor dieses Gemeischaftsblogs meinen Senf dazu abgeben, auch weil ich teilweise eine etwas andere Sichtweise habe.

 Wenn man diese Frage ernsthaft betrachten will, dann muss man sich fragen: Wie definiere ich eigentlich Unterdrückung? Wann ist jemand unterdrückt und wann ist er es nicht? Ohne eine solche Definition ist es schwierig verschiedene Einelfälle einordnen zu können.

 Für mich bedeutet Unterdrückung:

  1. eine rechtliche Schlechterstellung
  2. ohne einen rechtfertigenden Grund

 NICHT zwingend erforderlich ist dagegen:

  1. dass der Unterdrückte persönlich unter der Unterdrückung leidet
  2. dass die Unterdrückung nicht durch andere Vorteile wieder ausgeglichen wird

Wenn man sich mit dieser Definition im Hinterkopf das Wahlrecht oder auch dessen Verweigerung betrachtet, dann stellt die Verweigerung des Frauenwahlrechtes eine Unterdrückung dar, während z.B. die Verweigerung eines Wahlrechts für kleine Kinder keine Unterdrückung ist (weil hier ein sachlicher Grund besteht).

Es spielt für die Feststellung der Unterdrückung auch keine Rolle, ob Frauen zu Zeiten ohne Wahlrecht vielleicht andere Vorteile hatten, z.B. nicht wie Männer als Soldat in den Krieg ziehen zu müssen. Der Kriegsdienst war und ist möglicherweise eine Unterdrückung der Männer. Aber auch das würde nur bedeuten, dass Männer und Frauen verschiedenen Unterdrückungen ausgesetzt waren oder sind. Nur kann man diese Unterdrückungen nicht einfach gegeneinander aufrechnen: „Du Frau darfst nicht wählen, aber ich Mann muss in den Krieg, da hast Du es besser – ergo keine Unterdrückung der Frau“. So funktioniert das nicht.

Im alten Rom hatte ein Haussklave, in der Villa eines reichen Patriziers vermutlich oft ein besseres, angenehmeres und sicheres Leben als ein freier römischer Bauer oder gar ein Legionär. Daraus kann ich aber nicht ableiten, dass dieser Sklave nicht unterdrückt gewesen sei. Es ist für die Feststellung einer Unterdrückung nicht notwendig, dass der einzelne zwingend darunter leiden muss. Auch wenn ein solcher Haussklave ein langes gesundes und vielleicht auch glückliches Leben geführt hat, kann ich mich heute hinstellen und im Konstrukt von Sklaverei ein Unrecht sehen.

Ich habe mal von einer Plantage gelesen, auf der nach Abschaffung der Sklaverei sämtliche Sklaven von heute auf morgen freigelassen wurden. Die standen nun plötzlich ohne Heim und Beschäftigung aber dafür frei da. Nach ein paar Tagen marschierten Sie zum Herrenhaus und verlangten gefälligst wieder Sklaven sein zu dürfen. Als ihnen das verweigert wurde km es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Diese Leute wollten also offensichtlich am liebsten Sklaven sein, weil es Ihnen aus ihrer damaligen Sicht die beste Lebensart zu sein schien. Aber kann daraus schlussfolgern, dass Sklaverei daher keine Unterdrückung war?

Genauso verhält es sich mit Frauen, auch wenn die Situation hier natürlich nicht so drastisch war, wie bei Sklaven. Stellen wir uns vor, man hätte jungen Mädchen aus der besseren Bürgerschicht zu früheren Zeiten gesagt: „Freut Euch! Eure Unterdrückung ist zu Ende. Ihr müsst nicht mehr Ausschau nach einem Arzt oder Anwalt halten, der Euch standesgemäß ehelicht, und dann ernährt. Ihr dürft nun selber studieren, arbeiten und für Euren Lebensunterhalt sorgen!“ Vermutlich wäre die Begeisterung der Damen nicht sehr groß gewesen. Muss man aber daraus schlussfolgern, dass ein damaliges Studien- und Berufsverbot für Frauen gerecht und keine Form der Unterdrückung war? Ich denke nicht.

Im bürgerlichen Gesetzbuch fand sich früher die folgende Aussage:

„Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.
Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines Rechtes darstellt.“

Hier wurde dem Ehemann also rechtlich ganz klar eine rechtliche Vormachtstellung gegenüber seiner Frau eingeräumt. Jetzt könnte man dagegen einwenden, dass diese Vormachtstellung ja auch für den Mann eine Bürde gewesen sei. Denn schließlich musste er im Außenverhältnis für die gesamte Familie einstehen und diese im Innenverhältnis ernähren. Aber auch diese Einwendung verfängt nicht, denn der Ehemann ist in dieser Situation ja nicht zwingend der Schuldige an der Situation. Er hat diese Gesetze ja auch nicht gemacht. Trotzdem war es keine nach meinem Verständnis keine gerechte Situation.

Was heißt das aber nun? War früher alles schlimm und alle Frauen Opfer und alle Männer Unterdrücker? Nein, denn wie immer im Leben kommt es auf die persönliche Situation an. Es ist aus meiner Sicht aber nicht zu leugnen, dass es objektiv eine Unterdrückung der Gesamtgruppe „Frauen“ durch die damalige Gesellschaft (ich sage wohlweislich nicht: die Männer) gab.

It’s just marketing, stupid!

Spätestens durch die hinlänglich bekannte #aufschrei Debatte kommt dem Begriff – oder besser gesagt dem Vorwurf – des „Sexismus“ wieder verstärkt Aufmerksamkeit zu. Das führt nunmehr schon so weit, dass der Berliner Bezirk Kreuzberg keine „sexistische Werbung“ mehr auf Plakaten erlauben möchte.

Wenn man schon bei gesetzlichen Verboten angekommen ist, sollte sich die Frage stellen, wann eine Werbung eigentlich „sexistisch“ ist. Liegt das im Auge des Betrachters? Dann wäre der Verbotswillkür durch staatliche stellen Tür und Tor geöffnet.

Berit Völzmann hat sich hierzu in einem Interview auf dem Blog der Mädchenmannschaft eingelassen. Sie ist nach Eigendarstellung angehende Volljuristin und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln und Mitarbeiterin beim juristischen Frauentag. Sie definiert sexistische Werbung so:

„Sexistische Werbung ist für mich jede Werbung, die Geschlechtsrollenstereotype transportiert“

Der aufmerksame Leser wird merken, dass es nach dieser sehr weitgehenden Definition von Sexismus weder nackte Haut noch irgendeine Form von Beleidigung oder Herabsetzung eines Geschlechtes braucht um ein Verbot wegen „Sexismus“ zu begründen. Tatbestandsmerkmale nach Frau Völzmann sind einzig: ein „Geschlechterstereotyp“ und dessen „Transport“.

Als „Transport“ kann dabei vermutlich als  direkte oder indirekte Darstellung verstanden werden, so dass entscheidendes Merkmal für die Unterscheidung von sexistischer und nichtsexistischer Werbung das „Geschlechterstereotyp“ wäre.

Was ist aber nun ein Geschlechterstereotyp? Ein Werbespot mit einem Mann der auf dem Bau arbeitet und in seiner Frühstückspause einen Schokoriegel verzehrt? Eine Frau, die den Boden wischt und dabei den neuen Reiniger anpreist? Vermutlich schon: Beide entsprechen ja einem gewissen Stereotyp von männlicher und weiblicher Tätigkeit.

Nun existiert ein Stereotyp in der Werbung aber in vielen Fällen auch deswegen, weil es der gegenwärtigen überwiegenden Realität entspricht. Auch eine Feministin wird wahrscheinlich nicht leugnen, dass z.B. die Mehrzahl der Hausarbeit oft von Frauen erledigt wird. Ziel der Feministin ist es oft diese gegenwärtige Realität zu verändern und es besteht die Befürchtung, dass eine solche Veränderung durch Verfestigung (durch Werbung) verhindert wird.

Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Werbung auch dazu beitragen kann bestehende Stereotype aufrecht zu erhalten. Ich bleibe der Einfachheit halber mal beim Putzen. Wenn in der Werbung ständig putzende Frauen zu sehen sind, dann wird auf diese Weise beiden Geschlechtern vermittelt, dass diese Tätigkeit typisch weiblich sei. Wenn man diesen Gedanken fortsetzt, dann müsste Werbung im Sinne einer feministischen Umerziehung der Gesellschaft künftig putzende Männer zeigen. Für Frau Völzmann wäre das vermutlich auch in Ordnung.

Unabhängig von der Frage, ob eine feministisch gewünschte gesellschaftliche Umerziehung überhaupt möglich oder wünschenswert ist, kann und muss Produktwerbung einen solchen gesellschaftlichen „Umerziehungsbeitrag“ jedenfalls nicht leisten. Oder wie Martenstein es pointiert:

„Dass Werbung auf politische Ideen verpflichtet wird – so was gibt es bisher höchstens in Nordkorea.“

Der Verkäufer von Waschmittel oder Bodenreiniger wird sich nur deshalb vorrangig an Frauen wenden, weil er mit seiner Werbung an Markt erfolgreich sein möchte – ja erfolgreich sein muss. Werbung die von der Zielgruppe abgelehnt oder ignoriert wird, ist wirtschaftlich erfolglose Werbung und wird im Regelfall verschwinden. Denn Werbung kostet Geld. Eine Frau, die sich selbst nicht in dem von der Werbung vermittelten Frauenbild wiederfindet, wird das beworbene Produkt wahrscheinlich gar nicht kaufen. Deshalb wäre eine Umstellung der Werbung für Putzmittel auf Männer auch in jeder Hinsicht ein Flop.

Noch schwieriger wird es, wenn nicht nur die Werbung das Geschlechterstereotyp verkörpert, sondern das beworbene Produkt selbst. Denken wir z.B. an die Barbiepuppe, die ja selbst schon ein bestimmtes Geschlechterbild vermittelt. Wer hier die Produktwerbung wegen „Sexismus“ verbieten möchte, muss letztendlich auch das dahinter stehende Produkt selbst verbieten wollen. Und hier schließt sich der Kreis. Denn Berit Völzmann ist Mitglied bei Pink Stinks. Einer interessengruppe, die realativ aggressiv gegen jede Form von geschlechtertypischer Form der Darstellung von Frauen vorgeht.