Antifeministische Gewalt und feministische Double Standards

Ein Veranstaltungsbericht

Jasna Strick hielt am Samstag auf dem laDIYfest in Kiel einen Vortrag über „Netzfeminismus und antifeministische Gewalt“ und da dies in meiner Nähe lag, wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Referentin einmal live zu erleben. Und wenn ich schon mal da bin, dachte ich mir, ich mache mal den Danisch und protokolliere das ganze mit.

Den Veranstaltungsort, das Hansa48 in Kiel besuchte ich in dem Moment das erste Mal. Es ist auf den ersten Eindruck hin ein ziemlich typisches links-alternatives Kulturzentrum. Früher war ich in solchen Läden ja auch ständig und deshalb fühlte ich mich auch gar nicht unwohl, bis auf das merkwürdige Gefühl, da doch nicht mehr so richtig hin zu gehören und auch, aus dem Alter raus zu sein.

Ich kam ein wenig zu spät, und so war die Kneipe, durch die man zur Veranstaltung musste, ziemlich leer. Zwei Frauen, die dort bedienten, haben mich lächelnd begrüßt, was ich gar nicht so erwartet hatte. Ich hatte eher erwartet, misstrauisch beäugt zu werden. Schließlich bin ich ein WHM (= weißer heterosexueller Mann), also das personifizierte Böse, aber immerhin waren ja laut Einladung cis-Männer zugelassen. Außerdem war das eine queer-feministische Veranstaltung, und die wussten ja nicht, ob ich nicht vielleicht doch schwul oder Feminist bin. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur freundlich oder erfreut, dass sich auch Männer für ihre Themen interessieren. Jedenfalls hat mich das positiv überrascht.

Das Publikum da: Vor allem jung, ca. 3/4 Frauen. Vielen konnte man die Gesinnung durchaus ansehen. Die Frauen größtenteils knallbunt gekleidet, mit assymetrischen Kurzhaarfrisuren, oft rot gefärbt, mit Piercings. Die wenigen Kerle oft mit Kapuzen-Sweatshirt und Hipster-Bärtchen. Aber es gab auch viele normal gekleidete. Bevor wir uns hier falsch verstehen: Von mir aus kann jeder rumlaufen, wie er will. Ich finde ein wenig Buntheit im Alltag durchaus begrüßenswert. Nur finde ich immer ziemlich lustig, wie Leute, die sich für nonkonform halten, sich doch ziemlich konform verhalten, zumindest innerhalb ihrer Peergroup.

Da der Vortrag in zwei Teile geteilt war und mich der erste Teil (Netzfeminismus) nicht so sehr interessierte, habe ich auch nicht wirklich was verpasst. Im ersten Teil referierte Strick im wesentlichen über die Möglichkeiten von FeministInnen, sich im Netz zu engagieren (Twitter, verschiedene Blog-Plattformen), stellte die #Aufschrei-Kampagne und einige aus ihrer Sicht erwähnens- und empfehlenswerte feministische Websites vor. Bemerkenswert war nur, dass ich kaum zwei Minuten da war, schon hatte ich zweimal das Kürzel WHM gehört. Damit war das Feindbild schon klar beschrieben. Na gut, vielleicht hat sie das Kürzel erklärt, bevor ich da war. Ich vermute aber, dem Publikum war es eh geläufig.

Antifeministische Gewalt

Im zweiten Teil (Antifeministische Gewalt) wurde es dann interessanter. Jasna Strick hat denselben Vortrag in ähnlicher Form schon einmal gehalten, und ein Mitschnitt davon ist auch auf YouTube nachzuhören. Wer sich also selbst ein Bild machen will, kann das hier machen:

Allerdings mag ich meine Leser nicht enttäuschen und erzähle den Vortrag in Kiel dann doch selbst nach. Der zweite Teil des Vortrags war im Gegensatz zum YouTube-Mitschnitt um die Hälfte kürzer, also nur eine halbe Stunde. Dummerweise ließ Strick das im Grunde wichtigste daran weg. Aber dazu später mehr…

Strick beginnt damit, die Männerrechtlerszene vorzustellen, wobei sie das Wort Männerrechtler gerne vermeidet und wenn sie es überhaupt verwendet, immer das Adjektiv „antifeministisch“ davor stellt. Lieber verwendet sie „Maskulisten“, „Maskulinisten“ (soweit ich weiß, bezeichnet sich niemand aus der Szene selbst so, insofern ist „Maskulinist“ ein feministisches Kampfwort) oder eben gleich „Antifeministen“. Es gebe dazu inzwischen auch einige hervorragende wissenschaftliche Studien, zum Beispiel von der Heinrich-Böll-Stiftung. Damit kann sie eigentlich nur das, nun ja, Werk von Hinrich Rosenbrock gemeint haben.

Dass sie mehr oder weniger aus der Rosenbrockschen „Studie“ zitiert, wird im Anschluss klar. Es gebe da zwei Strömungen: Da seien zum einen die, die rechtspopulistisch seien, nationalistisch, rassistisch, homophob und natürlich offen frauenfeindlich, nicht nur feminismusfeindlich. Und schwupps, kaum dass der zweite Teil drei Minuten angefangen hat, fällt schon der Name Anders Breivik, für den es in dieser Szene doch einige Fans gebe. Eigentlich war ich jetzt schon versucht, „Bingo“ zu rufen. Anders Breivik ist schließlich der absolute Joker im Anti-Männerrechtler-Bullshit-Bingo. Ich habe in den knapp zwei Jahren, in denen ich die Szene kenne, nicht ein einziges gutes Wort über Brevik gehört, von keinem Männerrechtler. Aber Strick und Rosenbrock haben da sicher geheime Informationen, an die man als normaler Männerrechtler nicht so ran kommt.

Die zweite Gruppe sei eher die aus der konservativ-liberalen Ecke, die den Staat verteufeln, die gegen Frauenquote hetzen, gegen Gender Mainstreaming und Gender Studies als Wissenschaft. Die Grenzen zu den Radikalen der ersten Gruppe seien fließend, es gebe einige, die tatsächlich für die Abschaffung des Frauenwahlrechts (von mir noch nie gehört) und für die Wiedereinführung des Mannes als Familienoberhaupts (von mir noch nie gehört) plädieren würden. Gemeinsam sei allen Strömungen, dass diese etwas gegen die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Männern und Frauen haben. Woher sie diese Phantasie hat, würde ich gerne wissen. Wahrscheinlich setzt sie, wie Feministinnen das gerne tun, Gleichberechtigung mit Gleichstellung gleich. Und in der Tat, Männerrechtler haben etwas gegen Gleichstellung, weil sie eben das genaue Gegenteil von Gleichberechtigung ist. Dass es auch einen links-gemäßigten Flügel in der Männerrechtsbewegung gibt, der meinem Eindruck nach inzwischen sogar der aktivste der drei Flügel (neben dem rechtspopulistisch-radikalen und liberal-fundamentalistischen) ist, davon ist bei Strick kein Wort zu hören. Doch davon später mehr…

Wer sind nun diese Leute, die sich in der Szene tummeln? Das seien Männer, die Enttäuschungen durch Frauen erlebt hätten, oft Trennungsväter, die kein Sorgerecht bekommen hätten, Männer, die stark verunsichert seien, was ihre Gefühle angehe, die in ihrem Männlichkeitsempfinden gestört seien, die Angst hätten, dass ihnen von Frauen ihre Privilegien streitig gemacht würden. Aber insgesamt sei es schon schwierig, die Motivation für das Engagement in dieser Szene herauszufinden. Frauen gebe es in der Szene fast gar nicht, und wenn, dann seien sie meistens Fakes. Es habe aber im Laufe der Zeit eine Umkehr der Haltung gegeben. Während früher antifeministische Männer sich als den Frauen generell überlegen gefühlt hätten, habe sich dies gewandelt, und nun sei mehr das Empfinden vorhanden, dass der Feminismus und die Frauen die Macht hätten, und die Männer die eigentlich Unterdrückten seien. Männer fühlten sich jetzt mehr als die Opfer der feministischen Weltherrschaft. „Wär schön, wenns so wäre“ meint Strick dazu.

Wo treten nun diese Antifeministen auf? Zum einen gebe es da Vereine wie MANNdat und Agens, sie hätten natürlich ihre eigenen Blogs und seien auf Twitter unterwegs. Ausführlich erwähnt sie dann das Forum „Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land“ und das Wiki WikiMANNia (die m.E. eher dem rechten Spektrum zuzurechnen sind). Aber auch in den Printmedien halte sich jede große Zeitung ihren Antifeministen, die sich dort unter dem Denkmantel der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt austoben dürften. Bei der FAZ sei dies Don Alphonso, eine Kunstfigur, bei der unklar ist, wer sich dahinter verbirgt, bei der Zeit Harald Martenstein, beim Spiegel Jan Fleischhauer und Matthias Matussek (ehemals Spiegel, jetzt bei der WELT). Alles alte weiße Männer, laut Strick. Was sie nicht sagt, ist, dass es sie offensichtlich in ihren Augen von vorneherein disqualifiziert, eine akzeptable Meinung in Geschlechterfragen abzugeben. Genau das ist aber deutlich zu spüren.

Kommen wir nun endlich zu der Gewalt, die von diesen Antifeministen ausgeht. Da ist zunächst die Rede von „Hate Speech“, andere Worte dafür sind „Cyber-Mobbing“ oder „Online Harassment“. Antifeministen beleidigen im Netz gerne Feministinnen, es gehe bis hin zu Vergewaltigungs- und auch Morddrohungen. An dieser Stelle hätte ich jetzt erwartet, dass sie einige Beispiele aus Twitter oder anderen Foren per Beamer auf die Leinwand hinter ihr wirft, aber da kam nichts.

Antifeministen hätten meistens keine Ahnung von Feminismus, es ginge ihnen aber auch gar nicht darum, Menschen zu überzeugen, sondern darum, eine Bedrohungslage zu erzeugen und Feministinnen zum Schweigen zu bringen. Es würden hämische Bemerkungen über das Aussehen der Opfer gemacht, anderen spekulierten über Geisteszustand und psychische Verfassung der Aktivistinnen. Auch hier wieder keine Beispiele.

Eine andere Taktik sei, zu versuchen, Feministinnen durch ständiges Fragen in nutzlose Diskussionen zu ziehen, um ihnen damit die Zeit zu stehlen. Manche gingen auch soweit, in Veranstaltungen wie diese zu kommen, sich in die Ecke zu setzen und mitzuschreiben. Ich fühlte mich ertappt, weil ich dem Moment ja genau das tat. Hinterher habe ich mich gefragt, ob ich in dem Moment nicht vielleicht mal freundlich winken sollte. Allerdings wollte ich die Veranstaltung noch zuende anhören und deshalb möglichst wenig auffallen, um dem „Awareness Team“ keine Gelegenheit zu geben, mich rauszuwerfen. Abgesehen davon war dies ja eine öffentliche Veranstaltung, cis-Männer waren erlaubt, also warum sollte ich da nicht auch journalistisch tätig werden. Im YouTube-Mitschnitt hat sie diesen Satz ja auch schon gebracht, als ob es etwas verwerfliches sei. Offensichtlich macht sie das also öfter in ihren Vorträgen, um das Publikum auf jeweils mitschreibende Männer aufmerksam zu machen. Ich habe mich gefragt, wer da eigentlich ein Bedrohungsszenario aufbaut. Ich habe mich in dem Moment unwohl gefühlt, schließlich war ich alleine in der Höhle des Löwen. Und das war wohl auch die Absicht von Strick.

Sie macht dann auch weiter mit dem, was Antifeministen alles schlimmes anstellen. Es gebe Anrufe und Emails bei Arbeitgebern, die Feministinnen als solche outen. Kein Beleg, der Schirm bleibt leer. Es habe sogar Bombendrohungen gegen Anita Sarkeesian gegeben, die (neutral ausgedrückt) im Rahmen der #gamergate bzw. Anti-#gamergate-Kampagne gegen stereotype Frauenbilder in Videospielen kritisiert hat. Kein Beleg, der Schirm bleibt leer. Antifeministen tobten sich natürlich auch mit maskulistischen Positionen auf Blogs von Feministinnen aus, so dass diese gezwungen seien, ständig Kommentare zu löschen bzw. die Kommentare zu filtern, wenn sie derartige Kommentare nicht auf ihren Blogs haben wollen. Tja, so ist eben das Internet. Wenn man missliebige Meinungen nicht auf dem eigenen Blog haben will, muss man eben filtern und löschen.

Ebenfalls ein Beispiel für eine antifeministische Aktion sei ein gezielter Aufruf gewesen, das aktuelle Buch von Anne Wiezorek auf Amazon schlecht zu bewerten. Mehrere Maskulisten hätten sich da „zusammengerottet“ und abgesprochen, die Bewertung des Buches zu beeinflussen. Merke: Feministen vernetzen sich, Maskulisten rotten sich zusammen. Speziell die Rezension von Arne Hoffmann sei ein Rundumschlag maskulistischer Propaganda. Über die Qualität der jeweiligen Rezensionen, positiv wie negativ, mag sich jeder selbst ein Urteil bilden. Jedenfalls gebe es ständige Bedrohungen im Internet über emails und in den sozialen Netzwerken, sie selbst bekomme täglich mehrere. Kein Beleg, der Schirm bleibt leer.

Diskussion

Die anschließende Diskussion war dann noch ein wenig spannender. Gleich eine der ersten Teilnehmerinnen fragte nach, warum Strick denn keine Beispiele für Hate Speech gezeigt habe. Strick meinte, zum einen mache sie sich dadurch eventuell rechtlich angreifbar, zum anderen würden eventuell TeilnehmerInnen durch solche Präsentationen getriggert. Aaaaah ja. Zum einen wüsste ich nicht, wie man sich rechtlich angreifbar macht, indem man öffentliche Tweets öffentlich macht. Allenfalls, indem man etwas als Vergewaltigungsdrohung hinstellt, was in Wirklichkeit gar keine ist. Und zum anderen könnte man Triggerwarnungen auch direkt kurz vor der entsprechenden Präsentation geben, damit die Zuhörer Gelegenheit bekommen, den Raum zu verlassen.

Strick meint dann noch, wenn man sich wirklich Hate Speech anschauen wolle, könne man ja mal die Seite hatr.org besuchen, wo solche Sachen gesammelt werden. Wenn man sich die Seite allerdings anschaut, ist dort seit über drei Monaten nichts mehr los. Also haben die „Maskus“ im Netz entweder das „Haten“ in der Zwischenzeit eingestellt, oder die Feministen sind etwas lasch geworden, was das Sammeln von Hate Speech angeht. Das meiste, was da zu finden ist, ist sowieso eher harmlos. Aber gerade deshalb lohnt es sich, die Seite zu besuchen, denn dadurch wird klar, was Feministinnen alles als Hate Speech betrachten. Es reicht da schon ein Hinweis darauf, dass Männer durch die Wehrpflicht benachteiligt werden oder eine geringere Lebenserwartung haben.

Alles in allem ist die Beleglage für sogenannten Hate Speech als mehr als mager. Behaupten kann man ja viel, wenn der Tag lang ist. Aber wer etwas behauptet, muss es auch belegen. Bei Strick ist es aber so, dass man das einfach glauben muss. Die anwesende feministische Gemeinde scheint allerdings sehr bereitwillig zu sein zu glauben.

Eine weitere Frau fragt, ob sie Erfahrungen damit gemacht habe, dass Hater-Drohungen wahrgemacht werden. Strick larviert herum, verweist auf „die Bedrohung ist auf jeden Fall da“, macht Überlegungspausen, kann aber nichts benennen – außer dass sie wieder auf Breivik rekurriert, der ja zunächst Manifeste veröffentlichte und dann Taten folgen ließ.

Bei dieser Gelegenheit sollte ich doch mal kurz klarstellen, dass ich es durchaus für möglich und wahrscheinlich halte, dass es entsprechende Drohungen gibt. Und dass Drohungen auch und gerade im politischen Diskurs absolut inakzeptabel sind und auch verfolgt werden sollten. Alleine diese Selbstverständlichkeit erwähnen zu müssen, ist eigentlich ein Unding. Ebenso halte ich abschätzige Kommentare über das Aussehen von Feministinnen für inakzeptabel, mindestens jedoch ganz miesen Stil. Und das gilt auch für sogenannte „psychologische Ferngutachen“ über den geistigen Gesundheitszustand von politischen Gegnern. Wenn man sich allerdings wie Strick zurecht darüber beschwert, dann sollte man nicht in dieselbe Kiste greifen und erst kurz vorher darüber schwadronieren, Männerrechtler seien abgehängte Loser, die stark verunsichert und in ihrem Männlichkeitsempfinden gestört seien.

Auftritt: Der böse Masku

Als nächstes ist ein Mann dran, der mir schon vorher aufgefallen war, weil er optisch nicht so ganz in die Szene gepasst hat. Seine Frage hätte ich auch gerne gestellt und sie lautete in etwa: „Wie beurteilst du gemäßigte Männerrechtler wie Arne Hoffmann, der das Buch geschrieben hat ‚Plädoyer für eine linke Männerpolitik‘, oder Blogs wie Alles Evolution mit feministischen Stammkommentatoren, wo auch gefragt wird: Was ist gut am Feminismus? Wo Equity-Feminismus anerkannt wird, z.B. auch Christina Hoff Sommers.
Du hast gesagt, es gibt nur zwei Hauptströmungen und hast beide in eine rechte Ecke geschoben. Das ist nicht mein Eindruck, wenn ich mir diese Blogs anschaue. Ich seh auch nirgendwo, dass Amokläufer wie Breivik verherrlicht werden.“

Darauf hätte ich auch gerne eine Antwort gehabt, allerdings schiebt er gleich eine zweite Frage nach: „Es gibt auch auf feministischer Seite Hate Speech bzw. deftige Kommentare, wie siehst du das? Als Beispiel: Michael Seemann (Journalist und Blogger, d.A.) hat in einem Tweet Männerrechtler als „Menschlicher Abschaum“ bezeichnet. Oder auch deine Twitter-Bio, auf der du mal geschrieben hast: „Not ALL men MUST DIE“ Muss man nicht auch das kritisieren?“

Obwohl er diese Fragen absolut ruhig und freundlich vorbrachte, ging da bei Strick der Vorhang runter. Ziemlich schmallippig entgegnete sie nur, sie wüsste schon, aus welcher Ecke das kommt, und darüber wolle sie nicht diskutieren. Dagegen sprang ihr daraufhin ein männlicher „Ally“ bei, der beteuerte, im Feminismus gehe es ja nicht nur um Frauen bzw. deren Benachteiligung und Opferstatus, sondern nur um Gleichberechtigung. Und im Feminismus ginge es gar nicht um Männerhass, sondern im Gegenteil setze dieser sich auch für Männer ein. Wer sich Maskulinist nennt (wie gesagt, tut auch keiner), wenn er Gleichberechtigung will, habe da was nicht verstanden. Ich weiß nicht genau, worauf er hinaus wollte, aber er meinte wohl, Maskulismus zum Erreichen von Gleichberechtigung sei ja wohl überflüssig, weil das der Feminismus gleich mit erledige. Ich wusste nicht so ganz, ob ich lachen oder weinen sollte. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob er denn ein Beispiel dafür nennen könnte, wo sich Feminismus mal für die Interessen von Männern eingesetzt habe, und nicht die Interessen von Frauen als oberstes Primat vorne an gestellt habe. Und was denn bitte falsch daran sei, wenn Männer ihre eigenen Interessen selbst definieren, ohne erst die feministischen Hohepriesterinnen fragen zu müssen, ob sie diese auch genehmigen.

Am Ende fragt dann noch eine Frau: „Ich kenn auch Feministinnen, die heftige Kommentare äußern, die sagen z.B. ’schwanzgesteuert‘ (entschuldigt sich beim Publikum für das Wort). Man sollte sich in den eigenen Reihen damit auseinandersetzen: Bin ich selber nicht auch sexistisch?“ Und dann an Strick gerichtet: „Wie gehst du mit deiner inneren Wut um?“ Diese antwortet: „Ich glaube, dass derbe oder ruppige Sprache erlaubt sein sollte.“ Aus der Wut heraus passiere sowas schon mal und so würde sie auch die erwähnte Aussage von Michael Seemann einordnen. Damit war dann auch die zweite Frage des vorhin abgebügelten Maskus beantwortet. Danke fürs Gespräch, Euer Ehren!

Es hängt also von der richtigen Gesinnung ab, ob eine etwas derbere Sprache als Hate Speech verdammt wird oder doch irgendwie ok geht. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht wissen. Ein klassischer Fall von feministischem Double Standard. Strick bestätigte mir nur eine These, die schon länger in mir gärt, nämlich dass diese ganze Privilegien- und Intersektionalitätstheorie, nach der die Gesellschaft in per se privilegierte und marginalisierte Gruppen aufgeteilt sei, zu nichts anderem dient, als die grundlegenste ethische Regel überhaupt auszuhebeln. Ich meine die Goldene Regel, oder auch „Was du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu“, auch verfeinert als Kantscher kategorischer Imperativ. Es geht darum, sich selbst Verhaltensweisen zuzugestehen, die man bei anderen nicht durchgehen lässt, einfach aus dem Grunde, weil man sich als unterdrückt und marginalisiert fühlt, sich damit im „Widerstand“ befindet, was einen zu fragwürdigem Verhalten legitimiert. Damit versucht man eine Art „Gegen-Privileg“ aufzubauen, das nur den „marginalisierten“ zusteht. Nominell Privilegierte dürfen sich dann natürlich nicht diskriminiert fühlen, wenn man sie auf gewisse Eigenschaften wie „alt“, „weiß“, „heterosexuell“ und „Mann“ reduziert, und ihnen aufgrunddessen Rechte entzieht, wie z.B. gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilzunehmen. M.E. führt das letzten Endes in die Legitimation von Selbstjustiz.

Eigentlich wollte ich noch die Frage stellen, wo Strick denn die Grenze ziehe zwischen Hate Speech und einer vernünftigen Diskussionskultur, oder anders gefragt, ob es für sie überhaupt maskulistische Positionen gebe, die diskussionswürdig seien, oder ob das Vertreten solcher Positionen für sie per se schon Hate Speech sei. Aber dann hatte ich doch keine Lust mehr dazu. Ich konnte mir die Antwort eh schon denken.

Epilog

Die Veranstaltung war zuende und im Auflösen begriffen. Ich verließ den Raum und wollte mich eigentlich noch ein wenig umschauen, mal den Büchertisch begutachten oder noch einen Kaffee trinken, vielleicht auch, mich mit dem einen oder der anderen unterhalten. Da wurde ich Zeuge davon, wie das „Awareness Team“, bestehend aus fünf Frauen, den freundlichen „Hater“ von vorhin mit den Worten „Hau ab!“ hinaus komplimentierte. Da ich nicht wusste, ob sie mich auch schon auf dem Kieker hatten, habe ich mich lieber auch gleich verdünnisiert. Und außerdem wollte ich den Mann zwecks „Zusammenrottung“ noch einholen. Er erzählte mir, dass man ihm bescheinigte, er sei da unerwünscht, und man wolle ihn da „nie mehr“ sehen. Auf die Frage, mit welcher Begründung man ihn denn rauswerfe, hätten sie geantwortet, das müssten sie nicht begründen. Auf die Entgegnung, er wolle ja sowieso grade gehen, aber da sei doch nichts dabei, wenigstens eine Begründung zu nennen, wäre keine Antwort mehr außer dem ruppigen „Hau ab!“ gekommen. So kann es einem gehen, wenn man auf einer queer-feministischen Veranstaltung für Toleranz die falsche Frage stellt.