Mythos Lohnschere

Beinahe alles, was Frauenorganisationen heutzutage so fordern, wird mit der angeblichen Lohnschere begründet. Über die angebliche Lohnschere wird auch von den Medien gerne immer wieder berichtet. Das Ganze hat nur einen Haken: Es gibt keine Lohnschere. Aber bevor ich mich im Einzelnen mit etwas beschäftige, was es nicht gibt, beschreibe ich einmal, was es gibt.

Eine triviale Feststellung: Der Tag hat 24 Stunden. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Ähnliches gilt für menschliche Energie. Unsere Aufmerksamkeit und unser Einsatz sind genauso begrenzt wie unsere Zeit auf dieser Welt. Wenn wir mehr feiern, arbeiten wir weniger. Wenn wir mehr arbeiten, haben wir weniger Zeit für Freunde und Familie. Wenn wir uns mit voller Kraft unseren Kinder widmen, geht sich keine Karriere aus. Zumindest keine Top-Karriere. Zumindest nicht zeitgleich. Unsere Zeit und Energie sind wie eine Flüssigkeit, von der wir nur eine begrenzte Menge haben. Wenn unser Leben ausgeglichen ist und wir keinen äußeren Druck haben, verteilt sich unsere Zeit und Energie annähernd gleichmäßig zwischen Arbeitsleben und Privatleben.

ausgleich

Das nennt man neudeutsch work-life-balance. Und bei einem modernen, jungen, kinderlosen, einigermaßen gut ausgebildeten Menschen funktioniert das oft ganz gut. So lange Männer und Frauen keine Kinder haben, entwickeln sich ihre Karrieren, ihr Einkommen und ihre Kochkünste heutzutage ungefähr gleich. Aber wenn das erste Kind kommt, muss sich etwas ändern. Ein Kind erzeugt Zwang. Jemand muss in der Nacht aufstehen und jemand muss aufpassen. Den ganzen Tag. Plötzlich ist nicht mehr alles freiwillig. Auch die Arbeit nicht. Das Kind braucht schließlich Essen und ein sicheres Zuhause. Der Druck kommt aber nicht nur von den objektiven Bedürfnissen eines Kindes, sondern auch vom Staat. Wobei der Staat immer nur Druck auf Männer ausübt und das in entgegengesetzter Weise. Im Berufsleben werden durch Frauenquoten Männer verdrängt, im Familienleben durch das einseitige Familienrecht ebenfalls. Der Effekt dieser Maßnahmen ist gegenläufig. Wenn der junge Mann aufgrund von Frauenbevorzugung in Verwaltung und Wissenschaft keine Karriere mehr machen kann, wird er mehr Zeit für das Kind haben. Wenn der junge Mann nach einer Trennung als Vater entsorgt wird, hat er mehr Zeit für die Karriere. Irgendwo taucht die männliche Energie wieder auf. Welcher Druck ist stärker?

druck

Unser aller Erfahrung zeigt, dass die gesetzliche Verdrängung der Väter ungleich größere Auswirkungen hat als alle Förderungsmaßnahmen im Berufsleben zusammen. Das ist nichts Neues. Diese Zusammenhänge sind seit Jahrzehnten bekannt. Auch etwas anderes hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert: Weder konservative „Rechte“ noch feministische „Linke“ wollen an der Vorherrschaft der Frauen in der Familie etwas ändern. Mit den bekannten Ergebnissen. Den 90% alleinerziehenden Müttern stehen 90% Männer in Spitzenpositionen gegenüber.

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Alleinerzieher und Spitzenjobs sind zwei Seiten der gleichen Medaille und gleichzeitig nur die Spitze des Eisbergs. Der staatliche Druck wirkt auch bei der Durchschnittsfamilie. Und er wirkt auch bei Vätern, die (noch) nicht getrennt von der Kindesmutter leben. Schließlich weiß ja jeder Mann, was ihm nach einer Trennung blüht. Also geht der typische Vater mehr oder weniger freiwillig vor allem Geld verdienen und die typische Mutter arbeitet halbtags oder gar nicht, womit der Vater natürlich mehr Geld verdient. Verdienen muss. Das ist kein männliches Privileg, sondern eine männliche Pflicht. Der Mann verdient mehr, aber das Geld wandert ohnehin zu Frau und Kind. Das ist offenbar politisch gewollt. Daher ändert sich auch an den Einkommensunterschieden nichts. Ist die Lohnschere also ein Produkt des Familienrechts? Nein. Weil es keine Lohnschere gibt. Für eine „Schere“ müssten sich die Einkommen von Männern und Frauen mit der Zeit entgegengesetzt auseinanderentwickeln.

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Wenn wir eine Lohnschere zwischen Männern und Frauen hätten, würden Männerlöhne steigen und Frauenlöhne fallen. Oder zumindest Männerlöhne steigen und Frauenlöhne gleichbleiben. Das würde dann ungefähr so aussehen.

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Das ist eine Lohnschere. Aber nicht zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen Arm und Reich. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Jahreseinkommen in Österreich in absoluten Zahlen. Ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung verdient weniger als die untere Kurve, ein Viertel verdient mehr als die obere Kurve, der Rest ist dazwischen. Die Einkommen des unteren Viertels stagnieren. Inflationsbereinigt verlieren die unteren 25% laufend an Einkommen, während die oberen 25% laufend gewinnen. Das ist eine Schere. Mit Frauen und Männern hat das aber nichts zu tun.

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So sieht das Verhältnis Männer zu Frauen in Österreich aus. Beide Einkommen steigen im Durchschnitt. Weder steigt das Männereinkommen stärker, noch stagniert das Fraueneinkommen. Das Verhältnis von Frauenlöhnen und Männerlöhnen ist konstant.

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Fraueneinkommen sind im Durchschnitt 60% der Männereinkommen. Die einzigen wahrnehmbaren Veränderungen sind die grössere Konjunkturabhängigkeit der Männereinkommen und ein 2%-Anstieg bei den Frauen durch die staatliche Frauenförderung der letzten Jahre.

Als Ersatzbehauptung für die leicht widerlegbare Lohnschere hört man dann oft, dass Frauen angeblich für die gleiche Arbeit weniger bezahlt bekämen. Auch das ist falsch. Natürlich bekommt nicht jede Frau so viel bezahlt wie jeder Mann. Es bekommt ja auch nicht jeder Mann das Gleiche wie jeder andere Mann. Die angebliche Diskriminierung der Frauen wird immer wieder mit einem „unerklärten Rest“ bei den statistischen Einkommensunterschieden begründet. Wieviel „unerklärter Rest“ bleibt, hängt aber davon ab, wie genau man hinsieht. Wenn man Teilzeitarbeit, Karriereunterbrechung, Überstunden und so weiter statistisch herausrechnet, bleibt irgendwann überhaupt kein „unerklärter Rest“ bei den Einkommensunterschieden übrig. Das wurde vor einem Jahr recht deutlich mit Zahlen veranschaulicht.

Damit sind wir wieder bei der begrenzten Zeit und Energie. Der Staat übt auf Männer in allen Lebensbereichen Druck aus. Bei getrennten Eltern werden Väter aus der Familie verdrängt, während Frauenförderprogramme Männer aus Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik verdrängen sollen. Aber man kann die Männer nicht überall gleichzeitig verdrängen. Und die Erfahrung zeigt, dass der Druck durch das Familienrecht ungleich wirksamer ist. Am langfristigen 40%-Einkommensunterschied konnten all die Förderungsmaßnahmen der letzten Jahre nichts wesentliches ändern, weil das Familienrecht nicht entsprechend reformiert wurde. Die staatliche Diskriminierung von Vätern im Verbund mit den natürlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen erzeugt eine über Jahre stabile statistische Ungleichheit in Familie und Beruf.

Eine Lohnschere zwischen Männern und Frauen gibt es nicht. Es gibt stabile Unterschiede und es gibt Diskriminierung. Bei den Unterschieden ist der Familienbereich die Ursache und die ungleiche Arbeitsverteilung die Folge. Und die Diskriminierung richtet sich gegen Männer. Wer die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen beseitigen will, muss Mütter zur Lohnarbeit verpflichten und Väterquoten bei alleinerziehenden Eltern umsetzen.

Und übrigens: Jeder Journalist, der das Wort „Lohnschere“ verwendet, zeigt vor allem, dass er nicht über die Begriffe nachdenkt, die er verwendet.