Fundstück: Gunnar Kunz und die Individualität

Gunnar Kunz hat einen lesenswerten Text im Alternativlos-Aquarium veröffentlicht. Mit relativ wenigen Zeilen gelingt ihm ein Rundumschlag gegen das, was derzeit die individuelle Freiheit bedroht.

Nun bin ich inzwischen schon gewohnt, jeden Halbsatz kritisch darauf zu hinterfragen, ob dies nicht zu weit geht, ob das nicht zu leicht missverstanden werden kann und ob jenes die beste Formulierung ist. Also, im Detail können wir uns da ohne Ende streiten – garantiert! Der Verstand muss da keinen Millimeter nachgeben.

Aber mit dem Herzen hat mich Gunnar Kunz bereits mit dieser Einleitung gewonnen:

In der Provinz, in der ich aufgewachsen bin, habe ich am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn man den engen Rahmen verlässt, der innerhalb einer Gesellschaft als angemessen gilt. Beispielsweise, weil man so etwas Exotisches wie Schriftsteller werden will. Oder als Mann lange Haare trägt. Oder überhaupt die männlichen Rollenklischees nicht erfüllt, weil man sich weder für Sport noch für Autos interessiert, keinen Führerschein macht, kein Bier mag und keinen Rasenmäher reparieren kann.

Dem kleinbürgerlichen Mief entfliehen, nicht weil man ganz anders als die anderen ist, sondern weil man einfach nur irgendetwas anders machen will: Das ist eine ganz klassische Erzählung, die viele Männer und Frauen teilen. Welch Ironie, dass den Männern dabei unterstellt wird, Teil einer Weltverschwörung namens Patriarchat zu sein! Die wirkliche Gemeinschaft, die Menschen davor zurückhalten will, ihren eigenen Weg zu gehen, heißt nicht Patriarchat, sondern Spießbürgertum.

Dass Gunnar Kunz vor diesem Hintergrund individuelle Freiheit verteidigt und irgendwelche abstrakten „Gruppenrechte“ ablehnt, ist nachvollziehbar. Denn irgendwelche Ansprüche einer Gruppe, dass sich das Individuum (ohne Not) so und so verhalten möge, ansonsten wären gemeinschaftliche Gefühle verletzt, atmen den Geist von Spießigkeit.

Das Abschaffen der Freiheit wurde und wird nie als solches direkt gefordert (wer würde dem schon zustimmen?), sondern immer mit „Gefahren“ begründet, vor denen man anständige Bürger / Frauen / die kleinen Kinder beschützen müsse. Die Pseudoerklärung lautet dann in etwa: Die Freiheit des einen bedrohe die anderen auf gar schröckliche Weise die gesammte Gemeinschaft. Dazu fällt mir nur ein: Wenn die freie Lebensweise eines Individuums tatsächlich den Fortbestand einer Gruppe bedroht, kann die Gruppe wohl nicht besonders überlebensfähig gewesen sein…

Mir kam beim Rest des Textes noch eine weitere Assoziation: Die Vorstellung, die Menschen dadurch vor der bösen Welt zu schützen, indem man die Gemeinschaft betont, war doch das Heilsversprechen verschiedener kollektivistischer Ideologien im 20. Jahrhundert. Deswegen kommt mir das so unzeitgemäß vor: Ich denke ständig „Das sind gescheiterte Ideen, das hatten wir doch überwunden…“.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Individuelle Freiheit und sein eigenes Glück suchen… da fiel mir folgendes Lied ein:

The Pet Shop Boys: Go West