Fundstücke: Osterhöschen

Den Hauptartikel hat Lion dankenswerterweise gestern schon geliefert. („ARD – Ansichten rassiger Damen-Popos“ – herrliche, dieses MAD-Zitat im Titel!) Ein paar Anmerkungen und eine Auswahl der schönsten Kommentare wollte ich aber noch bringen.

Das war abzusehen

Genderama zitierte, dass es angeblich kürzlich aufgrund einer lächelnden Frau (!) eine Beschwerde wegen sexistischer Werbung gab. Dazu läßt sich ganz abgeklärt sagen: Hier würde nur Realität, was doch schon vor Jahren angekündigt wurde: Denn sexistisch ist eine Werbung ja schon durch grundlos lächeln und glücklich sein – bei Frauen, wohlgemerkt! Denn bei der Sexismusbekämpfung müssen die Geschlechter unterschiedlich behandelt werden.

Ich erwarte, dass der neu eingesetzte Feministische Wächterrat ungetrübt durch gesunden Menschenverstand oder Toleranz seine abstrusen Maßstäbe umsetzt. Christian Schmidt beurteilte die Einsetzung von Stevie Schmiedel so:

Schmiedel ist die vollkommen falsche für ein solches Monitoring, weil ihr dafür die notwendige Distanz fehlt. Sie wäre, wenn sie die Überzeugungen vertritt, mit denen Pinkstinks wirbt, eine Extremistin, die die Darstellung von Geschlechterrollen verbieten will, bei der man also keine Hausfrau Wäsche waschen sehen dürfte ohne einen Wettbewerbsverstoß (!) zu begehen. Ich habe jedenfalls nicht gesehen, dass sie sich von diesem Plänen des Vereins, dessen Vorstand sie ist, distanziert.

Jemand, in dessen Welt die Wäsche waschende Ehefrau bereits Sexismus ist, der einen Wettbewerbsverstoß darstellt (statt einem Ansprechen des typischen Kunden) ist nicht geeignet, eine solche Überwachung durchzuführen.

Es steht dem Staat nämlich gar nicht zu, sich auf diese Weise in die Lebensweise der Menschen einzumischen und die von ihnen durchgeführte Arbeitsteilung als sexistisch abzuwerten, unabhängig davon, ob sie einem passt oder nicht.

Dass Schwesig Personen mit solch radikalen Ansichten zu Wächtern macht ist bedenklich.

Verschieben der Maßstäbe

Und es soll keiner glauben, dass in den Augen dieser Fanatiker noch irgendeine Werbung mit leichtbekleideten Frauen harmlos oder angemessen wäre. Die Maßstäbe werden immer weiter verschoben und dabei gegen „das jeweils schlimmste“ gerichtet, was noch übriggeblieben ist, was inzwischen glückliche, gutaussehende schlanke Frauen sind.

Erinnern wir uns an eine geplante Plakataktion von Pinkstinks (bei Alles Evolution gezeigt): Danach wäre die Reaktion auf eine BH-Werbung „sexy yes“ und die Bewertung „Manche Frauen lieben es, Dessous zu tragen“ – d.h., so eine Werbung wäre nach Pinkstinks 2016 ok.

Im Blog Scheidende Geister wird darauf hingewiesen, dass im Fall des „Osterhöschen“-Fotos ein Bezug zum Produkt eindeutig vorhanden ist:

Der Unterwäschehersteller Palmers postet ein Bild mit Frauen in Unterwäsche. Das ist für einen Unterwäschehersteller keine ungewöhnliche Sache.

Auch Frauen in Unterwäsche zu zeigen, wenn man Werbung für Frauenunterwäsche macht, wird jedoch, wie ebenfalls bei Genderama berichtet, vom Österreichischen Werberat als „herabwürdigend“ und „sexualisierend“ kritisiert. Mir fehlt nur noch eine Reaktion von Pinkstinks selbst, die ins selbe Horn stößt.

Best of Kommentare

Bei Alles Evolution kritisieren die Leser statt Sexismus vielmehr, dass die Frauen zu offensichtlich aus Photoshopistan kommen. In mehreren Artikeln und Kommentaren wird außerdem das „body shaming“ gegenüber schlanken, schönen Menschen kritisiert:

Nadja Hermann alias Erzählmirnix:

Wenn man schlanke Frauen „abgemagert“, „verhungert“ oder kindlich nennt, ist das eine Beleidigung, nicht mehr und nicht weniger.

Alice (bei Alles Evolution):

Was mir immer zu diesem Kindervergleichen einfällt, sei es bei „zu dünn“ oder „zu rasiert“ oder was auch immer … Wenn das reichen würde um wie ein Kind auszusehen, dann hätten wir die Lösung für Pädophile gefunden.

Miria weist darauf hin, dass das body shaming von Frauen kommt:

Warum haben Frauen es nötig, so auf anderen herumzuhacken?
Wie unzufrieden muss man eigentlich mit sich selbst sein, um die Körper anderer Frauen mit solchen sexistischen, beleidigenden Begriffen zu beschreiben?

Christian Schmidt mit einer äußerst vernünftigen Erklärung (bei Fettlogik überwinden):

Es geht eben nicht darum, was tatsächlich gesund oder besser wäre, es geht darum, sich in intrasexueller Konkurrenz aufzustellen.
Den Leuten ist bewußt, dass die Damen auf den Bildern klasse aussehen. Also bleibt nur der Gesundheitsaspekt um sich zu rechtfertigen: Die sind ein schlechtes Vorbild, treiben Kinder in den Magerwahn, Frauen werden zu Objekten gemacht etc.

Assoziation als Maßstab? Da geht noch einiges!

Mehrere Kommentatoren nehmen nehmen die Begründung, das Foto sei allein schon aufgrund einer Assoziation, welche eine (in Zahlen: 1) Person beim Betrachten habe, zu verdammen, ins Visier bzw. aufs Korn:

Dirk M. Jürgens (DMJ) bei Alles Evolution:

Dass „Ich habe beim Betrachten an etwas völlig anderes gedacht, also ist das schlimm!“ jetzt schon als Argument gilt, ist aber ein weiterer Tiefpunkt. Wenn sich jemand beim Anblick der Beklagenden an seine eigene, ihn misshandelnde Mutter erinnert fühlt, bringt das dann sie in die moralische Pflicht, ihr Aussehen zu verändern?

Nick (bei Alles Evolution):

Also wenn ich das Bild sehe denke ich, dass die Frauen gerade einen Mann in ein verfallenes Haus in einer gottverlassenen Gegend honeygetrappt und umgebracht haben. Nun überlegen sie, wie sie am besten die Leiche beseitigen! Ich habe mal zu Agentinnen recherchiert und kenne solche Bilder! Ich weiß, wovon ich spreche, und ihr nicht!

aranxo bei Fettlogik überwinden:

Ein analoges Beispiel zur Verdeutlichung. Ich bin manchmal etwas schräg drauf und deswegen fällt mir bei der Floskel „Grenzen überwinden“ folgendes Bild ein:

(gezeigt werden Wehrmachtssoldaten, die 1939 den Schlagbaum an der polnischen Grenze niederreißen)

Wenn ich jetzt argumentieren würde wie Milborn, würde ich die Floskel „Grenzen überwinden“ als imperialistisch brandmarken, weil ich eben mit meinen Erfahrungen auf diese Assoziation gekommen bin. Und deswegen haben gefälligst alle anderen „Grenzen überwinden“ ebenfalls als imperialistisch zu sehen und gefälligt nie wieder zu verwenden.

Und was das andere angeht: Islamisten produzieren Bilder. Wir produzieren Bilder, die ähnlich aussehen, aber einen komplett anderen Bedeutungsinhalt haben. Wenn wir uns es jetzt versagen, ähnliche Bilder trotz komplett anderen Bedeutungsinhalts zu machen, nur weil der IS ähnliches macht, dann überlassen wir ihm die Handlungsmacht und richten uns nach dem aus, was der IS treibt. D.h. wir sind nicht mehr Herr unserer eigenen Bilder, sondern vom IS abhängig. Und damit lassen wir uns seine Agenda aufdrücken. Was genau war daran nicht zu verstehen?

xyz bei Fettlogik überwinden, an eine Kommentatorin gerichtet:

Was sagen Sie denn zu denen, die Bilder von Moslems sehen und sagen: „Das erinnert mich an meine Recherchen von „menschenverachtenden Terroristen“?

Aber leben Sie gerne weiter in ihrer verbitterten feministisch verseuchten Moralapostel-Gedankenwelt, weil Sie keinen Spaß an den Dingen empfinden können, an denen andere Menschen Spaß haben. Und es gibt halt Frauen, die Spaß an ihrer Figur, ihrer Freizügigkeit und dem Spiel ihrer Reize haben, was in der Natur bei einem Lebewesen, was sich über Sex fortpflanzt auch nicht unnatürlich erscheint.

Und tut mir leid, aber wenn ich Feministinnen sehe oder höre, dann habe ich gewöhnlich aufgrund meiner Recherchen das Bild von asozialen rosinenpickenden Menschenhasserin im Kopf, die allen anderen ebenfalls ihre verbitterten Lebensweisheiten womensplainen wollen.

Und dann ist doch alles in bester Ordnung, dass jeder seine eigenen Vorstellungen über Personen, Situationen und die Welt bildet.

Der „Kampf gegen Sexismus“ ist aufgewärmtes 19. Jahrhundert

Nick (bei Fettlogik überwinden):

Ich finde es recht schwer zu übersehen, dass hier der gute alte Sittlichkeitsdiskurs des 19. Jahrhunderts auf feministisch fortgeführt wird. Und natürlich sind die abgebildeten Frauen „arme Dinger“ – damals hätten die Sittlichkeitsaktivistinnen sie wohl „gefallene Mädchen“ genannt und in Arbeitshäuser sperren lassen – „zu ihrem eigenem Besten“.

Das Bodyshaming besteht nmE vor allem auch darin, dass den Frauen aufgrund ihrer angeblichen „Anpassung an die Schönheitsideale“ – anhand ihrer körperlichen Erscheinung und ohne Ansehen der Person – tendenziell abgesprochen wird, Menschen zu sein, die einen zu achtenden eigenen Willen haben. Sie seien „zu schwach“, um sich gegen „die Schönheitsnormen“ „zu wehren“. Sie werden nicht für voll genommen.

Die Assoziation mit Menschenhandel schlägt dem Fass den Boden aus. Das ist nun wirklich ein unverhohlener Rekurs auf den „white slavery“-Diskurs des 19. Jahrhunderts. Ein Diskurs, mit dem nicht nur grobe Menschenrechtsverletzungen, wie beispielsweise Zwangssterilisierungen, legitimiert wurden, sondern auch einer, der extrem Rassistisch war.

So funktioniert die Ausgrenzung von Minderheiten: Die Männer der Opfergruppe werden dämonisiert, und die Frauen der Opfergruppe werden pädagogisiert. Beides ist aus menschenrechtlicher Sicht brandgefährlich, weil es eben die Idee der Gleichheit an Freiheit und Würde unterminiert.

Ich behaupte, dass _jeder_ mit einem Mindestmaß an Sensibilität anhand der Körperhaltung sofort den Unterschied zwischen dem Bild und Fotos aus dem Menschenhandel erkennen müsste. Die Frauen liegen entspannt beieinander, als ob sie sich über eine Party gestern unterhalten würden. Aber dieser Ausdruck wird eben den Frauen prinzipiell abgesprochen – buchstäblich ohne Ansehen der Person. Ganz abgesehen davon, dass da kein Müll, sondern Zweige in einem sauberem Haus herumliegen.

Wer solche Assoziationen pflegt verrät sehr viel über sich selbst. Und was er oder sie da über sich verrät, hat nun wirklich gar nichts mit einer angeblichen Sensibilität für Menschenhandel zu tun, das ist sehr billige Heuchelei.

Rohrschach

Und zum Schluss noch ein schöner Lacher:

aranxo (bei Fettlogik überwinden):

Lass es mich mit einem Witz ausdrücken (Achtung, nicht jugendfrei):
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Ein Psychiater legt seinem Patienten Tintenklecksbilder vor und bittet ihn, zu sagen, was er darin sieht. Beim ersten Bild sagt der Patient: „Zwei achtjährige Jungen, die sich gegenseitig einen blasen.“ Der Psychiater zieht die Augenbraue hoch, sagt aber nichts. Beim zweiten Bild: „Ein Mann, der einem Esel in den Hintern f….“ Und schließlich beim dritten Bild: „Eine Frau, die einen Akku-Schrauber als Dildo benutzt“ Schließlich meint der Psychiater: „Sie haben aber schon eine sehr ausgeprägte sexuelle Phantasie.“ Daraufhin der Patient: „Was kann ich denn dafür, wenn Sie mir lauter perverse Bilder vorlegen?“
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Das ist genau das, was passiert, wenn Feministinnen auf die Suche nach Sexismus gehen. Sie sehen ihn überall, weil sie ihn überall sehen WOLLEN.

Das war aber noch gar nicht der Lacher, sondern: Diesen Rohrschach-Test… gibt es doch schon längst als Comic! 😀
http://knowyourmeme.com/photos/918973-social-justice-warrior

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Wenigstens ein Lied mit Ostern im Titel…

Marillion: Easter

Fundstücke: Warum gegen „den Feind“ eben nicht alles erlaubt ist

Straftaten wie Falschbeschuldigungen gegen AfD-Politiker oder sogar körperliche Gewalt wie gegen Richard Spencer: Es ist besorgniserregend, was inzwischen gegenüber einem weltanschaulichen Gegner als legitim vertreten wird, wenn dieser nur als schrecklich gilt. Glücklicherwiese stehen dem aber auch einige Stimmen der Vernunft gegenüber, von denen ich einige hier zitieren möchte:

Auf Alles Evolution tat sich Dirk M. Jürgens (DMJ) ganz groß mit zwei Kommentaren hervor:

Die ganze Nummer hat mir auch ordentlich Magengrimmen gemacht.
Man verstehe mich nicht falsch: Ich habe keinen Hauch Mitgefühl mit Nazis, wenn sie auf’s Maul kriegen, denn das verdienen sie in der Tat. – Aber ich halte viel vom Prinzip, Gewalt nur im äußersten Notfall anzuwenden. Doch in dieser Angelegenheit haben erschreckend viele Leute (persönliche Bekannte ebenso wie anerkannte Journalisten), die noch zu Bush-Zeiten komplett mit mir einer Meinung waren, dass wir Terror nicht mit Terror beantworten dürfen, nicht einmal VERSTANDEN, was für ein Problem ich damit habe.

Mir wurden Spencer-Zitate und Geschichten vom Widerstand im 3. Reich um die Ohren gehauen, argumentiert, dass die Triebbefriedigung ein vollkommen okayes Motiv für Gewalt sei und immer wieder gesagt „Aber der will doch viel Schlimmeres“. Dass wir besser sein sollten als unsere Gegner, nicht nur im Recht sein, sondern auch moralischer sein sollten, als sie, war alles schlagartig vergessen.
Dass wir damit Gewalt von ihnen gegen uns ebenso legitimieren – keine Rede von. Dass die Sache praktsich nur ein PR-Gewinn für den, mir vorher vollkommen unbekannten Spencer war – wollte keiner hören.
Stattdessen überboten sie sich, den maskierten, nach der Attacke fliehenden Schläger zum Superhelden zu erklären.

Die sollen sich noch mal beschweren, dass Diskurs und Umgang miteinander so verroht seien…

Im zweiten Kommentar zitiert er einen Popehat-Artikel. Ich zitiere etwas andere Teile des tatsächlich sehr lesenswerten Beitrags:

We have social and legal norms, including „don’t punch people because their speech is evil, and don’t punish them legally.“ Applying those norms is not a judgment that the speech in question is valuable, or decent, or morally acceptable. We apply the norms out of a recognition of human frailty — because the humanity that will be deciding whom to punch and whom to prosecute is the same humanity that produced the Nazis in the first place, and has a well-established record of making really terrible decisions.

Und als zweites die sehr gute Einsicht, dass „Nazis schlagen ist ok“ untrennbar mit der Ansicht „wer hier Nazi ist, bestimme ich“ verbunden ist:

In embracing a norm that sucker-punching Nazis is acceptable, remember that you live in a nation of imbeciles that loves calling people Nazis. Also bear in mind that certain aspects of our culture — modern academic culture, for instance — encourages people to think that you’re a Nazi if you eat veal or disagree with them about the minimum wage.

Via Fefe fand ich ein Video von Jonathan Pie über dieselbe Frage:

Protest Pie.

Wichtigste Aussage (sinngemäß, ab 2:55): Meinungen von Leuten durch Gewalt zum Verstummen zu bringen ist nicht Faschismus bekämpfen, es ist Faschismus.

Christian Schmidt gibt einige wichtige Punkte zu bedenken:

Weicht man das Gewaltmonopol des Staates auf, indem man zulässt, dass Leute, die der herrschenden Meinung oder auch nur einigen Leuten nicht gefallen, dann ebnet man Willkür und Lynchjustiz Tür und Tor. Man opfert damit etwas, was eine der wesentlichen Fundamente unser Gesellschaft ausmacht und es führt zu einem Abgrenzungsproblem, welches kaum zu lösen ist: Es legitimiert nämlich, dass die andere Seite wiederum anführt, dass zB die andere Seite von ihrer Seite ausnahmslos für falsch gehalten wird und deswegen ebenfalls Gewalt angewendet wird. Eine Gesellschaft, die den politischen Diskurs zugunsten von Gewalt aufgibt, die bahnt aus meiner Sicht einem Unrechtsstaat den Weg.

Genau so ist es. Es wäre ein zivilisatorischer Dammbruch.

Weitaus schlimmer ist aber, dass radikale Linke dazu neigen, den Kreis derer die „unwertes Gedankengut“ haben, und damit „Nazis“ sind inflationär zu gebrauchen und es auf jede unliebsame Meinung auszuweiten. Damit entwerten sie nicht nur den Begriff, sondern erlauben es sich, schlicht gegen jede unliebsame Meinung Gewalt anzuwenden.

Eben das. Natürlich läuft es darauf hinaus, jede unliebsame Meinung zu verbieten, denn wo wollte jemand bei so einer ungebremsten Gewaltbereitschaft noch ernsthaft eine Abwägung treffen und eine Grenze ziehen?

Ich finde es auch faszinierend, dass diese radikalen gar nicht merken, wie schnell sich solche Praktiken auch gegen sie richten könnten. Gerade dann, wenn sie meinen, dass Trump ein Faschist ist, sollten sie die Meinungsfreiheit hoch halten.

Schon geschehen! Donald Trump hat den Spieß längst umgedreht.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Was waren das noch für Zeiten, als „Spencer“ und „Prügeleien“ für harmloses Filmvergnügen standen?

Oliver Onions: Fantasy

Fundstück: DMJ dazu, dass das Gleiche zu tun noch lange nicht dasselbe bewirkt

Es macht gerade so richtig Spaß. Zur der bereits gestern erwähnten Diskussion meldete sich nun auch Dirk M. Jürgens (DMJ) und kommentierte bei Alles Evolution:

Diese Vorschläge scheinen mir auch höchst kontraproduktiv zu sein.
Männerrechtler haben ja nun einmal im Gegensatz zum Feminismus das Problem, auf keinen gesellschaftlichen Beschützerinstinkt zurückgreifen zu können. Sobald sie sich zu Wort melden, ist der erste Impuls Misstrauen.
DAS noch zu verstärken, indem man nicht auf die realen Probleme direkt verweist, sondern erklärt „X muss weg, weil es mit Leuten zu tun hat, die mich nicht mögen“, wäre das Falscheste, was man machen könnte.
Gerade der Punkt, gegen Programme gegen rechts vorzugehen, würde der Bewegung absolut ins Knie schießen und sie in der Diskussion recht unmöglich machen.

Wie? Derartiges machen Feministinnen auch? Stimmt! – Aber denen kommt ja der „Helfen wir der guten Frau… und zeigen uns so als guter Mann“-Impuls entgegen, der ihnen viel mehr durchgehen lässt, als einem potentiellen Konkurrenten.

Das sehe ich ebenso. DMJ hat es schön kurz und knapp erklärt.

Die bisherigen Artikel zum schnellen Nachlesen:

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Hatte DMJ nicht in seinem letzten Traum-Comic Indiana Jones erwähnt?

John Williams: Indiana Jones Theme

Fundstück: „Die Prä-Personen“ von Philip K. Dick

Dirk M. Jürgens (DMJ) erwähnte bei Alles Evolution Philip K. Dicks Geschichte „Die Prä-Personen“ (The Pre-persons). Der äußerst erfolgreiche Science-Fiction-Autor, dessen Werke als Vorlagen für zahlreiche Filme verwendet wurden, lieferte damit Anfang der 1970er Jahre einen Beitrag zur Abtreibungsdebatte.

In der Geschichte sind postnatale Abtreibungen erlaubt, Begründung: Kinder seien ja noch keine ganzen Menschen. Eine Seele bekommen sie erst ab dem Alter von 12, weil sie dann in der Lage sind, Mathematikaufgaben von einer gewissen Komplexität zu lösen, was als Beweis für ihren Geist gilt.

Dick zog sich damit den „absoluten Hass“ von Joanna Russ zu. Dabei drehen sich viele seiner Geschichten um die Frage, was wirklich ist, und von der Frage „Ab wann ist es ein Mensch?“ zu „Was ist menschlich?“ (siehe etwa „Blade Runner„) ist es nicht weit.

Zu den Reaktionen auf die Geschichte siehe auch die Kommentare des Autors in diversen Ausgaben. Ein längerer Blogeintrag enthält eine Zusammenfassung und Analyse.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Bei Blade Runner muss ich natürlich sofort an die Musik von Vangelis denken.

Vangelis: Blade Runner Blues

Warum ich diese drei Skandale bemerkenswert finde, Teil 2

Teil 1

(Die Einleitung zum ersten Teil lohnt es sich auf jeden Fall zu lesen. Hier soll es aber direkt weitergehen, es wird ja noch lang genug.)

Gamergate – und die Computerspieler

Dieses Thema hätte ich gerne schon früher angesprochen, aber es ist leider sehr verwoben mit anderen. Entweder man muss bewusst etwas auslassen (so dass man sich bewusst dem Vorwurf aussetzt, nicht das ganze Bild präsentiert zu haben) oder man kommt überhaupt nicht auf den Punkt. Es gibt beim Gamergate mindestens drei weitere Fässer, die man ebenfalls aufmachen muss:

Fass 1: Anita Sarkeesian
Fass 2: Quinnspiracy
Fass 3: Notyourshield
sowie diverse Nebenkriegsschauplätze (Comicgate, Metalgate usw.)

Anita Sarkeesian

Die Dame ist entweder die Heilsbringerin der neuen, modernen Weltordnung oder ihr Untergang – dazwischen gibt es eigentlich kaum eine Einschätzung. Gut, das war jetzt übertrieben.

Dirk M. Jürgens hat sich etwa bei Buddelfisch etwas nüchterner mit ihren Videos beschäftigt:

Ansonsten ist Anita Sarkeesian schon polarisierend: Für bestimmte feministische Kreise ist sie die Heldin, für manche andere Leute nur noch nervig. Ich erinnere mich an ihr erstes Video, bei dem sie kritisch über Computerspiele berichtete. Einige interessante Ideen, über die es sich zu diskutieren lohnen würde, aber mir war das alles zu schwarzweiß dargestellt.

Sarkeesians Ziel war es, Geld für eine Videoserie einzusammeln, was ihr mehr als gelungen ist, da ein Vielfaches der angezielten Summe zustandekam. Sie hat es geschafft, durch geschicktes Selbstmarketing inzwischen ihren Lebensunterhalt mit den Themen „Videospiele“ und „Feminismus“ zu bestreiten.

Das ruft natürlich Neider ebenso wie Kritiker auf den Plan. Erstere sind eine nervige Plage; letztere ein notwendiges Korrektiv, denn jeder, der Macht und Einfluss gewinnt (und das kann man Sarkeesian zumindest in den Medien nicht absprechen), muss sich auch kritisch beleuchten lassen. Da kam eine ganze Palette zusammen: Ihre Darstellung sei zu einseitig und wissenschaftlich unredlich, denn sie blende Beispiele aus, die ihr widersprechen würden. Sie sage in einem Video, sie habe Computerspiele seit ihrer Kindheit gespielt, in einem anderen, sie habe nie Computerspiele gespielt. Ihre Behauptung, die Darstellung der Welt in Computerspielen sei prägend für Handlungen und Denkweisen in der realen Welt, sei nicht bewiesen. Schließlich wurde ihr noch ein unsouveräner Umgang mit Kritik vorgeworfen: Natürlich gebe es bei einer hinreichend großen Zahl an Reaktionen immer einige, die vollkommen indiskutabel seien, aber so zu tun, als sei damit die gesamte Kritik wiedergegeben, sei verzerrend.

Der Wissenschaftler Thunderf00t (der übrigens – natürlich völlig überraschend! – zu den prominenten Fällen gehörte, die ohne vernünftigen Grund bei Twitter gesperrt wurden) hat in seinem Kanal eine ganze Reihe kritischer Videos zu Anita Sarkeesian gemacht. Erwähnen möchte ich jedoch etwas leichtere Kost, nämlich seine Persiflage auf die benannten Videos über Computerspiele:
Parodie (Teil 1)
Parodie (Teil 2)

Quinnspiracy

Es fing für mich an mit einem Youtube-Video namens „The Quinnspiracy Theory – The Five Guys Saga“ von jemandem namens „Internet Aristocrat“ (das Konto gibt es inzwischen nicht mehr; dasselbe Video an woanders). Ich kannte ihn bereits aus einem anderen Zusammenhang als jemanden, der lieber scharf austeilt, als undeutlich zu sein.

Der Beginn ist äußerst unappetitlich: Der Ex-Freund der Spieleentwicklerin Zoë Quinn hatte in einem Blog schmutzige Wäsche gewaschen und war mit allerlei Vorwürfen angekommen.

Was der Internet Aristocrat zu bieten hat, ist erst einmal nichts Neues: Die Mainstreammedien sind verkommen und einseitig, Blogs im Internet wären eine Hoffnung auf Besserung gewesen, aber sie seien inzwischen ebenfalls verlogen. Das klingt nach enttäuschter Liebe.

Er präsentiert Quinn als eine Person, die sich als Opfer darstellte, um ihre Karriere voranzubringen. (Der Fall „Wizardchan“ wäre noch ein Extrafass. Übrigens bekam sie daraufhin Unterstützung von Anita Sarkeesian.) Hinzu kommt im Video die Verdächtigung, mit fünf konkret benannten Spieleentwicklern / -journalisten ein privates Verhältnis zu haben bzw. gehabt zu haben. Ergänzend wird die Beschuldigung zitiert, ein feministisches Spieleentwicklungsprojekt sabotiert zu haben (Quinn hatte ein eigens Vorhaben in dieselbe Richtung).

Nüchtern betrachtet also erst einmal nichts Spektakuläres. Einige der Vorwürfe könnte man prüfen (Wizardchan, Spieleprojekt). Anderes gehört nicht an die Öffentlichkeit gezerrt (Privatleben).

Zur engen Verbandelung von Machern und Journalisten sei zudem gesagt, dass das ein grundlegendes Problem ist, das in andernsorts ebenso begegnet: Man denke an die Sportberichterstattung, bei der die Reporter natürlich auch Fans sind und zum Teil Ex-Profis, die „die Seiten gewechselt“ haben. In kleineren Popkulturszenen ist es ohnehin schwer, den Fan vom Schreiber zu trennen. Bei den Computerspielen kommt das zum Tragen, wie etwa der in der Branche tätige Tom in Mein Senf aufführt.

Das eigentliche Gamergate

Das alles wäre also keiner Aufregung wert bzw. hätte recht sachlich abgehandelt werden können. Zum Skandal wurde es erst, als verschiedene Internetmagazine anfingen, Computerspieler generell als frauenhassend, sexistisch und was weiß ich noch zu beschimpfen und zu behaupten, die Zeit der Gamer sei vorbei. Ob man dadurch dem Vorwurf entgehen wollte, selbst sexistisch und frauenverachtend zu sein, oder tatsächlich davon überzeugt war, das richtige im Dienst einer edlen Sache zu tun – es war so oder so eine dumme Idee, die umso dümmer erscheint, je mehr man es sich überlegt:

Wer irgendetwas mit Popkultur macht, muss doch wissen: Nichts ist rachsüchtiger als enttäuschte Fans.

Seine eigenen Kunden zu beschimpfen ist ein Geschäftsmodell, das generell nicht mit sehr viel Aussichten auf Erfolg versehen ist. Es dauerte auch nicht lange, und die Leser fragten bei diversen Unternehmen, die für gewöhnlich Anzeigen schalteten, mal ganz unverbindlich an, ob sie denn weiterhin dieses oder jenes Magazin unterstützen wollten. Ergebnis: Einnahmeausfälle im angeblich siebenstelligen Dollarbereich.

„Mit Kanonen nach Spatzen schießen“ geht leicht nach hinten los. Wenn ich berühmt und erfolgreich bin und irgendwelche Leute über mich im Internet sich einen abranten – was soll’s? Lasst sie doch reden. Je mehr ich mich ihnen widme, desto größer mache ich sie dabei und gebe ihren Aussagen mehr Gewicht, als sie ursprünglich hatten. Dementsprechend war es ebenso überzogen, die Kritiker-Videos mit fadenscheinigen Begründungen von angeblichen Urheberrechtsverletzungen aus dem Verkehr zu ziehen.

Man stelle sich vor, in der Kneipe um die Ecke sitzt seit Jahren ein Typ, der herumlästert, was die in der Regierung doch für Verbrecher seien. Eines Tages wird er vor aller Augen von der GSG9 abgeholt.

Die psychologische Wirkung ist doch klar: Plötzlich muss man annehmen, dass an seinen Aussagen etwas drangewesen sein muss.

Dabei beweist das alleine ja nichts. Dass nicht die eigentlichen Vorwürfe zum Skandal werden, sondern der unsouveräne Umgang mit ihnen, ist nicht neu. Das kann gleichermaßen dann eintreten, wenn man unschuldig ist (siehe Christian Wulff).

Plötzlich taten sich Gräben auf, die überhaupt nicht nötig gewesen wären und in denen die Welt zweigeteilt wurde in die guten Entwickler und Journalisten, die Opfer von bösen Trollen und Stalkern würden und die bösen Computerspieler, die alle weiß, männlich, heterosexuell und im richtigen Leben Versager sein müssten. Die Übereinstimmung dieses Feindbildes mit einem Zerrbild, das im Radikalfeminismus gezeichnet wird, war dabei nicht zufällig, schließlich bezeichnen sich mindestens einige der Protagonisten auf Seite der „Guten“ als feministisch.

Es hatte etwas Surreales: Man hatte sich der Mission verschrieben, das Klischee der bedrohten Frau zu überwinden, indem man dramatisierend die Geschichte bedrohter Frauen erzählte. Mit anderen Worten: Alkoholsucht überwinden durch ordentlich Saufen!

Dabei hätten wenige Minuten Lesen im Popkultur-Wiki „TV Tropes“ bereits ein vielfältigeres Bild ergeben, als es Anita Sarkeesian in ihren Videos verbreitet. Man beachte etwa den Artikel Damsel In Distress (etwa „Dame in Not“), ein Begriff, auf den sie oft zurückgreift. Da wird verwiesen auf dieselbe Situation mit vertauschten Geschlechtern oder die Negation dieses Erzählklischees.

Auch über Seximus kann man dort eine Menge lernen. Unter dem Schlagwort Double Standard (Doppelstandard) findet man die Unterkategorien „Sexistisch gegen Männer“, „Sexistisch gegen Frauen“, „Sexistisch gegen beide“, „Oft sexistisch in der Ausführung oder Umsetzung, aber nicht sexistisch in der Natur der Sache“ sowie „Nicht-geschlechtsbezogen / andere“ (jeweils meine Übersetzungen).

Und so ist ein kleines, aber beliebtes Wiki schlauer als so manches Internetmagazin mit seiner einseitigen Darstellung. Ich wage mal die These, dass nicht zuletzt deswegen die Vorwürfe, Computerspieler seien alle sexistisch und würden Frauen als Helden nicht akzeptieren, vielen so sauer aufgestoßen sind. Denn wer anderes als große Fans von Popkultur sammelt mit Feuereifer Beispiele für Erzählklischees und ihre Brechung? Und wer regt sich am meisten darüber auf, wenn die Geschichte zu einem Spiel mal wieder nach Schema F verläuft? Die Hardcore-Popkultur-Fans sind es doch meistens, die überhaupt dafür sorgen, dass ungewöhnliche Ideen (und dazu gehören auch Charaktere, Figurenkonstellationen, Plots) plötzlich unerwartete Erfolge feiern und massenkompatibel werden. Produkten, die von Anfang an für einen großen Markt konzipiert werden, fehlt oft die Innovation – das Ausgefallene, das experimentierfreudige Fans so lieben.

Notyourshield

Die Idee, alle Computerspieler sozial ächten zu können, ist insgesamt gescheitert. Zum einen hat man verkannt, welche demographische Zusammensetzung die Konsumenten inzwischen haben: Das sind nicht mehr irgendwelche Teenager, das ist die Mehrheit der Bevölkerung, und entsprechend bunt. Zum anderen hat man kurioserweise die Bedeutung des eigenen Berichtsgegenstandes unterschätzt.

Für Leute wie Jayd3Fox (deren Youtubekanal es inzwischen nicht mehr gibt), die Außenseiter waren, eventuell introvertiert und gemobbt, waren Computerspiele extrem wichtig. Wer in der Vergangenheit bereits ausgegrenzt wurde, der reagiert natürlich umso sensibler auf jeden Versuch, erneut stigmatisiert zu werden. „Die wollen uns etwas wegnehmen, was früher unser Rückzugsort war!“ – so etwa die Haltung verärgert Computerspieler, die dann wiederum aktiv wurden. So sammelten sich dann unter dem Motto „Notyourshield“ alle möglichen Leute, auf die nicht alle Kennzeichen der „Bösen“ zutrafen, um zu zeigen, dass Computerspieler in der Realität sehr unterschiedlich sind und dass sie, die Angehörigen angeblich bedrohter Minderheiten, sich nicht als Schutzschild für eine Kampagne gegen Computerspieler benutzen lassen würden.

Die stärkere Reichweite von Internetmagazinen und die größere Bekanntheit von Protagonisten wie Anita Sarkeesian war zunächst ein Vorteil für die „Guten“. Auf der anderen Seite hat man sich mit den Computerspielern eine Gruppe ausgesucht, die internetaffin ist, also zumindest teilweise versteht, das Medium für sich zu benutzen. Außerdem sind Gamer es gewohnt, sich gegen haltlose Unterstellungen zu wehren („Ballerspiele führen zu Amokläufen“).

Zwischenfazit

Gamergate ist nicht vorbei, die „Gamer“ haben nicht gewonnen. Man schaue sich etwa an, was derzeit Achdomina auf seinem Twitterkonto alles zitiert. Darum geht es aber nicht. Es geht darum, dass man nicht irgendwelche Gruppen kollektiv als böse brandmarken kann und damit durchkommt.

Dass es plötzlich überhaupt so ein Bohei um Computerspiele gibt, nachdem sie jahrelang als Hobby für Außenseiter und unattraktive Männer galten, hat wohl mit ihrem Erfolg zu tun und den Summen, die in der Branche inzwischen kursieren und das Budget so manches Films überschreiten. Überspitzt dargestellt ist dieser Wandel in einem Fundstück bei Meinungen und Deinungen. Arne Hoffmann hatte dasselbe Prinzip in anderem Zusammenhang einmal so zusammengefasst:

Generell beginnen Feministinnen sich dann für ein Projekt zu interessieren, sobald es erfolgreich zu werden scheint (…), um sich dann zu beklagen, dass es ein reines Männerprojekt sei, das Frauen ausgrenze – gefolgt von Forderungen, dass es von jetzt ab gefälligst nach dem Kopf der Feministinnen gehen solle.

Um jetzt nicht grandios dieselben Fehler zu machen, die ich bei anderen anprangere: Ich finde obiges Zitat bezogen auf alle, die oder auch nur die meisten Feministinnen grundfalsch. Ich schreibe dieses Vorgehen einer kleinen Grupppe von Radikalfeministinnen zu, deren Beweggründe nach meiner Wahrnehmung nichts mit Gleichberechtigung oder sich „für Frauen einsetzen“ und viel mit Macht zu tun haben.

Zum Vergleich: Dirk M. Jürgens über die ganze Angelegenheit:

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Diesmal mit einem Orchester, das Stücke aus Computerspielen aufführt. Besser hätte man das Eintauchen einer Randkultur in den Mainstream nicht demonstrieren können.

Chris Huelsbeck: Symphonic Shades (HQ)

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