Zum angeblichen „Zorn abgehängter Männer“

Liebe Christina Schildmann und liebe Anna-Katharina Meßmer

Ich habe Ihr essay „Vom Zorn abgehängter Männer gelesen“.

Sie beginnen dort mit der nicht gerade neuen Feststellung, der Ton im Internet sei oft ruppig oder gar gewalttätig, und dies insbesondere bei Themen, die Gender und Feminismus betreffen würden. Schuld daran sind nach Ihrer Auffassung „wütende Männer“, die sich „in Horden“ organisieren zusammenschließen würden.

Auffällig viele wütende Männer habe diese digitale Öffentlichkeit für sich entdeckt: Sie schließen sich in Horden zusammen, um gezielt auf einzelne Personen loszugehen – augenscheinlich auf solche, die ihnen als verantwortliche Symbolfiguren für den Untergang des WHM (weißen heterosexuellen Mannes) erscheinen.

Wenn man nun weiss, dass der (feministische) Zusammenschluss von Frauen im Internet gerne als moderne Vernetzung (Bildung von Netzwerken) gefeiert wird, fällt auf wie abwertend dazu im Gegensatz von Ihnen der Zusammenschluss von Männern betrachtet wird (Horden).

Als Ursache für die von Ihnen diagnostizierte Wut dieser männlichen Horden haben sie ein angebliches „Gefühl der Entmännlichung“ ausgemacht, dass diese Männer umtreiben soll. Genaue Belege für diese These liefern Sie in Ihrem Artikel leider nicht. Der wütende und feminismuskritische Mann ist in ihren Augen aber ein Gesellschaftsverlierer.

„Persönliche Schicksale werden – entindividualisiert und verallgemeinert – zu politischen Botschaften, mit denen die wütenden Männer in den Geschlechterkampf ziehen. Es ist das Gefühl einer persönlichen Niederlage, die sie zu politischen Kriegern macht, deren Wut sich vor allem gegen all jene richtet, die ihrer Meinung nach die Zerstörung einer sicheren Ordnung zu verantworten haben: Progressive, Frauen, Ausländer, Homosexuelle.“

Die „Horde“ besteht also nur aus einem Haufen von Leuten, die ihr persönliches Einzelschicksal nicht verkraftet haben? Auch hier lohnt der Blick ins andere Lager. Auch Feministinnen sind sehr oft in ihrem Aktionismus von ihren eigenen persönlichen negativen Erfahrungen angetrieben. Die persönliche Leidensgeschichte wird hier sogar gerne ausführlichst und wiederholt geschildert, dient teilweise geradezu als Legitimation (eigene Betroffenheit, Definitionsmacht). Ein Höhepunkt dieser Bündelung von negativen weiblichen Einzelerlebnissen war z.B. die viel gelobte Aktion #aufschrei.

Das Argument, eine Bewegung (bei Ihnen auch Horde genannt) sei in ihren Absichten weniger legitim oder ernst zu nehmen, weil die Akteure eigentlich nur ihre persönlichen Einzelschicksale verdauen wollen trägt also nichts wirklich Erhellendes zur Diskussion bei.

Dann haben Sie den nächsten Gedankenblitz:

Bei den Web-2.0-Kriegern fällt auf, dass sie sich oft auf „höhere Autoritäten“ berufen – gern auf Ikonen des Bildungsbürgertums wie Cicero und Nietzsche oder auf Repräsentanten der Qualitätsmedien.

Tja und umgekehrt beruft sich der Feminismus – je nach Ausrichtung – zum Beleg seiner Theorien und Forderungen gerne auf Judith Butler, Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer. Eine Bewegung beruft sich also üblicherweise gerne auf Repräsentanten. Na schau mal an. Was für eine Erkenntnis.

Weiterhin meinen Sie eine unheilige Allianz entdeckt zu haben, zwischen weißen männlichen Journalisten und den besagten männlichen Horden mit ihren persönlichen Entmännlichungsängsten.

„Doch ist die Geschichte der „Angry White Men“ keineswegs eine reine Verlierergeschichte. Speziell in Deutschland ist die Debatte schon lange auch die eines saturierten, einflussreichen konservativen Feuilletons. Es scheint eine unausgesprochene Allianz zu geben zwischen den verbalen Amokläufern im Web 2.0 und einigen arrivierten Journalisten, die sich über den „feminisierten Journalismus“ ereifern und die es sich zum Markenzeichen gemacht haben, eine „mutige“ beziehungsweise „unpopuläre“ Meinung zu vertreten“

Das wirft natürlich die Frage auf, warum auch diese wohlsituierten Männer den Antifeminismus unterstützen. Das Argument, bei Antifeministen würde es sich eigentlich nur um frustrierte Gesellschaftsverlierer handeln greift hier nicht wirklich. Statt diesem Widerspruch nachzugehen bilden Sie aber lieber Gruppentypen von weißen kritischen Journalisten. Zu jeder der von Ihnen benannten Gruppe fällt Ihnen exakt ein Repräsentant ein. Man könnte auch sagen sie machen für jeden bekannten feminismuskritischen weißen Journalisten eine eigene Kategorie auf. Das stellt dieses ganze Katalogisierungssystem schon irgendwie in Frage, finden Sie nicht?