Gastartikel: Sohn einer Feministin

Es folgt ein Gastbeitrag von Philipp.

Frage: „Was ist der Unterschied zwischen einem Mann und einem Scheißhaufen?“
Antwort: „Es gibt keinen: Umso älter sie sind, umso leichter sind sie abzukratzen!“

Das ist ein brutaler Witz, nicht wahr? Solche Brutalität empfand ich gegenüber allen Männern, es war ein glühender Hass. Ich pflegte solche Witze zu erzählen, um damit zum Beispiel Blondinenwitze zu kontern, denn ich hasste es, in einem Patriarchat zu leben, in welchem schmierige Kerle mit sexistischen Witzen durchkamen. Dass ich selbst mit solchen Witzen durchkam in einer Gesellschaft, in der Männer Frauen unterdrückten, in der also alles stets den Interessen der Männer diente, fiel mir nicht weiter auf.

Diesen Ekel, diesen Hass gegen Männer empfand ich auf unbewusster Ebene wohl auch mir gegenüber. Meine Mutter hatte mal einen Freund. Ich mochte ihn, er war ein Typ, der mir Musik von CDs auf Musikkassette überspielte. So konnte ich ich, der ich keinen CD-Player hatte, meine Lieblingsmusik anhören. Lange blieb er nicht, auf einmal kam er nicht mehr zu Besuch. Als ich meine Mutter fragte, warum, sagte sie mir mit angewiderten Gesichtsausdruck, dass er mit ihr schlafen hatte wollen.

Die Lektion dahinter ist: Männer mit sexuellen Gefühlen sind etwas widerliches. Auch das hatte ich verinnerlicht. Ich schämte mich, wenn ich eine Frau sexy fand, wenn ich sie begehrte. Das war wohl auch der Grund, warum ich in meiner Jugendzeit ein – wie soll ich es nennen? – „Ausweichmanöver“ unternahm. Ich war schwul. Nein, eigentlich nicht und eigentlich doch. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, zu behaupten, ich sei schwul, und selber davon auch halb überzeugt war. Der Grund war: Der schwule Mann ist der bessere Mann. Er war kein Vergewaltiger, kein Kinderschänder, kein Gewalttäter, schwul sein war angesagt, schwul sein bedeute, dass man kein Verbrecher war.

Denn dass Männer Verbrecher waren, war auch eine Binsenweisheit, die ich fest verinnerlicht hatte. Diesen Hass gegen Männer hatte ich auch vom Patriarchat selbst gelernt, denn überall im Patriarchat hört man ja die Story vom Mann als Täter und der Frau als Opfer. Mein Feindbild Mann war bereits in früher Kindheit ausgeprägt. Meine Tante erzählte mir dazu mal eine Anekdote. So habe sie mir mal geantwortet, dass es auch gute Männer gebe, zum Beispiel Einstein. „Nein“ entgegnete ich, Einstein hatte die Atombombe erfunden, war also ein ganz besonders schlimmes Exemplar eines Mannes. Männer waren schuldig, immer und überall. Sie waren auch dann schuldig, wenn es Frauen waren, die schuldig wurden. So erinnere ich mich, wie ich mir einmal gemeinsam mit meiner Mutter eine Dokumentation über Mädchenbeschneidung in Afrika ansah. Als zu sehen war, wie mehrere Frauen ein schreiendes Mädchen fixierten, drehte sich meine Mutter zu mir um und sagte mit vor Hass triefender Stimme: „Männer sind solche Schweine“. Auch das übernahm ich ohne Widerspruch. Wenn Frauen ein Verbrechen begehen, zum Beispiel ein Mädchen foltern oder als KZ-Aufseherinnen arbeiten, dann sind daran Männer schuld. In einem Patriarchat können Frauen gar nicht anders. Sie werden dazu gezwungen, sie müssen so handeln um ihr eigenes Überleben zu sichern. Dieses Muster hat Margarete Mitscherlich vortrefflich ausgearbeitet: Die ganzen Frauen, die dem Naziregime zugearbeitet haben, waren unschuldig, so wie Frauen an sich unschuldig sind. Es ist eine in sich geschlossene Logik, aus der man nicht rauskann.

Vor einiger Zeit las ich mal einen Artikel, in der Männer gleich in der Überschrift als „Alte Säcke“ bezeichnet wurden. Auch das ist brutal wie der Witz, der sich am Tod von Männern erfreut und diese mit Kot gleichsetzt. Was wohl nie passieren wird, ist, dass eine Zeitung ältere Frauen als „Schamlappen“ oder „-lumpen“ niedermacht. So geht man mit Frauen nicht um im Patriarchat.

26 Kommentare zu „Gastartikel: Sohn einer Feministin“

  1. Oh, dazu könnte/müsste man Bücher schreiben.
    Wie Feministinnen mir meine Kndheit und Jugend zerstörten und mein halbes Leben zum Alptraum werden liessen.
    Diese vielen 1000 KLeinigkeiten, von denen man erst später merkt wie sehr man da ferngesteuert in einem Schuldkomplex gehalten wurde.
    Diese Grundhaltung die mt jedem Wort jedem Satz, jedem darstellenden Akt transportiert wurde: Frau= heiliges unschuldiges Wesen, Mann= schlecht, wertlos, gewalttätig, übergriffig, unsensibel, unerwünscht, abstossend.

    Meine Mutter hatte so eine abfällige, spöttische Art, mit allem männlichen umzugehen, während sie Frauen grundsätzlich zu allem besser befähigt sah.

    1. Und? Willst du jetzt Mitleid dafür? Leute wie so sind an der ganzen Scheiße schuld. Es ist immer das gleiche buhu, meine Eltern waren rechts/links/religiös/haben mich nicht auf den Arm genommen…
      Mann sein bedeutet Nachdenken und danach handeln, DAS ist der Unterschied von Männern zu Frauen und es bedeutet Verantwortung zu übernehmen und die nicht an irgendwen abzugeben.

      1. @PuS

        Auch ein Mann kann sich darüber ärgern und traurig sein, wenn er in der Retrospektive feststellt, dass ein Teil seines Lebens seine eigene Entwicklung blockierte bzw. verhinderte und „Kindheit und Jugend“ ist lebensgeschichtlich eine lange Zeit. Ganz abgesehen davon, dass es schön gewesen wäre, diese (stereotypisch) „unbeschwert“ erlebt zu haben.

        Was du hier übergehst ist, woher hätte er denn wissen sollen, was „Mann sein bedeutet“, wenn er als Kind und Jugendlicher indoktriniert worden ist, jede Form von Männlichkeit für abscheulich zu halten und *an sich selbst* abzulehnen?!

        Das Ziel der Indoktrination ist die Kultivierung von Selbsthass – alle (männlichen) Mittel, um seine individuelle Handlungsfähigkeit zu steigern, wurden ihm praktisch enteignet.
        Wärst du also in diesem Zeitraum an ihn herangetreten mit deinen Anforderungen an ihn als Jungen/Mann, hätte er sich mit *den weiblichen identifiziert*.

      2. @crumar
        Es geht nicht darum was er als Kleinkind gemacht hat, es geht darum, dass er heute die Verantwortung für sein Verhalten übernimmt und es nicht damit begründet, dass seine Mutter ihn indoktriniert hat weil sie nicht mit einem Mann ins Bett wollte.
        Ich übernehme auch Verantwortung für die Sachen zu denen ich verführt wurde und auch wenn ich getäuscht wurde bin am Ende nur ICH für das was ich tue verantwortlich. Genau das nennt man männliche Verantwortung. So wie ich diesen Text lese, hat er diesen Punkt immer noch nicht erreicht. Diese Abgabe von Verantwortung zählt seit 1945 nicht mehr. JEDER hat sich seinen Taten zu stellen.

      3. @PuS

        Lass uns erst den Punkt klären, wo wir einer Meinung sind; aus bestimmtem Grund:
        „Ich übernehme auch Verantwortung für die Sachen zu denen ich verführt wurde und auch wenn ich getäuscht wurde bin am Ende nur ICH für das was ich tue verantwortlich. Genau das nennt man männliche Verantwortung.“

        Männliche Verantwortung zu übernehmen kann man m.E. von Männern verlangen.
        Jungen sind in erster Linie *Kinder* und keine kleinen Männer.
        Wenn meine Freundin schmollend drohte, mich mit Liebesentzug zu bestrafen konnte ich das komisch finden, für einen Jungen ist der Liebesentzug seiner Mutter tatsächlich bedrohlich, existenziell verunsichernd und verletzend.

        Richtig ist, man kann als erwachsener Mann solche Gefühle eines Kindes reflektieren und sich anschauen, welche (nachhaltigen) Auswirkungen diese auf das eigene Leben hatten und haben.
        Daraus Schlüsse für sein Verhalten ziehen und dieses ändern.
        Es macht aber lebensgeschichtlich die Erfahrung von Verunsicherung, Bedrohung und Verletzung nicht ungeschehen und vor allen Dingen hat man diese *erlitten* und nicht *verursacht*.
        Um auf das Thema Verantwortung zurück zu kommen: Die erwachsenen Verursacher sind für ihre Taten verantwortlich, nicht das Kind, das die Folgen tragen muss.

        Mein Problem mit deiner Darstellung beruht darauf, dass ich nicht glaube, eine Handlungsfähigkeit als Mann stellt sich darüber ein, dieses Leid zu ignorieren, bzw. beiseite zu schieben.
        Aber ich gebe dir insofern recht, es sollte nicht bei der Beschäftigung mit diesen Leiderfahrungen *bleiben*.

      4. @PuS ja, das is schön mit den Männern die Verantwortung übernehmen und nich rumjammern, hab genug von denen gesehen in der Psychiatrie, gestandene Männer deren Leben plötzlich zusammenfällt wie ein Kartenhaus weil sie nicht mehr klarkommen .. und frag nicht bei wie vielen dann rauskommt das die Kindheit doch nicht ganz so toll war, ich behaupte mal das sind 70-80%

        Aus dem Loch must du erst mal rauskommen .. glaubs mir, das is kein Kindergeburtstag. „meine Eltern haben mich nicht auf den Arm genommen …“ haha, ja, genau sowas. Und wenn du mal gesehen hasst wie so ein ausgewachsenes Mannsbild so fertig und runter ist das er nur noch am Zittern und Rotz und Wasser heulen ist, das er mit Tavor runtergefahren werden muss (das ist nicht nur ne bessere Schlaftablette wie Valium), dann bist du froh das in deinem Oberstübchen alles seinen Platz hat.

        Ein (jetzt guter) Freund von mir hat das mal schön formuliert, er meinte „Wenn du irgendwo liegst, offener Bruch, schaut der Knochen schön raus und das Blut sprudelt, da gibt es niemand dem nicht sofort klar ist, dem Mann muss geholfen werden, da muss sofort ein Arzt drauf schauen … aber wenn deine Seele kaputt ist, das sieht keiner. Da kommt höchstens ‚Soll sich nicht so anstellen, der Kerl'“

      5. @Graublau
        Danke. Ich geh bei dem Thema immer ein bisschen steil, denn diese „stell dich nicht so an“ Einstellung (oder Erzählmirnix‘ „der will doch bloß jammern“) trifft man sehr sehr häufig, ich nehme das den Leuten aber nicht mehr übel weil es eben (für einen Gesunden) sehr sehr schwer vorstellbar ist, wie sich so eine Depression anfühlt. Das sieht natürlich aus wie ein willensschwaches, verzärteltes Weichei mit asozialen Tendenzen, das nichts gebacken kriegt. Hab mich ja selbst lange Zeit so gefühlt. Ich hab Jahre gebraucht um zu begreifen das ich krank bin.
        Einer aus meiner Therapiegruppe ist aus dem Fenster gesprungen, weil er’s nicht mehr ausgehalten hat (übrigens typisch männliches Verhalten, Frauen nehmen eher Tabletten, bei Männern ist die Aggression, die sich dann gegen einen selbst richtet, viel viel höher), Kommentar meiner damaligen Freundin: „Ach, der will doch blos Aufmerksamkeit!“. Na, überlebt hat er’s, und Aufmerksamkeit (inbesondere von Krankenschwestern) hat er jetzt genug. Laufen wird er nie wieder …

      6. @Andreas:

        Ich geh bei dem Thema immer ein bisschen steil, denn diese „stell dich nicht so an“ Einstellung (oder Erzählmirnix‘ „der will doch bloß jammern“) trifft man sehr sehr häufig

        Das geht mir ähnlich. Umso wichtiger, aufzuklären. Es hat seinen Grund, warum Depressionen mehrfach Thema hier im Blog waren.

      7. Da würde ich jetzt gerne vin Ihnen wissen, mit welcher Passage meines Textes ich Mitleidsheischend aud Sie wirkte. Oder muss ich Ihre Einblassung dahingehend versehen, dass ich nicht darüber reden darf, was mir als Kind passiert ist? Deligitimiert mich kindliche Erfahrung und das Verarbeiten dieser des Diskurses? Was wären die Voraussetzungen dafür, dass ich übe meine Erfgahrungen reden darf?
        Können Sie evtl ein Tegelwerk verweisen, evl soetwas wie einen Betroffenenknigge? Oder sind Betroffene generell des Diskurses enthoben? Wenn ja, was bedeutet das für die Opfer des Holocaustes und dessen Offensichtlichkeit?
        Ich bin sehr sehr gespannt auf Ihe Antworten.

  2. „Was ist der Unterschied zwischen einem Mann und einem Scheißhaufen?“
    Seufz – Jahrzehnte des Feminismus und mitm Humor klappts immer noch nicht.

    Als „Konter“ auf Blondinenwitze kenne ich (von meinem Vater..) folgenden:
    „Warum hat eine Blondine blaue Flecken am Bauchnabel?“
    „Es gibt auch blonde Jungs“

    Danke für die Schilderung; Was war für Dich der Kern um Deine gelernten Einstellungen zu hinterfragen?

    1. Der Beitrag schildert anschaulich und episodenhaft, wie es manchen indoktrinierten Jungs und männlichen Jugendlichen ergeht bzw. ergangen ist. Doch hätte ich mir einen Teil gewünscht, in dem der Prozess des Gesinnungswandels beschrieben wird.

  3. Mich würde interessieren, ab wann deine Kritik eingesetzt hat. Du bist ja sicherlich nicht nur mit Feministinnen in Kontakt gekommen. Du schreibst aber von keinerlei Konflikten, so als hättest du die Ansichten deiner Mutter zu 100% übernommen.

    Forschungen zeigen ja, dass der Einfluss der Peer-Group größer ist als der der Eltern. Gab es bei dir keinen Einfluss durch Gleichaltrige?

  4. ohne männliche Vorbilder werden junge Männer in diese Ecke gedrängt. Dieser Autor ist vielleicht ein krasses Beispiel, aber wenigstens scheint er entkommen zu sein und muss nun nicht mehr schwul spielen, um eine männerhassende Person zufriedenzustellen. Wirklich ein krasses Beispiel.

  5. > Oh, dazu könnte/müsste man Bücher schreiben.

    Dann schreib doch eins!

    Mir war das auch leider ach viel zu kurz. Spannend war es, so spannend, daß ich mir den Artikel teilweise abgespeichert habe. Aber als ich wütend wurde, da war der Artikel auch schon zu Ende.

    Ich hätte ihn auch noch ein wenig besser strukturiert, Absätze und Überschriften. Meine Überschrift zum letzten Absatz etwa lautet: „Scheißhaufen und Alte Säcke.“

    Kennst Du Katja Leyrer? Die hat ein Buch geschrieben über Erziehung: „Hilfe! Mein Sohn wird ein Macker“. In einer Emma hat sie 1986 einen Artikel geschrieben. Bei wgvdl (nicht im Forum, sondern auf der Hauptseite) ist das gesichert.
    http://www.wgvdl.com/traumtoechter

    Es beginnt mit etwa 9 Absätzen Feministengewäsch und dann beschreibt sie ihre erfolgreiche Erziehung. Erst jubelt sie darüber, dass ihre Tochter eine „Traumtochter“ geworden ist. Dann beschreibt sie die schwierige Erziehung ihres Sohnes zum verunsichterten Kind und zum Bettnässer. Sie beschreibt das als erfolgreiche Eriehung, denn: Er wurde kein Macker. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Ich befürchte das Schlimmste.

    Herzlichen Glückwunsch an Dich, dass Du Dich befreien konntest und alles Gute!

    Bei wikiMANNia gibt es einen Artikel zur bösen Katja, allerdings unter ihrem Klarnamen.
    http://de.wikimannia.org/Maria_Magdalena_Rousseau

    1. Ich habe ihn gerade per E-Mail auf den starke Zuspruch und die Fragen hingewiesen. Ich hoffe ebenfalls, da kommt noch mehr. Es freut mich, dass gerade so eine persönliche Schilderung so starke Reaktionen auslöst.

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