Warum ich Dr. House in Ordnung finde

Eine Warnung vorweg: Ich werde im folgenden völlig frei Plotdetails der Serie Dr. House (House, M.D.) ausplaudern. Wer die – absolut lohnenswerte – Serie noch nicht gesehen gesehen hat, mache also einen weiten Bogen um den Rest dieses Artikels!

Was ist der Anlass, um hier über Dr. House zu bloggen? Faktum – das Magazin (früher Nicht-Feminist) kritisiert in einem Artikel und Video, dass in der Fernsehserie Dr. House offenbar akzeptiert wird, dass eine Frau mehrere Kuckuckskinder hat. Der Beitrag wird auch beim Kuckucksvaterblog erwähnt.

In einem Nebenplot in der Folge „Heavy“ (S1E16) findet Dr House heraus, dass der Ehemann einer Patientin nicht der Vater einiger ihrer Kinder sein kann. Allerdings läßt er der Frau das Geheimnis und kümmert sich nur um ihre Gesundheit.

Das ist natürlich ein starkes Stück. Die einzige Entschuldigung könnte der rechtliche Hintergrund sein, den ich nicht kenne. Wenn es in den USA etwa verboten wäre, solche Informationen an Mann und Kinder weiterzugeben, wenn diese im Rahmen einer medizinischen Untersuchung entdeckt werden, dann würde der Arzt sich ans Gesetz handeln – die wahre Baustelle wäre dann das Gesetz.

Es gibt übrigens noch eine zweite Folge, in der Dr. House einer (werdenden) Mutter hilft, ihre Untreue zu kaschieren: „Joy to the World“ (S5E11), ebenfalls in einem Nebenplot. Hier verschweigt Dr. House nicht nur, sondern lügt den Vater auch noch an (wenn auch mit einer absolut absurden Lüge). Die Motivation für Dr. House bestand einzig darin, seinen Kollegen etwas zu beweisen.

Ist die Serie deswegen moralisch zu verdammen? Nein! Der Kontext der Serie besteht darin, dass Gregory House gerade nicht moralisch richtig handelt und ihm stattdessen alles außerhalb seines Falles erst einmal egal ist. Er wird eben nicht als leuchtendes Vorbild präsentiert, sondern abseits seiner Analysefähigkeiten als einsamer Soziopath, der selbst seinen besten (weil einzigen) Freund oft genug vor den Kopf stößt.

Tatsächlich hat die Serie eine ganze Reihe Themen und Plots zu bieten, die man begrüßen kann, auch wenn man nicht die männer- oder väterrechtliche Brille aufhat:

Da sind zum Beispiel in den Folgen „Distractions“ (S2E12) und „The C Word“ (S8E19)
die getrennten bzw. geschiedenen Eltern, deren Kind krank wird, während es Zeit mit dem Vater verbringt. Weil der Vater dem Kind etwas erlaubt hat, was die Mutter nie tun würde, bekommt er erst eimal die Schuld von ihr zugewiesen.

Dann ist da in einer Nebenhandlung in „Moving the Chains“ (S6E12) der Soldat, der Vater wird und nicht zurück in den Auslandseinsatz will, in „Parents“ (S8E06) der missbrauchte Junge und in „Dead & Buried“ (S8E07) der Vater, der sichtlich Schwierigkeiten hat, den Tod seines Sohnes zu verarbeiten. Jobverlust und Verarmung werden mehrmals thematisiert, etwa in „Recession Proof“ (S4E14) und „Locked In“ (S5E19). Obdachlose kommen mehrfach als Patienten vor, z.B. in „Histories“ (S1E10), „Fall From Grace“ (S7E17) und „Runaways“ (S8E9), wobei anders als die Mehrheit der Obdachlosen zwei von ihnen Frauen sind und der Mann sich nicht als so nett herausstellt.

In „Carrot or Stick“ (S7E6) kommt ein ferner Mann vor, der seinem straffällig gewordenen Sohn nicht enthüllt, dass er sein Vater ist. Dieses „nicht zu seinem Sohn stehen“ wird als schwach und verlogen gewertet – und dabei noch ausgerechnet von einem Mann, der sich als hart und diszipliniert darstellt.

Fragwürdig hingegen ist der Plot der Folge „Man of the House“ (S8E12). Hier kämpft ein Mann mit Hormonproblemen. Leider wird hier zwischen den Extremzuständen „lieb und nett“ und „total herrschsüchtig“ gependelt, anstatt eine gesunde Mitte zu zeigen. Auch das am Anfang gezeigte Seminar ist doch sehr fragwürdig.

Noch absurder mutet der Nerd mit der Puppe an in „We Need the Eggs“ (S8E16). Hier wurde ganz tief in die Klischeeschublade gegriffen.

Am negativsten sind mir zwei Plots aufgefallen, die sich über mehrere Folgen hinziehen.

Zum einen demonstriert Dr. Houses Chefin Lisa Cuddy mehrfach in der 4. Staffel, unter anderem in „Games“ (S4E09), eine merkwürdige Einstellungspraxis. Er „müsse unbedingt eine Frau nehmen“. Es hat natürlich Dramaturgie- und Zuschauergründe, eine hübsche Frau in der Serie zu haben, aber innerhalb der Welt der Serie selbst ergibt das überhaupt keinen Sinn.

Noch ärgerlicher ist, dass ein Rätsel überhaupt nicht aufgelöst wird. Dr House vermutet seit seiner Kindheit, dass der Mann seiner Mutter nicht sein leiblicher Vater ist. Als Kandidaten für seinen biologischen Vater hat er einen Freund der Familie in Verdacht. Als er schließlich einen DNA-Test durchführt, steht es fest: Er ist ein Kuckuckskind. Auch wenn er sonst immer den Wert von Beziehungen herunterspielt, beschäftigt ihn die Frage, was seine Wurzeln sind. Er liest ein Buch seines vermuteten Vaters, stellt jedoch unbefriedigt fest, dass er seinen scharfen Verstand wohl nicht von ihm hat. Soweit, so gut – noch.

In „Love is Blind“ (S8E13) stellt sich durch einen weiteren DNA-Test jedoch heraus, dass auch der Freund – inzwischen neuer Mann seiner Mutter – ebenfalls nicht sein Vater sein kann.

Dr Houses einziger Kommentar, nach all dem Grübeln und Rätseln: Es scheine, als ob seine Mutter interessanter sei als er dachte. Das ist ein Bruch mit dem sonstigem Stil und wird weder der Figur noch dem Plot gerecht – mal ganz davon abgesehen, dass dies tatsächlich ein akzeptables Ende aus der Sicht der Autoren zu sein scheint. Es bleibt völlig offen, warum Dr House seine Mutter nicht mit der Tatsache konfrontiert, dass er über ihre Affären im Bilde ist und sie fragt, wer denn noch sein Vater sein könnte.

Auffällig ist, dass ein Großteil der schlechten Plots in der letzten Staffel vorkommt. Hier ging den Schreibern sichtlich die Puste aus. Insgesamt ist Dr House jedoch nicht männerfeindlich oder gegen Väter.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Dieser Klassiker von den Rolling Stones kommt mehrfach in der Serie vor und wurde in dieser Version auf deren Soundtrack veröffentlicht.

Band from TV: You Can’t Always Get What You Want

Fundstück: Lucas Schoppe und „sich nicht entwickeln bringt Nachteile“

In den Kommentaren brachte Lucas Schoppe einen interessanten Gedankengang auf. Ausgangspunkt war die Idealisierung der Frau, welche sich auch in Filmen niederschlägt.

Ich hatte früher bereits auf das Problem makelloser Frauenfiguren hingewiesen: Wenn weibliche Charaktere immer „stark“ und „ohne Fehler oder Schwächen“ sein müssen, sind sie langweilig. Lucas Schoppe sieht es ähnlich, kommt dann aber noch auf einen ganz neuen Aspekt zu sprechen:

Die Idealisierung der Frau – als Unschuld, als Lehrerin des zu humanisierenden Mannes, als menschlich vollkommenes Wesen – wird also durch Statik, Entwicklungslosigkeit und Unlebendigkeit der Figur erkauft.
(…)
Dieses verbissene Vorführen von Frauenfiguren, die immer schon perfekt sind und die daher keine Entwicklung nötig haben, ist eben nicht nur aus einer männlichen Perspektive herabwürdigend (der Mann als der ständig zu Erziehende…). Auch für Frauen, die das ernst nehmen, ist es schlicht bescheuert: Wer in einer hochentwickelten komplexen Massengesellschaft einen halbwegs vernünftigen Platz haben möchte, ist ja auch selbst notwendig auf langfristige, komplexe Entwicklungen angewiesen, beruflich wie persönlich. Wer sich einredet, er sei immer schon vollkommen, so wie er ist – der steuert zielsicher auf eine Position zu, in der er (oder eben: sie) sich durch andere versorgen lassen muss. Sei es durch einen Partner oder den Sozialstaat.

Das ist ein Gedanke, den ich so noch nicht gelesen habe. Und natürlich leuchtet das ein: Wenn ich niemals lerne, auf andere zuzugehen oder mich auf eine neue Sache einzulassen, weil ich der Meinung bin, ich habe das nicht nötig, dann werde ich unweigerlich irgendwann an die Grenzen meiner Möglichkeiten stoßen. Und diese Grenzen sind enger als die anderer Leute, die so etwas gelernt haben, um in der westlichen Gesellschaft über die Runden zu kommen. Ich werde also im Schnitt erfolgloser sein als andere. Sich nicht entwickeln bringt Nachteile.

Das spannende ist, dass man das ja nicht auf die Idealisierung der Frau beschränken muss. „Wir sind schon gut, wir brauchen nichts zu tun“ findet man bei zahlreichen Ideologien. Insbesondere der Glaube, ohne weitere Leistung besser als die anderen zu sein (vgl. Nationalismus und Rassismus) kann mit Marktwirtschaft und relativ freien Reisemöglichkeiten nur zu Enttäuschung führen.

Doch wie kann man scheitern, wenn man doch von Beginn an perfekt war? Da muss jemand seine Finger im Spiel haben… und damit hat man die Basis für eine Verschwörungstheorie, nach der sich „die anderen“ gegen einen verbündet haben. Anstatt also den Fehler zu bemerken, kann sich gegen unangenehme Wahrheiten aus der realen Welt abschotten.

Faszinierend finde ich, dass man z.B. Frauen keinen Gefallen damit tut, sie so zu idealisieren. Wie Schoppe schon schrieb: Wenn man in der westlichen Welt glücklich werden will, führt kein Weg daran vorbei, die eigene Entwicklung als Person voranzutreiben.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Schoppe erwähnte den Film Ghostbusters als Beispiel für die Entwicklung der Charaktere.

Ray Parker Jr.: Ghostbusters

Wo ich heute über die Weiterentwicklung schrieb: In den letzten Monaten fiel es mir – auch aufgrund der gestiegenen Artikelfrequenz – schwer, immer ein Lied zu finden. Mindestens einem Leser gefällt die Musik auch nicht. Deswegen denke ich darüber nach, diese Marotte einzumotten. Doch vorher sei es noch einmal ausdrücklich gefragt:

Nostalgie-Fundstück: Dating der Zukunft aus Cherry 2000

Bei vielen 1980er-Jahre-Streifen werde ich inzwischen an den Spruch erinnert: Leute, diese dystopischen Erzählungen waren nicht als Anleitung gedacht!

Selbst ein eher trashiges Werk wie Cherry 2000 hat hier seine Meriten. Wer den Film noch gucken möchte, lese daher nicht weiter, denn ab hier gibt’s Details.

Erster Lacher: Spielt im Jahr 2017.

Die Wirtschaft ist inzwischen den Bach heruntergegangen, die Gesellschaft verroht. In den großen Städten hat man den Rest der Welt praktisch vergessen. Außerhalb der wenigen noch halbwegs zivilisierten Zonen haben Banden das Sagen.

Mit anderen Worten: Völlig realitätsfern, wie sich die Leute damals das Jahr 2017 vorgestellt haben! 😀

Dieser Hintergrund bietet natürlich zahlreiche Gelegenheiten für Ballereien und sonstige Gewalt. Der Plotauslöser ist allerdings der eigentliche Grund, warum der Film mir immer wieder ins Gedächtnis kommt. Hier werden zwei Themen behandelt, die in der Geschlechterdebatte in den letzten Jahren immer wieder auftauchten. (Das wurde übrigens vorher schon von Kommentator GOI erwähnt, sehr gut!)

Nummer 1: Roboter als Ersatz für eine Partnerin. Der Protagonist hat so einen, Modell Cherry 2000. Hat nicht nur das Aussehen und die Figur eines Fotomodells (umgesetzt durch Besetzung mit einem Fotomodell), sondern macht auch Essen und wäscht ab, ist also nicht nur für Sex zu gebrauchen.

Nummer 2: Modernes Dating, bei dem alles bereits vorher ausgehandelt werden muss. Die Idee, dass man aufgrund der geforderten „consent culture“ und dem neuen Sexualstrafrecht praktisch vor dem Geschlechtsakt einen Vertrag ausmachen und von einem Anwalt prüfen läßt, hier ist sie bereits vollständig umgesetzt!

Tja, und dann kann es auf den letzten Metern doch noch scheitern aufgrund einer „oralen Klausel“… womit wir wieder bei dem Thema wären, warum mancher Mann auf Roboter zurückgreift und lieber in eine Todeszone reist, um sein Lieblingsmodell zu ergattern!

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Mir war bisher gar nicht bewusst, dass die Musik aus dem Film von dem Mann stammt, der auch den „Starship Troopers“-Soundtrack gemacht hat!

Basil Poledouris: Cherry 2000 Music Suite

Fundstück: crumar über MGTOW und den Mythos der notwendigen Vervollständigung

In einer Diskussion bei Alles Evolution über Beziehungen kam die Sprache auf Spott gegenüber Singles und „men going their own way“. Dabei kam es zu einem äußerst erhellenden Kommentar, nach dessen Lesen ich hellwach war.

Zunächst führe man in the middle (mitm) an:

Gespottet wird über Singles ganz generell, auch außerhalb dieses Blogs. Ich hatte auf meiner Seite, die die Definitionen von MGTOWs vs. PUAs vs. Maskulisten vergleicht, ziemliche Probleme, MGTOWs von „normalen“ freiwilligen Singles abzugrenzen. Die Argumente, keine Beziehungen einzugehen, sind ziemlich ähnlich, die gesellschaftliche Ablehnung ebenfalls.

(Der Artikel von mitm ist, wie so oft, in Gänze lesenswert.) Darauf antwortete crumar mit einer längeren Ausführung:

Die Abgrenzung zwischen Singles und MGTOW ist relativ einfach.

Die vorherrschende – und überwiegend gewollte – Lebensweise in unserer Gesellschaft ist die in einer heterosexuelle Paarbeziehung zwischen männlichen und weiblichem Geschlecht im Rahmen einer (in der Regel: seriell-monogamen) Partnerschaft, d.h. mit wechselseitiger sexueller Exklusivität.

Endet eine dieser (seriell-monogamen) Beziehungen, so entlässt die Paarbeziehung quasi ihre Kinder. 😉

Bei den männlichen respektive weiblichen *Singles* entsteht recht bald der Wunsch, sich auf die Suche nach dem Kandidaten / der Kandidatin für die nächste Paarbeziehung zu machen.

Bei *MGTOW* hingegen existiert dieser Wunsch aus einer Vielzahl an Gründen *nicht*, die hier auch im Forum genannt worden sind. Als MGTOW die eigenen Interessen, Bedürfnisse und Ziele in den Mittelpunkt zu stellen, eben als Mann „seinen eigenen Weg zu gehen“, kann mit einer Paarbeziehung kompatibel sein, in der Regel ist das nicht.

Viele MGTOW empfinden kein Verlust, „da ich sehr gut alleine leben kann“, wobei ohne Paarbeziehung auskommen nicht heißt, ohne Freunde und Freundinnen zu leben.

MGTOW schätzen ein, nicht mehr die „nötige Kompromissbereitschaft für eine Beziehung“ aufbringen zu können oder zu wollen, vor allem in Sachen gemeinsamer Freizeitgestaltung.

Konzentration auf Beruf oder Karriere machen es schwer vorstellbar für MGTOW, dies mit einer Paarbeziehung unter einen Hut zu bekommen.

Da Männern in der Beziehungssuche der aktive Part obliegt, wird seitens MGTOW im Rahmen einer Kosten-Nutzen Kalkulation der „nötige Aufwand“ dafür in Frage gestellt, zumal mit Blick auf den verfügbaren „Pool an Frauen“.

Das ist der pragmatische Part.

Warum MGTOW als historischer Nachfolger der „Hagestolze“ angesehen werden können, die mit zahlreichen „shame tactics“ sich ihrer selbst gewählten Lebensform zu rechtfertigen haben, ist eigentlich leicht nachzuvollziehen, denn wir sind eine Provokation.

Der Klassiker der Hollywood-Klischee Sätze – der selbstverständlich für Frauen geschrieben worden ist und den die Bauchredner-Puppe namens Tom Cruise plappern durfte – lautet:

DU VERVOLLSTÄNDIGST MICH!

Damit artikuliert der Mann seine *Halbfertigkeit*, die der weiblichen *Ergänzung* und *Vollendung* bedarf, *erniedrigt sich* und stellt die Frau *auf ein Podest*.
Frau ™ als *Errettung und Erlösung* aus seiner männlich unzivilisierten Existenz in eine Paarbeziehung. Amen.

In der bspw. die Unbeholfenheit im Umgang mit den *eigenen Gefühlen* für den Mann *nicht* Anlass ist, diese besser kennen und artikulieren zu lernen.
Sondern der sie der Frau überlässt, welche daraus eine „emotionale Arbeit“ macht, die sie legitimiert in einer Paarbeziehung zu leben, in der sie alle Wahlmöglichkeiten für ihren weiteren Lebensweg hat.
Deshalb ist „Bindungslosigkeit“ ein sehr ernstes Thema auch für Feminin-istinnen – zumindest wenn Männer als „bindungslos diagnostiziert werden, denn dies schadet gerade, insbesondere und vor allem Frauen, wenn *Männer* zu „strong and independent“ sind.

Männer sind in Sachen *Externalisierung von Gefühlen, Lebenssinn und Lebensgestaltung* peinliche Weltmeister und brechen daher wesentlich eher zusammen, wenn die Paarbeziehung oder Ehe oder Familie kollabiert.
Das ist nicht angeboren, das ist (vorsätzlich) antrainiert.
G. Amendt hat sehr ernste Dinge geschrieben über die – oft suizidalen – emotionalen Scheidungsfolgen für Männer, welche auf dieser aus emotionaler Unbeholfenheit erfolgten Externalisierung beruhen.
Die männliche Unart, seine „elernte Hilflosigkeit“ als vermeintlichen BONUS in eine Paarbeziehung zu bringen ist aber das, was Frauen gerne hören wollen, weil es ihre „elernte Beholfenheit“ aufwertet.

MGTOW sind durch ihre bloße Existenz der Schmerz im Arsch für für solche S/M-Rituale der männlichen Selbsterniedrigung und Überhöhung von Frauen.
Aus diesem Grund also eine Provokation für beide Geschlechter.

Gruß crumar

PS: Dem das, was derzeit als MGTOW z.B. auf youtube präsentiert wird überhaupt nicht passt.

Es sind gleich drei Aspekte, die ich an diesem Kommentar so bemerkenswert finde:
1. Die Quasi-Spiegelung der Folklore, nachdem Männer ein Problem mit „starken, unabhängigen“ Frauen hätten: Tatsächlich sind es laut crumar die Feministinnen, die starke, unabhängige Männer nicht akzeptieren können.

2. Der (Nicht-)Umgang von Männern mit den eigenen Gefühlen, den crumar konstatiert, ohne die Verantwortung dafür jemand anderem als letztendlich den Männern selbst zu geben. Gerade letzteres halte ich für sehr wichtig, denn man wird nicht sein eigenes Leben verbessern, indem man die Schuld (verknüpft mit der Macht zur Veränderung) stets jemandem anderen gibt.

3. Der Mann als mangelhaftes Wesen, das alleine unvollständig bleibt und durch die Frau „erlöst“ oder „zivilisiert“ werden muss – das erinnert doch stark an Das unmoralische Geschlecht von Christoph Kucklick und die 200 Jahre alte Tradition der Männerfeindlichkeit in der Moderne.

Passend dazu siehe die Rezension des neuen „50 Shades of Grey“-Filmes beim Volksverhetzer auf Mimikama (via Genderama):

Dieses psychische Trauma und das dazugehörige Verhalten werden sowohl von der Autorin und den Filmproduzenten, als auch von den Lesern und Zuschauern zum Ideal männlichen Verhaltens stilisiert. (…) Es zeigt, wie wenig männliche Missbrauchsopfer ernst genommen werden und es zeigt den Sexismus auf, der den Großteil der Frauenwelt durchsetzt.

Denn die Geschichte eines gebrochenen Mannes, der infolge der erlebten sexuellen Übergriffe Hilfe benötigt, hätte für sich allein eben keine nassen Flecke auf den Kinositzen hinterlassen. Offenbar interessiert sich laut Text die Frauwelt nicht für das Innenleben des männlichen Protagonisten. Der Fokus liegt auf seiner Attraktivität, dem Erfolg und seinem Machogehabe. Letzteres natürlich nur dann, wenn die Frau das gerade geil macht. Hier entfaltet sich eine durch und durch ambivalente Erwartungshaltung. Einerseits muss der Mann kühl, abweisend und mysteriös sein, gleichzeit jedoch emotional, nähesuchend und offen. Kein normaler, geistig gesunder Mann kann dieser Schizophrenie gerecht werden. Es braucht also einen Christian Grey.

Es braucht einen labilen, von Verlassensängsten geprägten Mann, der so verunsichert ist, dass er einen Kontrollzwang entwickelt. Er soll innerlich gespalten sein und die Frau soll ihn wieder ganz machen. Sie will das sein, worauf der Mann sein ganzes Leben lang gewartet hat: die Erlösung aus dem Leiden. Prinzessinnen-Märchen reversed. Wer hier wirklich Dominanz ausübt ist die Frau. Es wird ein Idealbild entworfen, welches den Mann derart innerlich zerreißt, dass es einer rettenden Hand bedarf, nämlich die der Frau, um ihn wieder zusammenflicken.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Dass ich auf dieses Lied erst jetzt gekommen bin…

The Rolling Stones: Blue Turns To Grey

Fundstück: crumar über Titanic und den bürgerlich-feministischen Ausredenkalender

Nach crumars Deutung von Groundhog Day habe ich nun seine Deutung zu „Titanic“ aus den Kommentaren gefischt bei Alles Evolution:

Der Film ist selbstverständlich eine „Konstruktion“ in dem Sinne, dass er die Bedürfnisse der Zuschauerinnen zu erraten und zu bedienen versucht:

Die Heldin wird in dem Film dargestellt, als würde sie dies Opfer zu Gunsten ihrer Liebe bringen wollen und eine höhere Macht habe dies eben verhindert.
Die höhere Macht in Gestalt der NATURGEWALT Eisberg hat demnach verhindert, dass sich die *andere hohe Macht* der Naturgewalt der Liebe über die Klassenschranken hinweg durchsetzt.

Aber leider kam – wie gesagt – ein Eisberg dazwischen.
Der Witz ist, alle Zuschauer wissen, dass das Ende der Titanic UNAUSWEICHLICH ist.
Der Regisseur weiß dies auch und erfindet ein sexistisches Märchen – ein weiteres Blatt im bürgerlich-feministischen Ausredenkalender – in dem die Naturkatastrophe über die Liebe als Naturgewalt (beliebtes bürgerliches Ammenmärchen) jenseits von Klassenschranken einbricht.

Der männliche Held des Films opfert also im Film sein Leben für die Heldin nicht aus männlichem Pflichtgefühl oder aus Liebe.
Sondern die Konstruktion des Regiesseurs gibt dem Tod des Helden einen verborgenen Sinn – um nämlich die Heldin VOR SICH SELBST zu retten.
So lange er lebt und die Fahrt dauert, ist ihr Verzicht imaginär, kommt das Schiff an (wir wissen bereits, das wird es nicht) oder überleben beide, dann besteht die Gefahr, dass sie an dem eigenen Anspruch scheitert.

Er MUSS sterben, damit die Heldin nicht gezwungen ist, den realen Verzicht auf ein Leben in Reichtum und Wohlstand in die REALITÄT umzusetzen.
Camerons Konstruktion und Eingriff zielt also darauf ab, sie vor dem Einbruch der Realität in ihre Traumwelt zu schützen, welche zugleich – retrospektiv – als real vorgestellt wird.

Und in einem zweiten Kommentar:

Wobei es das Drama „Liebe überwindet Klassenschranken“ und „normative Zwänge“ *mit* Happy-End für Frauen natürlich gibt. Aber eben nur für Frauen: „Pretty Woman“.
Interessant ist hier (u.a.), dass letztlich noch einmal „Pygmalion“/“My Fair Lady“ noch einmal neu aufgewärmt worden ist.

Anyway: Vergleicht man unter diesem Gesichtspunkt beide Filme, dann wird klar, dass die Regiesseure messerscharf geschlossen haben, welche der beiden Szenarien *nach Geschlecht* für die Zuschauer REALISTISCH und demnach – mit Bezug auf deren Lebenswelt – GLAUBWÜRDIG sind.

(…)

Es gibt in Titanic die wunderbare Szene, in der sie bereits im Wasser sind – er IM Wasser und sie AUF einem Schwimmkörper.
Sie fleht ihn an nicht zu gehen, während sie *zugleich* seine bereits erstarrten Finger vom Rand pult und er in die Tiefe versinkt.
D.h. ihre *tatsächliche Handlung* steht in starkem Kontrast zu dem, was sie *verbal* (als Traum) äußert.

Der bürgerlich-feministische Ausredenkalender wurde von crumar schon vorher erwähnt (dort noch ohne den Zusatz „bürgerlich“) und so definiert:

„Jeden Tag eine neue Ausrede, warum man partout nicht durch eigenes Handeln oder nicht Handeln sich in der Situation befindet, in der man sich eben befindet.“

Christian Schmidt, crumar und ich selbst hatten Interesse daran ausgedrückt, diese Ausreden mal zu sammeln. Voilà, Nummer zwei.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Via Fiete in den Kommentaren (Danke, Fiete!):

Manuel’s Love Song from Captains Courageous

Fundstücke: Opfergeschichten verkaufen sich immer gut

Es war mir schon mehrmals aufgefallen, aber spätestens mit der Behauptung von Björk, „Frauen dürfen nicht über Atome singen“, war die Zeit reif für einen Artikel. Wie wird uns Popkultur verkauft? Indem neue Geschichten und Genres präsentiert werden, die so noch nie dagewesen sind? Manchmal – sie sind aber ein hohes Risiko für die jeweilige Industrie, weil man nicht weiß, wie sie einschlagen werden, und ein Großteil der Verwertungsmaschinerie auch darauf ansetzt, die Produkte in bestimmte Schubladen stecken zu können – selbst wenn diese Schubladen sehr weit gefasst sind und nur eine ungefähre Richtung angeben, was man zu erwarten hat.

In einem Großteil der Fälle schwimmt man also mit dem Strom, springt auf den fahrenden Zug auf, bietet „mehr von demselben“ an in der Hoffnung, das Publikum werde auch das konsumieren. Es ist geradezu kurios, dass dabei etwa die Erzählung von der „rebellischen“ Musik und den „alternativen“ Künstlern auch nach Jahrzehnten noch aufrechterhalten werden kann, auch wenn sich diese längst im Einklang mit den Gesetzen des Marktes befinden.

Im Beispiel von Björk wurde die neuerliche Marketing-Geschichte schon in den Kommentaren bei Alles Evolution auseinandergenommen. Es stimmt bis ins Detail nichts daran: Sie gewinnt seit Jahrzehnten alle möglichen Preise ( = „die Medien nehmen sie nicht ernst“) und die Alben landeten in den Charts ( = „über solche Themen darf sie nicht singen“).

Ja, warum dann diese Aussage? Beim Berichten über Musik ergibt sich immer das Problem, die Leute für etwas zu interessieren, über das sie erst durch den eigentlichen Konsum entscheiden können. Also müssen irgendwelche Ersatzmittel her: Fotos, Persönliches, Details zur Entstehung… am Ende muss das Thema „Dieses Album ist etwas ganz Besonderes, weil…“ bedient werden. Das allein schin deswegen, weil ja auch Leute abseits der unbedingten Fans angesprochen werden sollen, inklusive denjenigen, die mit den früheren Werken des Künstlers wenig oder nichts anfangen konnten. „Björk hat mal wieder ein Album draußen“ klingt eben weniger spektakulär als „Auf dem neuen Album kann sie zum ersten Mal…“.

Kommen wir nun zu der risikoaversen Industrie zurück. Opfergeschichten verkaufen sich derzeit einfach gut, deswegen bekommen wir soviele von ihnen aufgetischt. Und Leute, die länger im Geschäft sind, ändern ihre Geschichte rückblickend entsprechend. Wie crumar in der Diskussion anlässlich des Todes von Carrie Fisher bemerkte:

Du solltest in Betracht ziehen, dass auch Carrie Fisher ihre Erinnerungen ein wenig „frisiert“ haben könnte, um für ein aktuelles Publikum attraktiv zu sein.
Sie nimmt ein bestehendes, feministisches Narrativ für ihre Aussage, um ihre Erinnerung „sozial erwünscht“ darzustellen.

Aber auch Madonna (ein Beispiel wird in den Kommentaren zum Björk-Artikel erwähnt): Früher war sie eine Frau, die selbstbewusst mit ihrer Sexualität umging und „ihr Ding durchzog“. Heute ist auch für sie alles ganz schrecklich und sie, nach Jahrzehnten des Erfolgs, das arme Opfer. Vom Vorreiter zum Mitheuler.

Oder Lady Gaga (Beispiel von Gerhard gefunden), die sich über die harte Musikindustrie beklagt, in der sie wegen ihrer Intelligenz, nicht wegen ihres Körpers wahrgenommen werden wolle. Während man ihren Liedern Ähnlichkeiten zu denen anderer Künstler nachsagte – sooo neu waren die Ideen dann auch nicht – ist sie vor allem für ihre Outfits bekannt geworden (ein Kleid aus Fleisch etwa); übrigens wie seinzerzeit vor ihr Madonna. Sie hat den Startbonus als Frau voll ausgespielt und sich gut über ihr Äußeres vermarktet.

Die Platte „Ich werde nicht ernst genommen / auf mein Äußeres reduziert / nicht ernst genommen, weil mein Äußeres nicht konform genug ist / muss immer gut aussehen“ läuft einfach sehr gut. Ich erinnere mich an Portraits von Caro Emerald und Lily allen in verschiedenen Ausgaben eines Bordmagazins. Bei Lily Allen war es diese bescheuerte Mischung aus „wir zählen noch einmal auf, was sie alles mit ihrem Äußeren gemacht hat – sooo mutig!“ und „viele Leute sind blöd und gucken aufs Äußere“, bei Caro Emerald „sie ist ja nicht absolut schlank; schrecklich, dass Leute das so wichtig nehmen und darauf herumreiten!“. (Bei Männern gibt es aber auch haarsträubende Erzählungen… Xavier Naidoo, der nette Millionär von nebenan, der so erfolgreich ist und trotzdem ganz normal geblieben etc.)

Bei den Frauen, die ihre Karriere mit vollem Körper- und Klamotteneinsatz vorangebracht haben, spielt vielleicht ein Aspekt eine Rolle: Sie dürfen (in den Augen anderer Frauen!) „nicht billig wirken“; es muss so rüberkommen, dass sie nicht zu sehr „nach den Regeln gespielt“ haben, denn das raubt das Rebellenhafte. Also entweder die populäre Erzählung aus den 1990ern, sie würden selbstbewusst mit ihrem Körper umgehen, oder die neuerdings beliebtere Variante, sie hätten das ja tun müssen.

Unter dem Björk-Artikel kommentierte crumar noch:

Ich habe diesen Vorgang für mich „feministischer Ausredenkalender“ getauft.
Jeden Tag eine neue Ausrede, warum man partout *nicht* durch *eigenes* handeln oder nicht handeln sich in der Situation befindet, in der man sich eben befindet.

Wobei der Feminismus nur eine weibliche *Nachfrage* bedient, die wesentlich früher da war und bspw. durch Religion bedient worden ist.
Es ist auffällig, dass abstrakte Wesenheiten, wie z.B. „*der* Sexismus in der Musikindustrie“ nahtlos in das Wirken „Satans in der Musikindustrie“ übersetzt werden können.

Und später:

Der wichtigste Nachteil an dieser Haltung ist nach meiner Meinung, es handelt sich um die selbst verschuldete Blockade eines normalen Lernprozesses, in dem man den objektiven Ursachen für seine individuellen Fehler, die zum scheitern geführt haben auf die Spur kommt und daran arbeitet, diese abzustellen und nicht zu wiederholen.

(Beide Kommentare sind in Gänze lesenswert.)

Christian Schmidt schlägt vor, die Elemente dieses Auredenkalenders mal zu sammeln. Eine gute Idee, findet crumar, und auch mir gefällt der Vorschlag.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Frauen haben schon längst über Moleküle gesunden… (Danke, Mycroft!)

MIA.: Tanz der Moleküle

Warum ich schon wieder eine Karriereweisheit bei Star Trek sehe

Kürzlich hatte ich mich erfreut über eine Karriereweisheit in der Serie „Star Trek: The Next Generation“ (TNG) geäußert. Erst später fiel mir auf, dass nur wenige Folgen später eine weitere wichtige Lektion gelehrt wird.

Wer TNG trotz des Alters und Popularität der Serie noch nicht kennt und sie noch sehen will, der lese bitte nicht weiter.

Passenderweise heißt die betreffende Folge der 6. Staffel „Lessons„. Captain Jean-Luc Picard und die neue Chefin der Astrowissenschaft verlieben sich ineinander. Die Dame ist ebenfalls ein hochrangiger Offizier, Lieutenant Commander, wie Data oder Deanna Troi zum damaligen Zeitpunkt. Auch wenn der Zuschauer zunächst den Eindruck bekommt, sie reiße alle Schiffsresourcen an sich, so bekommt er bald das Bild einer Frau präsentiert, die voll in ihrem Fach aufgeht und das beste für ihre Abteilung will, aber auch menschlich zugänglich ist und außerhalb ihres Berufes Musik als Leidenschaft hat.

Problematisch wird das Verhältnis, als Picard auch über ihr Leben im Rahmen einer gefährlichen Mission entscheiden muss. Die Erfahrung, dass sich die Gefühle bei beiden eben nicht so einfach ausschalten lassen und auch richtiges Verhalten zu Schuldgefühlen führen kann, bringt die Offizierin schließlich dazu, sich auf eine Stelle außerhalb der Enterprise versetzen zu lassen und die Beziehung zu beenden. Auf ihre Karriere verzichten, um auf der Enterprise zu bleiben ohne in gefährliche Einsätze zu kommen, möchte sie nicht. Das ist auch gut nachvollziehbar, berücksichtigt man ihren Rang und wie sie bei der Arbeit bei der Sache ist. Zwar sagen sich beide, dass man ja den Landurlaub miteinander abstimmen könne, aber schon das klingt halbherzig und es ist klar, dass die Liebe auseinanderbricht.

Die Folge erklärt recht gut, warum eine Beziehung zwischen zwei Menschen, denen die Karriere an erster Stelle steht und die sehr hoch auf der Rangleiter stehen, sehr schwierig bis unmöglich ist. Auch diese ist nicht eine meiner Lieblingsfolgen, aber in diesem Punkt sehr realistisch.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Ein fürchterlich schlechter Film, aber ein toller Soundtrack: Star Trek V – The Final Frontier. Zwei Filme später fragt sich Kirk, wann Sulu Zeit gehabt hat, eine Familie zu gründen…

Jerry Goldsmith: A Busy Man

Warum ich mich über diese Karriereweisheit bei Star Trek freue

Die Serie „Star Trek: The Next Generation“ (TNG) beleuchtet in einer ihrer späten Folgen einen interessen Aspekt zu Karriere und Risiken. Es ist zwar weder eine meiner Lieblingsfolgen noch ist sie als eine der wichtigsten Folgen in die Star-Trek-Geschichte eingegangen, aber trotzdem lohnt sich ein Blick.

Wer TNG trotz des Alters und Popularität der Serie noch nicht kennt und sie noch sehen will, der lese bitte nicht weiter.

In der Episode „Tapestry“ in der 6. Staffel geraten mehrere hochrangige Offiziere der Enterprise in einen Hinterhalt. Dabei wird Captain Jean-Luc Picard lebensgefährlich verletzt: Sein künstliches Herz, das er nach einem Zwischenfall zu Beginn seiner Karriere vor dreißig Jahren erhalten hat, setzt aus.

Unverhofft findet er sich auf einer weißen Umgebung wieder – aber nicht mit Gott, sondern Q, dem allmächtigen, aber auch aufdringlichen Wesen, das der Crew der Enterprise seit der ersten Folge zu schaffen macht und sie in unregelmäßigen Abständen besucht. Nach einer der üblichen Diskussionen zwischen den beiden bringt Q Picard in der Zeit zurück.

Er ist wieder ein frischgebackener Fähnrich (Ensign), der die letzten Tage vor Erhalt seines Kommandos mit seinen beiden Freunden von der Akademie verbringt. In diese Zeit fällt auch der Zwischenfall, der ihn sein Herz gekostet hat. Q stellt Picard die Aufgabe, dieses Mal nicht fast zu sterben. Tatsächlich schafft es Picard, dem entscheidenden Konflikt aus dem Weg zu gehen, doch um den Preis, durch sein untypisch ausweichendes Verhalten beide Freundschaften zu zerstören.

Plötzlich befindet er sich zurück auf der Enterprise – jedoch nicht als Captain, sondern nur deutlich niedrigerer wissenschaftlicher Offizier (Lieutenant junior grade). Zum Vergleich: Das ist der Rang, den der etwas komplizierte Reginald Barclay innehat oder Worf in den ersten zwei Staffeln. Für Picard nach dreißig Jahren Offiziersdienst in der Sternenflotte ein allzu bescheidenes Ergebnis – zumal man ihm bescheinigt, nie herausragend gewesen und generell Risiken aus dem Weg gegangen zu sein. Er wird also als ungeeignet zum Führungsoffizier befunden, hat aber auch nicht etwa eine alternative Karriere als Wissenschaftler hingelegt (Archäologie war doch seine Leidenschaft!), sondern ein relativ beschauliches Leben ohne großen Fokus auf irgendetwas geführt.

Zum Glück für Picard hat der Spuk schnell ein Ende und er steht wieder vor Q. Der erinnert ihn daran, was für Risiken er auf sich genommen hat – etwa ein Außenteam geführt, um einen Botschafter zu retten, oder das Kommando an Bord eines Schiffes übernommen, als der Captain im Kampf getötet worden war.

Am Ende entscheidet sich Picard, lieber zu sterben als so ein für ihn langweiliges Leben zu führen, und erwacht schließlich in seiner normalen Zeit auf der Krankenstation, dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen.

Das eigentliche Thema dieser Episode – „Was wäre, wenn ich etwas anders gemacht hätte im Leben?“ – ist ein beliebtes Motiv in Fantasy- und Science-Fiction-Filmen, wird aber ebenfalls in „normalen“ Serien oder romantischen Filmen eingesetzt. Es ist für Normalsterbliche relativ einfach nachvollziehbar, bietet Schauspielern den Reiz, in der „alternativen Zeit“ einen Charakter ganz anders darzustellen und kann aus einem gewohnten Setting noch einmal etwas Neues abgewinnen.

Dabei gibt es üblicherweise zwei Versionen: Der Protagonist ist der Meinung, er habe sein ganzes Leben verpfuscht, und sieht dann die alternative Welt, in der es vielen Menschen deutlich schlechter geht (deswegen fungiert als Auslöser für die Reise gerne ein Engel). Oder die Originalrealität ist schlecht und muss durch einen Eingriff in der Vergangenheit „repariert“ werden (was natürlich moralische Implikationen mit sich bringt: wer darf das und wie stark?).

In diesem Fall verhält es sich anders: Picard hatte ein gutes Leben, einzig der drohende Tod ist der Auslöser, etwas anders zu machen. Dabei wird ein klarer Zusammenhang zwischen Karriere und Risiken aufgezeigt. Mit „Risiken“ sind hier keine temporären Rückschläge oder finanzielle Durststrecken gemeint, sondern tatsächliche Gefahr für Leib und Leben, die hier sogar drastisch vor Augen geführt wird. Dieses „nur weil er solche Risiken einging, konnte er so hoch aufsteigen“ ist eine Weisheit, die sich auf die Welt außerhalb von Star Trek und Fernsehserien sehr gut anwenden läßt. Es ist ein guter Punkt für jede Diskussion, warum Leute in Spitzenpositionen aufsteigen – zusammen mit der Tatsache, dass Picard keine eigene Familie hat, wie übrigens die meisten von den Brückenoffizieren der Enterprise, im Gegensatz zu ihren Untergebenen.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? „Hurra, hurra, ich flieg‘ mit Picard / was für ein Glück, ich flieg‘ mit Jean-Luc“ und „ich bleib‘ Deanna Troi treu“ – herrliche Zeilen!

J.B.O. – Der Star Trek (+ Intro „Sound Trek“)

Fundstück: Las Balkanieras: „Warum Sabine?“ oder „Als Frau in der Friendzone“

Resolute Nuss weist in einem Kommentar auf die Gefahr hin, sich den Spaß an der Popkultur dadurch kaputtzumachen, dass man alles analysiert. Das halte ich für eine sehr gute Warnung – gerade, um sie auf sich selbst anzuwenden: Habe ich inzwischen schon so einen Tunnelblick, dass ich überall „mein Thema“ sehe? Muss ich ständig aufzeigen, dass hier „meine Theorie“ am Werk ist? Gilt nie „es ist, was es ist„, sondern muss alles eine versteckte Bedeutung haben, die in Richtung meines Weltbildes deutet? Ich möchte das mal an einem ganz konkreten Beispiel ausführen, das sowieso schon als Artikelidee vorgemerkt war.

Las Balkanieras: Warum Sabine?

Las Balkanieras besingen hier, ganz einfach ausgedrückt, das Thema „Als Frau in der Friendzone„. Ein völliges unverdächtiges Stück Popkultur, möchte man sagen. Mir fallen daran mindestens drei positive Aspekte auf:

  1. Wenn schon sich beklagen, dann wenigstens tanzbar!
  2. Mit all dem Aufgezählten wirkt es so übersteigert, dass es auch Unterhaltungswert hat.
  3. Den Frust kreativ zu verwenden, halte ich für gute Idee.

Dasselbe Lied – kaputtanalysiert

Eine so positive, schöne, unbeschwerte Welt kann man natürlich nicht so stehenlassen. Da muss doch irgendetwas ganz schreckliches dran sein, schließlich ist nichts „einfach so“ oder „unschuldig“! Wie müsste der Text des Liedes gedeutet werden, wenn hier ein Mann über eine Frau schmachten und man die Maßstäbe von poststrukturellen Feminismus anwenden würde?

„Du liebst mich nicht (…) und ich weiß, dass Du mich nicht siehst / Warum nicht ich?“ – Der Refrain enthält gleich mehrfach unbegründete Vorwürfe. Hier wird die Realität nicht akzeptiert.

„Vor jedem Tag küss ich Dein Bild auf meinem Nachttisch“ – Wenn das ein Mann über eine Frau singt, ist das „creepy“ und Objektifizierung.

„Jeden Morgen im Büro bring ich Dir Kaffee Latte“ – Hier beklagt sich jemand darüber, nicht geliebt zu werden, nur weil er irgendwelche Gefallen tut! Klarer Fall „ich mache soviel für Dich, da habe ich doch mehr verdient“!

„Zur Mittagspause plan‘ ich Essen beim Chinesen“ – ohne die Frau vorher zu fragen! Hier wird jemand gar nicht erst nach seinen Wünschen gefragt.

„[Er] ist doch farblos“ – Typisches Friendzone-Gejammer. Lernt endlich, die Wahl einer Frau zu akzeptieren!

Dann kommt noch verstärkend eine Zeile, die stark an eine Werbung aus den 1990ern erinnert:

Jade-Mascara-Werbung: „Was hat sie, was ich nicht habe?“

Also völlig von Neid zerfressen.

Durch das ganze Lied zieht sich eine Aufzählung, wie attraktiv die singende Person eigentlich ist und wieviel sie dafür tut. Auch das soll die Wahl der Frau delegitimieren.

„Ich weiß eines Tages kommt die Gelegenheit / Um Dich zu kriegen, zahl‘ ich jeden Preis“ – Das klingt erst recht creepy, so etwas könnte auch ein späterer Stalker oder Vergewaltiger singen (wobei Männer natürlich alle potentielle Vergewaltiger sind).

Sprich, kaum dreht man die Verteilung der Geschlechter in dem Lied um, kann man aus dem Text beliebig Belege dafür finden, in was für einer Hölle Frauen in der westlichen Welt leben und wie sie die ganze Zeit mit Propaganda beballert werden, um in Angst zu leben und ja nicht aufzumucken. Das hat natürlich mit der Realität, in der ich lebe, nichts zu tun. Es ist nur ein Beispiel dafür, wie man quasi aus dem Nichts Vorwürfe und Betroffenheit generieren kann.

Las Balkanieras zum Lied

Um wieder in die normale Welt zurückzukommen und weil ich den Artikel mit etwas Positivem beenden möchte: Zwei Mitglieder der Band haben eigene Deutungen und Erklärungen aufgenommen.

Filozofija

Es gehe natürlich nicht um eine konkrete Person. Sabine sei ein Symbol für die Frauen, die sagten, sie seien besser als man selbst. Auch wenn man sich nicht „selbst optimiere“, habe man das Recht, glücklich zu sein.

Analyse: Sei kein Klaffi!

Sabine sei emanzipiert; eine unabhängige Frau, die wisse, was sie wolle. Solange man das ganze Schönheitsprogramm aber für den Mann mache und nicht für sich selbst, finde der Mann einen langweilig. Männer wollen keinen „Klaffi“ (also ein Schoßhündchen) – und Las Balkanieras auch nicht. Was immer man auch tun wolle, man tue es für sich. Auch in einer Beziehung sei das ständige Hinterhertelefonieren falsch. Eine gute Frau frage nicht, wo ihr Mann sei, sie wisse es.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Mit demselben Beat (oder Riddim) von Mungo’s HiFi erschien bereits 2012 in Belgien das folgende Lied.

Lisa Bennett: Apple Tree

Fundstücke: Alternative Deutungen zu „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Als ich schrieb, warum ich „Groundhog Day“ so toll finde, gab es darauf unverhofft viele Reaktionen. Am interessantesten sind dabei diejenigen, welche meiner Deutung widersprechen oder andere Aspekte hervorheben.

only_me:

Kehrseite: Ein Film, der zelebriert, dass Männer keine Human Beings, sondern Human Doings sein müssen, um akzeptiert zu werden.

Das stößt mir sauer auf, während ich es mit einem „Das ist halt so“-Seufzer akzeptiere.

crumar findet den Film großartig und schreibt gleich mehrere Kommentare, die ich hier stückweise gemeinsam verwurste, in der Hoffnung, dass man trotzdem noch einen Sinn erkennt:

Zum Kommentar von only_me:

Kehrseite 2: Die Moral von der Geschichte ist, nur eine Frau kann einen Mann erretten.
Um das von only me gesagte aufzugreifen: Der Mann ist demnach „damsel in doing“.

Zu meiner These, dass Phil Rita am Ende nicht nötig habe:

Natürlich hat er sie nötig – sie schlafen am Schluss gemeinsam ein, ohne dass es zu sexuellen Handlungen kommt, nachdem er durch seine Taten sein reines Herz bewiesen hat und damit das ihre gewann.
Voila: Errettung und Erlösung!
Ist dir das nicht aufgefallen?
Die männliche Hölle der Unendlichkeit des einen Tages (Hamsterrad) tauscht er ein gegen das, worauf er zunächst verzichtet (Sex), um die „echte“ Unendlichkeit dann *durch das Weib* zu erhalten. Lieferung in der Regel nach 9 Monaten.

Zur Pointe, dass Phil eine ganze Weile versucht, Rita herumzubekommen, und gerade dann, wenn es möglich wäre, er es doch nicht macht:

Normalerweise hätten wir ein Signal für den dann stattfindenden Sex > Nahaufnahme leidenschaftlicher Kuss zum Beispiel – Blende.
Das findet hier nicht statt und es findet nicht statt, weil KEIN SEX die Pointe ist.

Der VERZICHT auf das gängige Klischee, diese Frau – als Ziel – herum zu bekommen widerspricht *einem* Handlungsstrang des Films, in dem gezeigt wird, wie er versucht, diese Frau herum zu bekommen.

*Rückwärts gerechnet* – ab ERRETTUNG und ERLÖSUNG lässt sich nun feststellen, welche Mittel zum Erfolg geführt haben.
Und eines der Mittel war demzufolge die Preisgabe des *männlichen ZIELS* diese Frau herum zu bekommen; ergo (ohne Preisschild) Sex mit ihr zu haben.
Demnach ist ERFOLG Preisgabe des – ursprünglichen – männlichen Ziels.
Noch einmal: *Errettung und Erlösung* durch PREISGABE des ursprünglichen männlichen Ziels.

Wir waten hier also knietief in einem WEIBLICHEN Narrativ.
Es ist egal, welches Geschlecht die Drehbuchautoren haben, es sind Frauen, die Frauen gewinnen lassen wollen oder Männer, die exakt das Selbe wollen.

Das gesamte Narrativ ist zutiefst sexistisch.
Es ist komplett unmöglich die „gender“ zu tauschen, weil dem Publikum sofort der Betrug um die Ohren fliegen würde.

Zur (nur scheinbar gegenseitigen) Vertrautheit, die zwischen Phil und Rita am Ende besteht:

Aus *seiner* Perspektive hat er unendlich viele Tage mit ihr verbracht, in zahllosen dates.
Er kennt wahrscheinlich ihre Lebensgeschichte besser als sie selbst.
D.h. das *Erfahrungs*gefälle männlich vs. weiblich ist Bestandteil der Konstruktion der Geschichte.
An dieser Stelle schon könntest du das Geschlecht nicht tauschen – versuche dem Publikum zu vermitteln, dass Frauen 20 Anläufe unternehmen, um das erste date zu einem Erfolg zu machen.
Niemand würde es dir abkaufen.

Diese „Vertrautheit“ aus seiner Perspektive ist also real und Resultat seiner Bemühungen über x-Tage hinweg.
Wir sehen die Entwicklung, seine Entwicklung, wir sehen den Prozess und der Prozess ist die „katalytische Wirkung“.
Um so mehr er sich zu dem entwickelt, was *sie* in einem Mann sehen will und an diesem attraktiv findet – was zuuuuuuuufälligerweise (Kucklick brüllt) Hand in Hand geht mit seiner Entwicklung hin zu einem sozialen, fürsorglichen usw. Menschen – desto mehr hingezogen fühlt sie sich zu ihm.
Für *ihn* wird dieser Prozess jedoch *erst* zu einem Erfolg, wenn sie vom *Ergebnis* des Prozesses überzeugt ist und diesen – taraaa – als PRODUKT ersteigert.

Tausche hier das Geschlecht und ein feministischer shitstorm in Tsunami-Größe würde dich hinwegfegen!
Jede Feministin würde diese Geschichte einem unterdrückerischen Patriarchat zuschreiben, das Frauen durch internalisierte Frauenfeindlichkeit zur Selbstoptimierung zwingt, um patriarchalen Normen zu entsprechen, denen sie niemals genügen kann.
Und als ob das nicht schon schlimm genug ist, Anne, wird sie sexuell objektifiziert, auf einer Auktion wie ein Stück Fleisch angepriesen und als Ware (Zwangsprostitution!) versteigert!!!
Dass Hollywood sich überhaupt jemals getraut hat, solche sexistischen Filme abzuliefern…

Aber zurück zum Film selbst.
Graublau schreibt: „Es war für mich immer gerade die Pointe, dass Phil Rita ins Bett bekommt, als er es nicht mehr braucht.“
In einem Film werden die Motive der Figuren per Drehbuch konstruiert und nichts spricht aus einer männlichen Perspektive dafür, dass ein Mann Sex „nicht mehr braucht“.
Hingegen alles dafür, die Drehbuchschreiber/-innen waren der festen Überzeugung, er *soll* Sex nicht mehr brauchen *wollen*.

Denn gerade mit dem „freiwilligen Verzicht“ (laut Drehbuch) auf sein ursprüngliches Ziel findet die männliche Seele Läuterung.
Und darf friedlich einschlafen, Amen (so weit ich mich erinnern kann, gab es wenigstens am nächsten Morgen Sex).
(…)
Ganz ehrlich: Mann liegt im Bett neben seiner Traumfrau (Andie MacDowell war hotttttttttttttttttt!), die einen am gleichen Abend auch noch ersteigert hat….und schläft ein. Wäre Bill Murray nicht die Filmfigur, sondern ein realer Mann gewesen, ich hätte ihn in den Hintern getreten.

Und schließlich nochmals an mich gerichtet:

Du begehst einen klassischen Fehler, nämlich die Geschichte NICHT RÜCKWÄRTS zu betrachten.
Das ist nämlich die weibliche Perspektive – alle Schritte zu betrachten, die EX POST zu diesem ERFOLG geführt haben.
Du fragst und siehst aus einer vorwärts gerichteten männlichen Perspektive, die für die Dynamik des Films KEINERLEI Rolle gespielt hat.
Der Clou ist, die männliche Perspektive auszuhebeln, indem dieser EINE Tag immer wiederholt wird, was männliches Fortschrittsdenken per se beerdigt.
Im Gegenteil: „Da zieht Phil doch eine coole Nummer ab. Ebenso die Sache mit der Eisskulptur: In erster Linie eine persönliche Fähigkeit, mit der man außerdem Leute beeindrucken kann.“
Schatz, was hat es ihm denn gebracht?
Was war das RESULTAT seiner HANDLUNG?!
War es ein Erfolg oder ein Misserfolg?
Mit der Verweigerung einer Rechenschaftslegung ist dies die ENTEIGNUNG eines individuellen, männlichen Lerneffekts.

Du drehst den männlichen frame ins Absurde, ohne den weiblichen zu begreifen.

„Aber ein reines Herz wäre nicht auf solche Showeffekte wie den Bandauftritt ausgelegt“ – es ist die weibliche Version davon.
Die weibliche Version der Showeffekte ist, den Bandauftritt hinzubekommen, ergo muss er individuell DAVOR Klavier lernen.
Das ist demnach KEINE individuelle Entscheidung.
Die Präsentation des Films ergeht sich darin, dir eine Logik zu präsentieren, als WÄRE es seine eigene.

Rechne RÜCKWÄRTS, was in weiblichen Augen *dieser Mann* an Fähigkeiten besitzen muss, um *diese Frau* zu bezaubern und du hast die Hälfte des Films entzaubert.
Demnach ist es kein Geheimnis mehr, wenn ich dir die weibliche LÖSUNG präsentiere: „Sie schlafen am Schluss gemeinsam ein, ohne dass es zu sexuellen Handlungen kommt, nachdem er durch seine Taten sein reines Herz bewiesen hat und damit das ihre gewann.
Voila: Errettung und Erlösung!“

Und JETZT konstruiere einen Film, in dem ALLE männlichen Handlungen auf diese LÖSUNG zulaufen.
Das ist nämlich der weibliche frame und dieser ist die GRUNDKONSTRUKTION des Films.

Und schließlich, diesmal an Fiete gerichtet:

Wer die Analyse der Popkultur auf Ideologien von Männlichkeit und Weiblichkeit vernachlässigt oder unterlässt, wird nicht weit kommen.

Natürlich kannst du in einem Märchen die klassische Situation des aristokratischen Prinzen setzen, der die Prinzessin rettet (feministisch: damsel in distress).
Aus einer *männlichen Perspektive* jedoch sind die Bemühungen verbunden mit der Versprechung, sämtliche Bemühungen würden auf einen Gewinn = Belohnung hinauslaufen.
In einer solchen Gleichung muss der Gewinn immer mehr oder mindestens gleich viel wert sein wie die Summe der Bemühungen, sonst wäre das Versprechen der Belohnung eine Farce. Oder sie wären bspw. eine Sühne für eine Untat, wie die zwölf Taten des Halbgotts Herakles im Dienste des König Eurystheus.
Das ist ein abrechenbares Geschäft auf rationaler Basis (Zwölf Taten auf der To-Do-Liste. Check.).
So rational wird es aber nicht aufgeführt, denn es ist schließlich ein Märchen und der Held tut es aus wahrer Liebe, nicht wahr?!

Wo kämen wir hin, wenn der Held eingangs *von sich aus* abwägen würde, wie viele und welche solcher Taten ihm zumutbar erschienen?
Sagen wir, der Prinz/Held/Halbgott dieser Geschichte bietet: „Zehn!“
„Hallo, in der Geschichte sind es aber ZWÖLF!“
„Ok, einigen wir uns auf elf!“ – hier fällt die griechische Mythologie in Ohnmacht.

Damit will ich aufzeigen, dass das Geschäft „Bemühung“, „Aufgaben“ darauf basiert, sie haben aus männlicher Perspektive *niemals* eine VHB.
Anders herum: Ein Mann erfüllt die Aufgaben, die ihm gestellt werden und bezieht *aus der Erfüllung* dieser einen Sinn (für die eigene Existenz, seine Männlichkeit usw.) PUNKT
Damit verzichtet er auf eigene Ansprüche an den Handlungsverlauf der Geschichte BEVOR sie überhaupt begonnen hat oder genauer gesagt: Er wird *seiner eigenen* Agenda enteignet und die Beurteilung des „Sinns“ der eigenen Bemühungen wird anderen überlassen.

Schön und „modern“ (= bürgerlich) an dem „Murmeltier“ ist, dass es dieses Muster vorführt, aber verbirgt, DASS es dieses Muster vorführt.

Die Erwartungen der Heldin/Prinzessin werden niemals artikuliert, bzw. die Autoren des Drehbuchs ERSPAREN es IHR, diese zu artikulieren.
Wahre Liebe in der bürgerlichen Gesellschaft muss authentisch sein!

Authentisch ist hier, wenn sich alle weiblichen Forderungen an einen Mann sich realisieren, weil “ he just got it!“ – ohne diese Forderungen explizit zu benennen und damit abrechenbar zu machen.
Darin ähnelt die Herangehensweise dem Märchen und der Mythologie.
Außer natürlich, dass es keinen Preis/Belohnung geben kann, denn das wäre sexistisch.
Und: Weil es hier *nicht* um ein rationales, abrechenbares Geschäft gehen kann, denn *wenn es ein Geschäft wäre*, dann wäre es keine wahre Liebe.

Wie rettet sich das moderne Märchen, insbesondere und damit meine ich *vor allem für Frauen* aus diesem Dilemma?
Neu und modern ist, der Held soll das weiblich unausgesprochene *von sich aus wollen sollen*.
Dieser Mann ist nicht nur seiner eigenen Agenda enteignet, externalisiert den Sinn für seine eigenen Bemühungen, sondern er WILL das aus tiefstem Herzen SELBST, weil ihn das zu einem BESSEREN Menschen macht, der die Belohnung darin sieht, dass es ihn zu einem besseren Menschen macht.
Rein zufällig ist es aber die Frau, die hier definiert, was ein „besseres Mensch“ im Detail bedeutet und rein zufällig ist es ein GESCHÄFT in diesem Film: Sie ersteigert das fertige Produkt, zu dem sich der Mann a. aus „eigenem Antrieb“, b. „selber“ gemacht hat.
Uuups.

Diese Illusion von Freiwilligkeit und freiwilliger männlicher Unterwerfung im Film wird auf „moderne“ Art aufgeführt und es ist wichtig, diese Ideologie in ihrem Bezug auf Mythologie und Märchen darzustellen.
Damit wir diesem etwas entgegenzusetzen haben.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Von „I Got You Babe“ gab es auch eine höchst unromantische Version…

Cher with Beavis & Butthead – I Got You Babe

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