Warum ich regulierte Popkultur für eine verlorene Sache halte

Zugegeben, ich habe es doppelt vermasselt: Zum einen schreibe ich diesen Text in letzter Minute, obwohl ich doch Themen genug gesammelt hatte, zum anderen will ich das Fundstück einfach nicht wiederfinden, auf dem er basiert. Vielleicht kann mir ja jemand in den Kommentaren helfen…

Vorgestern kam bei Genderama die Meldung, dass Comics mit gaaanz tollen Frauen (meine Formulierung) am Ende total langweilig sind. Ein Leser wies gestern noch darauf hin, dass Charaktere mit nur guten Eigenschaften auch als Mary Sue bezeichnet werden und verpönt sind. Das ist natürlich erst einmal nichts neues. Schon vor fast zwei Jahren schrieb eine Autorin, sie hasse starke weibliche Charaktere („I hate Strong Female Characters„).

Klar, wenn Frauen in der Popkultur nicht mehr schwach, böse, mittelmäßig oder Randfiguren sein dürfen, bleibt ja bald nur noch die Rolle der eindimensionalen Strahlefrau übrig, die keine Schwächen hat (und zu der man deswegen auch kaum eine emotionale Beziehung aufbauen kann – sie ist ja übermenschlich) und die in jedem Fall eine politische Botschaft zu verkünden hat, die über die Dimension der Geschichte hinausgeht (und dabei hervorragend jegliche Immersion zerstört). Da ist kein Platz mehr für Zwischentöne oder komplexe Charakterzeichnungen, also genau die Dinge, für die der Leser von heute doch angeblich bereit ist und die er so schätzt. Kurioserweise werden solche weiblichen Charaktere dann genau zu dem, was sie ja eigentlich nicht sein sollten: Zur Klischeerolle „die Frau“, bei der das Geschlecht schon die wesentliche Charakterisierung darstellt.

Und damit sind wir bei dem verlorenen Fundstück. Ich meine, es im Fahrwasser der Gamergate-Diskussion in dieser Blogblase als Kommentar gesehen zu haben. Es war ein Schwarzweiß-Comic, drei Teile. Der Kommentator meinte, er verfolge diese Endlosschleife seit ca. 20 Jahren in der Spieleindustrie. Sie geht in etwa so:

Phase 1: Ein Spiel nur mit männlichen Charakteren (Geschlecht auch unwichtig für Spielablauf), Kritik: keine Frauen!
Phase 2: Ein Spiel mit weiblichen Charakteren, Frauen sind nicht spielbar oder geschützt, Kritik: Frauen werden nicht ernst genommen – bevormundend!
Phase 3: Ein Spiel mit 100% gleichberechtigten Charakteren, Kritik: weiblichen Charakteren kann extreme Gewalt zustoßen – frauenfeindlich!
…Rückkehr zu Phase 1

Anhand dieser Abfolge kann man erkennen, dass man immer irgendetwas kritisieren und brandmarken kann, weil es keine perfekte Lösung gibt. Leider gehört es zur radikalfeministischen Theorie, dass es niemals ein abwägendes „So schlimm ist das doch nicht“ geben darf, wenn sich jemand wegen etwas nicht wohlfühlt. So dreht man sich entweder endlos im Kreis, oder am Ende kommt ein labbriger Einheitsbrei heraus, der zwar niemandem so richtig dolle schmeckt, aber dafür die Macher von dem Risiko befreit, dass er irgendjemandem auf den Magen schlagen könnte. Scheu davor, „mal etwas anders machen“, ist ja selbst nicht gerade ein völlig neuer Vorwurf gegenüber großen Produktionen der Popkultur…

Es wirkt hanebüchen, in was für ein enges Korsett sich die Verantwortlichen begeben, weil sie jeglichem Anecken aus dem Weg gehen. Was es für die anderen Beteiligten bedeuten kann, das musste der afrodeutsche Schauspieler und Comedian Marius Jung erleben (ab 13:54):

Endlich einmal hatte er eine große, interessante Rolle in Aussicht, nämlich einen fiesen Koksdealer, da wurde sie ihm verwehrt mit dem Hinweis, man habe Angst vor Rassismus-Vorwürfen. Marius Jung, das ist der Mann, der letztes Jahr allen Ernstes einen Negativ-Preis wegen Rassismus einheimste (Genderama berichtete mehrfach), was seinem damals frisch erschienen Buch „Singen können die alle – Handbuch für Negerfreunde“ aber gerechterweise die größere Aufmerksamkeit einbrachte, die es verdient hatte.

Kulturelle Erzeugnisse, die sich nur im Rahmen dessen bewegen, was gewohnt oder gerade in Mode ist, können weder Tabus brechen noch erfrischend anders sein. Sie können gerade nicht neue Themen ins allgemeine Bewusstsein bringen oder die Welt ein Stück moderner machen.

Mir ist der Aspekt „Man kann es nicht allen recht machen – manchen sogar nie“ sehr wichtig. Auf der anderen Seite ist es natürlich richtig, eingefahrene Muster in der Popkultur zu kritisieren, insbesondere wenn sie ihrerseits Erzählweisen verhindern. Dirk M. Jürgens vom Buddelfisch hat sich in seinem letzten Beitrag zu den ganzen Popkultur-Aufregern der letzten Zeit abwägend geäußert und sich nicht auf eine bestimmte Seite geschlagen. Ein schöner Ansatz, den ich gerne lese!

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Diesmal ein Lied, das schon „Game“ im Titel trägt und das auf einem Album namens „Gran Turismo“ erschienen ist.

The Cardigans: My Favourite Game