Kurznachrichten vom 14.01.2016

1: Ein paar neue Links zum Thema Kölner Silvester und der Kampagne #ausnahmslos. Auch wenn Arne Hoffmann auf Genderama diese schon verlinkt hat, will ich trotzdem darauf hinweisen. Ganz besonders hervorragend ist der Beitrag von Thierry Chervel beim Perlentaucher, der die Kampagne #ausnahmslos gekonnt analysiert und auseinander nimmt.

Zwar konzedieren die Autorinnen (irgendeine von ihnen wird darauf beharrt haben), dass „soziokulturelle und weltanschauliche Ursachen von Gewalt“ benannt werden sollen – aber diese Formulierung steht wie eine Insel im Meer der Ablehnung genau dieser Forderung.

Der Rest des Textes will die Identität der Täter verunklaren, weil „sexualisierte Gewalt nicht ‚islamisiert‘ werden darf“ und weil „reißerische und stigmatisierende Deutungen“ zu unterbleiben haben. Man soll das Offensichtliche – es waren zumeist nordafrikanische oder arabische Männer, und sie haben sich in eine Weise zusammengerottet, wie man es hierzulande nicht einmal vom Oktoberfest kennt – nicht mehr benennen können.

asemann.de hat sich gleich mit zwei guten Beiträgen hintereinander damit beschäftigt. Bei der FAZ kommentiert Ursula Scheer:

Sie nimmt die massenweisen Attacken, die – so verstörend der Tatbestand ist, man kommt an ihm nicht vorbei – ganz überwiegend Migranten aus dem islamischen Kulturkreis auf Frauen verübt haben, zum Anlass, diskursiv quasi in Sekundenschnelle vom Konkreten auf das Allgemeine umzuschwenken: sexualisierte Gewalt in Deutschland insgesamt. Das aber ist argumentativ eine Fluchtbewegung weg von dem bisher nicht Dagewesenen auf vertrautes Terrain, wo eingeschliffene feministische Narrative entfaltet werden können. […]

„Emma“ lässt auch den Deutsch-Syrer Alexander Hawa zu Wort kommen, dessen Tochter von arabischen Männern überfallen wurde. In einem offenen Brief an Migranten beschreibt er in einfachen Worten die Grundlage des Zusammenlebens in Deutschland: Respekt, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit. Er formuliert Forderungen an Männer, die aus anderen Kulturkreisen ins Land kommen. Er geht damit viel offensiver vor als die Feministinnen von „#ausnahmslos“. Er ist kein Feminist. Er ist Demokrat. Das genügt.

2: Selbst von linker Seite (auf linksunten.indymedia.org) wird die Relativierung durch Verallgemeinerung von feministischer Seite mit zwei Artikeln kritisiert. Zitate:

„Die Empörung und Beschuldigung der betroffenen Frauen und ihr Anzeigeverhalten sind nur so groß, weil sie arabisch aussehende Menschen beschuldigen.“ Das finde ich schon schockierend unsolidarisch. Ich möchte gar nicht ausschließen, dass es im Einzelfall stimmt. Klar, es gibt Rassismus und das wirkt sich auch aufs Anzeigeverhalten aus. Trotzdem finde ich es sehr zynisch, einer Frau, die gerade sexuelle Gewalt erlebt hat, vorzuwerfen, dass es sie bei einem Deutschen nicht gestört hätte oder sie zumindest ihn nicht angezeigt hätte. Das hat mit Feminismus nichts zu tun.

Wenn also noch nicht einmal die Widersprüche in der eigenen Szene-Politik aufgelöst und auf den Grundkonflikt eingegangen werden kann, um hier eine sinnvolle Antwort zu finden, dann ist das Schweigen oder Verklären einer komplexeren Gemengelage wie zur Zeit in Köln durch die Linke kein Wunder.

Bei der Auseinandersetzung um die Geschehnisse in Köln konzentrieren sich die linken Debattenbeiträge demnach wenig überraschend auf die Relativierung der Dimension der Übergriffe, etwa mit dem Verweis auf das Oktoberfest. Das zweiwöchtige Oktoberfest mit zwanzig Anzeigen zu sexualisierter Gewalt bei 6 Millionen Teilnehmern ist nicht dieselbe Qualität, wie über 150 Anzeigen auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz in der Silvesternacht. Das gilt auch für die Dunkelziffern. Besonders erschreckend ist jedoch das weitestgehende Ausbleiben feministischer Forderungen, wie sie zu erwarten wären, wenn es sich bei der betreffenden Gruppe betrunkener, übergriffiger Männer um zweifelsfrei „Biodeutsche“ gehandelt hätte.

3: Henryk M. Broder vergreift sich etwas im Ton, als er zwei Autorinnen vom Tagesspiegel wünscht, „dass sie vom IS nach Rakka eingeladen werden, um zu erfahren, was Rape Culture bedeutet.“ Allerdings kann ich die Wut verstehen, denn der von ihm kritisierte Artikel hat es durchaus in sich. Über die belästigten Frauen vom Domplatz:

Womöglich sind aber auch Frauen dabei, die gar nicht Opfer geworden sind, sondern aus politischer Überzeugung der Meinung waren, dass die Täter mit Migrationshintergrund oder die Flüchtlinge, die das Chaos auf der Domplatte für sexuelle Übergriffe ausgenutzt haben, abgeschoben gehören. Das hoffen sie womöglich mit einer Anzeige zu beschleunigen.

Womöglich. Ja das ist so, möglich ist alles, z.B. auch, dass die beiden Autorinnen reif für die Klapse sind. Broder meint dazu:

Diese Sätze, geschrieben von zwei Frauen, waren das Ekelhafteste, Mieseste, Widerlichste, was über die große Sause in Köln geschrieben wurde. Eine angedeutete Täter-Opfer-Umkehr.

Ich kann ihm nur beipflichten. Das dürfte das erste Mal sein, dass den Opfern von Köln von anderen Frauen Rassismus vorgeworfen wurde.

Den Tätern werden dagegen jedwede mildernde Umstände zugebilligt, so dass man den Autorinnen fast Maskulismus vorwerfen könnte:

Die organisierten Trickdieb-Banden, die offenbar schon lange zum Kölner Hauptbahnhof gehören, bestehen wohl überwiegend aus Nordafrikanern, die schon länger in Deutschland sind – aber offenkundig nicht angekommen sind. Eine echte Perspektive sehen sie für sich nicht, sonst wären sie wohl nicht zu professionellen Dieben geworden. […] In Köln zu Silvester sei auf dem Dom-Vorplatz eine Art „Freistil-Situation“ entstanden, in der die Grenzen zwischen diesen verschiedenen Lebensstilen ausgetestet worden seien. Dort hatten sich diejenigen versammelt, die sich eine besser organisierte Party in einer Kneipe, einem Club nicht leisten konnten, also vor allem junge Männer mit wenig Geld, und die womöglich auch keine Freunde haben, die sie zu einer privaten Party hätten einladen können. „Die wussten nicht, wohin sie sonst hätten gehen können. Und Bahnhofsvorplätze sind seit jeher die Orte, an denen ,Fremde’ zusammenkommen.“ […] Hier sei eine größere Gruppe junger Männer „in ein Niemandsland“ abgedrängt worden. „Es fehlte die zivilgesellschaftliche Mischung, die diese Dynamik hätte verhindern können.“

Dass sie es doch mal wieder nur gut mit migrantischen Männern meinen und nicht mit einheimischen, zeigen sie recht deutlich. Sie faseln davon…

Dass sie die Urangst des älteren weißen Mannes – die nehmen uns unsere Frauen weg – auf der Domplatte in der Silvesternacht ausagiert haben, war die größtmögliche Provokation einer Gesellschaft, die sie nicht aufnehmen will. […] Aber der Verlauf der Nacht hat genau die Urängste vor potenten, jungen, fremden, „wilden“ Männern geweckt, die nun im Mittelpunkt der Diskussion stehen.

Wenn man als Mann sexuelle Übergriffe missbilligt, kann das ja nur daran liegen.

4: Und dann gibt es noch einen erfrischenden Artikel auf der Welt „Frauen dürfen keinen Millimeter Freiheit abgeben“ von Inga Griese. Sie schreibt:

Also: Ich sag jetzt mal was zum arabischen, orientalischen, maghrebinischen – oder wie auch immer das politisch korrekt formuliert sein soll – Frauenbild. Und ich sage es am besten gleich: Ich will das nicht mehr. Ich will es nicht in meinem Europa. Und ich will mich nicht dafür entschuldigen müssen, dass ich es nicht will.

Uiuiui, bin ich jetzt mutig. Soll ich jetzt nicht doch besser hinterherschieben, dass ich nichts gegen Flüchtlinge und nichts gegen den Islam im Allgemeinen habe? […]

Auch das will ich nicht. Es ist zu abgedroschen. Und so wenig zielführend, wie zum Beispiel der Versuch von Politikerinnen wie Hannelore Kraft und Renate Künast in der Sendung „Hart aber fair“, die Kölner Vorkommnisse direkt in der großen Watte „sexuelle Gewalt im Allgemeinen“ zu versenken. […]

Wir sollten besser ruhig und ehrlich über religiös begründete Frauenfeindlichkeit sprechen und ihr mit aller Vehemenz entgegentreten. Ein altes Thema. Jetzt ist die Zeit, es selbstbewusst anzugehen, nicht in Bierzelte oder zu den Brüderles abzuschweifen, sondern dranzubleiben. Bedrückend genug, dass mehr oder weniger selbst ernannte neue Feministinnen das nicht vermögen.

5: Zur Kür des Wortes „Gutmensch“ zum „Unwort des Jahres“, gibt es einige kritische Kommentare, z.B. von Hugo Müller-Vogg, auf Sciencefiles.org und Schindluder und die Stuttgarter Nachrichten.

6: Auf der trotzkistischen Seite „Klasse gegen Klasse“ findet sich unter dem Titel „Bin ich Sexist oder was?“ Ja, bist du. 10 Tipps für linke Männer. eine Anleitung zur Selbstumwandlung in einen feministisch angepassten Mann aka kastrierten Wicht. Der gerät auch unfreiwillig komisch:

Beim Kongress eines reformistischen Jugendverbandes gab es ein Frauentreffen: Hier konnten weibliche Mitglieder unter sich diskutieren. Eine tolle, feministische Sache! Was haben die Männer währenddessen gemacht? Saßen in der Kneipe und tranken Bier. Nicht so toll. […]

Während eines Frauentreffens können Männer unter sich über Sexismus reflektieren – solche Diskussionen sind oft ergiebiger, als man erwarten würde. Alternativ können sich Männer in der Zeit mit Reproduktionsarbeit beschäftigen.

Fragt sich nur, wie die Männer in der freien Zeit das mit der „Reproduktionsarbeit“ auslegen.

Wenn das alles nötig ist, um kein Sexist zu sein, was Genossin Tabea Winter da so schreibt, dann bleib ich lieber Sexist.