Fundstück: Die junge Linke

Es gibt sie doch noch, die Momente der Wahrheit in den viel geschmähten Massenmedien. Vor ein paar Monaten wurde ich via soziale Medien auf ein Interview mit Wolfgang Merkel aufmerksam, das Robert Pausch für die „Zeit“ geführt hatte.

Sowohl das verwendete Foto als auch die Kernaussage trafen aus meiner Sicht ins Schwarze: „Junge Linke haben Bezug zur Unterschicht verloren“.

Auf dem Bild zum Artikel sieht man zwei junge Frauen vor den Lichtern einer Großstadt. Sie sehen beide nach Bildung aus, Universität, irgendwie engagiert. Sie sehen weder nach Kampfgeist und Revolution, noch nach Weltschmerz oder Konsumverzicht aus. Ich füge noch hinzu, aber das ist schon deutlich mehr meine persönliche Spekulation, sie wirken auch darauf bedacht, gepflegt zu sein, gleichzeitig modisch als auch alternativ herüberzukommen, hübsch zu sein und ernstgenommen zu werden.

Das ist die politisch entkernte Linke, wie ich sie schon seit meiner Jugend kenne, nur mit massenkompatiblerem Modegeschmack. Die große Wahrheit, die ich in dem Bild sehe: Männer spielen keine Rolle.

Einige Höhepunkte aus den Antworten:

Die Frage danach, wie sich gesellschaftlicher Wohlstand gerecht verteilen lässt, war ja seit jeher der Wesenskern linker Politik. Und der ist unter jungen Linken heute fast gänzlich in den Hintergrund getreten. Stattdessen dominieren kulturelle und identitätspolitische Themen, über die sich junges Linkssein heute definiert.

So kurz und knapp kann man es zusammenfassen!

Die Globalisierung hat Gewinner und Verlierer geschaffen und die Linke in ganz Europa vermag es kaum mehr, die Globalisierungsverlierer an sich zu binden. Diese Leute – prekär Beschäftigte, Arbeitslose oder kleine Angestellte – wählen nun in großer Zahl rechtspopulistisch.

Zwei Sätze, die man als Wahlanalyse in vielen westlichen Ländern gebrauchen kann.

Kurz davor wurde auf Tabus in der Debatte eingegangen. Und am Ende wird die Kluft zwischen Mittel- und Unterschicht kritisiert und dass diese Spaltung der Gesellschaft für die heutige Linke kein Thema mehr ist.

Ich finde das auf zweierlei Weise erfrischend: Erstens, wie hier einige zentrale soziale Probleme, für die sich die Linke eigentlich brennend interessieren müsste, in klarer Sprache ausgedrückt werden. Zweitens, dass die Kritik an der Linken nicht aus einer antilinken Perspektive erfolgt, sondern aus ihrem eigenen ursprünglichen Anspruch und Selbstverständnis. Eine solche Kritik „innerhalb des eigenen gedanklichen Systems“ fand ich schon immer viel spannender als die der ideologischen Gegner – egal, wo man selbst inhaltlich steht.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Das Foto erinnerte mich ebenfalls an das Cover des Albums „marillion.com“.

Marillion: House

8 Kommentare zu „Fundstück: Die junge Linke“

  1. Schon der Wechsel zum Wort „Linke“ drückt eigentlich genau das aus. Das Wort beinhaltet keine Aussage und kein Ziel, wie das bei „Sozialisten“, „Sozialdemokraten“, „Veganern“ usw. der Fall ist. Damit gibt es dann auch keinen Widerspruch mehr zwischen „Links sein“ und Yuppie, Hipster, Hedonist, Psychopath oder was auch immer.

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