Fundstück: crumar über MGTOW und den Mythos der notwendigen Vervollständigung

In einer Diskussion bei Alles Evolution über Beziehungen kam die Sprache auf Spott gegenüber Singles und „men going their own way“. Dabei kam es zu einem äußerst erhellenden Kommentar, nach dessen Lesen ich hellwach war.

Zunächst führe man in the middle (mitm) an:

Gespottet wird über Singles ganz generell, auch außerhalb dieses Blogs. Ich hatte auf meiner Seite, die die Definitionen von MGTOWs vs. PUAs vs. Maskulisten vergleicht, ziemliche Probleme, MGTOWs von „normalen“ freiwilligen Singles abzugrenzen. Die Argumente, keine Beziehungen einzugehen, sind ziemlich ähnlich, die gesellschaftliche Ablehnung ebenfalls.

(Der Artikel von mitm ist, wie so oft, in Gänze lesenswert.) Darauf antwortete crumar mit einer längeren Ausführung:

Die Abgrenzung zwischen Singles und MGTOW ist relativ einfach.

Die vorherrschende – und überwiegend gewollte – Lebensweise in unserer Gesellschaft ist die in einer heterosexuelle Paarbeziehung zwischen männlichen und weiblichem Geschlecht im Rahmen einer (in der Regel: seriell-monogamen) Partnerschaft, d.h. mit wechselseitiger sexueller Exklusivität.

Endet eine dieser (seriell-monogamen) Beziehungen, so entlässt die Paarbeziehung quasi ihre Kinder. 😉

Bei den männlichen respektive weiblichen *Singles* entsteht recht bald der Wunsch, sich auf die Suche nach dem Kandidaten / der Kandidatin für die nächste Paarbeziehung zu machen.

Bei *MGTOW* hingegen existiert dieser Wunsch aus einer Vielzahl an Gründen *nicht*, die hier auch im Forum genannt worden sind. Als MGTOW die eigenen Interessen, Bedürfnisse und Ziele in den Mittelpunkt zu stellen, eben als Mann „seinen eigenen Weg zu gehen“, kann mit einer Paarbeziehung kompatibel sein, in der Regel ist das nicht.

Viele MGTOW empfinden kein Verlust, „da ich sehr gut alleine leben kann“, wobei ohne Paarbeziehung auskommen nicht heißt, ohne Freunde und Freundinnen zu leben.

MGTOW schätzen ein, nicht mehr die „nötige Kompromissbereitschaft für eine Beziehung“ aufbringen zu können oder zu wollen, vor allem in Sachen gemeinsamer Freizeitgestaltung.

Konzentration auf Beruf oder Karriere machen es schwer vorstellbar für MGTOW, dies mit einer Paarbeziehung unter einen Hut zu bekommen.

Da Männern in der Beziehungssuche der aktive Part obliegt, wird seitens MGTOW im Rahmen einer Kosten-Nutzen Kalkulation der „nötige Aufwand“ dafür in Frage gestellt, zumal mit Blick auf den verfügbaren „Pool an Frauen“.

Das ist der pragmatische Part.

Warum MGTOW als historischer Nachfolger der „Hagestolze“ angesehen werden können, die mit zahlreichen „shame tactics“ sich ihrer selbst gewählten Lebensform zu rechtfertigen haben, ist eigentlich leicht nachzuvollziehen, denn wir sind eine Provokation.

Der Klassiker der Hollywood-Klischee Sätze – der selbstverständlich für Frauen geschrieben worden ist und den die Bauchredner-Puppe namens Tom Cruise plappern durfte – lautet:

DU VERVOLLSTÄNDIGST MICH!

Damit artikuliert der Mann seine *Halbfertigkeit*, die der weiblichen *Ergänzung* und *Vollendung* bedarf, *erniedrigt sich* und stellt die Frau *auf ein Podest*.
Frau ™ als *Errettung und Erlösung* aus seiner männlich unzivilisierten Existenz in eine Paarbeziehung. Amen.

In der bspw. die Unbeholfenheit im Umgang mit den *eigenen Gefühlen* für den Mann *nicht* Anlass ist, diese besser kennen und artikulieren zu lernen.
Sondern der sie der Frau überlässt, welche daraus eine „emotionale Arbeit“ macht, die sie legitimiert in einer Paarbeziehung zu leben, in der sie alle Wahlmöglichkeiten für ihren weiteren Lebensweg hat.
Deshalb ist „Bindungslosigkeit“ ein sehr ernstes Thema auch für Feminin-istinnen – zumindest wenn Männer als „bindungslos diagnostiziert werden, denn dies schadet gerade, insbesondere und vor allem Frauen, wenn *Männer* zu „strong and independent“ sind.

Männer sind in Sachen *Externalisierung von Gefühlen, Lebenssinn und Lebensgestaltung* peinliche Weltmeister und brechen daher wesentlich eher zusammen, wenn die Paarbeziehung oder Ehe oder Familie kollabiert.
Das ist nicht angeboren, das ist (vorsätzlich) antrainiert.
G. Amendt hat sehr ernste Dinge geschrieben über die – oft suizidalen – emotionalen Scheidungsfolgen für Männer, welche auf dieser aus emotionaler Unbeholfenheit erfolgten Externalisierung beruhen.
Die männliche Unart, seine „elernte Hilflosigkeit“ als vermeintlichen BONUS in eine Paarbeziehung zu bringen ist aber das, was Frauen gerne hören wollen, weil es ihre „elernte Beholfenheit“ aufwertet.

MGTOW sind durch ihre bloße Existenz der Schmerz im Arsch für für solche S/M-Rituale der männlichen Selbsterniedrigung und Überhöhung von Frauen.
Aus diesem Grund also eine Provokation für beide Geschlechter.

Gruß crumar

PS: Dem das, was derzeit als MGTOW z.B. auf youtube präsentiert wird überhaupt nicht passt.

Es sind gleich drei Aspekte, die ich an diesem Kommentar so bemerkenswert finde:
1. Die Quasi-Spiegelung der Folklore, nachdem Männer ein Problem mit „starken, unabhängigen“ Frauen hätten: Tatsächlich sind es laut crumar die Feministinnen, die starke, unabhängige Männer nicht akzeptieren können.

2. Der (Nicht-)Umgang von Männern mit den eigenen Gefühlen, den crumar konstatiert, ohne die Verantwortung dafür jemand anderem als letztendlich den Männern selbst zu geben. Gerade letzteres halte ich für sehr wichtig, denn man wird nicht sein eigenes Leben verbessern, indem man die Schuld (verknüpft mit der Macht zur Veränderung) stets jemandem anderen gibt.

3. Der Mann als mangelhaftes Wesen, das alleine unvollständig bleibt und durch die Frau „erlöst“ oder „zivilisiert“ werden muss – das erinnert doch stark an Das unmoralische Geschlecht von Christoph Kucklick und die 200 Jahre alte Tradition der Männerfeindlichkeit in der Moderne.

Passend dazu siehe die Rezension des neuen „50 Shades of Grey“-Filmes beim Volksverhetzer auf Mimikama (via Genderama):

Dieses psychische Trauma und das dazugehörige Verhalten werden sowohl von der Autorin und den Filmproduzenten, als auch von den Lesern und Zuschauern zum Ideal männlichen Verhaltens stilisiert. (…) Es zeigt, wie wenig männliche Missbrauchsopfer ernst genommen werden und es zeigt den Sexismus auf, der den Großteil der Frauenwelt durchsetzt.

Denn die Geschichte eines gebrochenen Mannes, der infolge der erlebten sexuellen Übergriffe Hilfe benötigt, hätte für sich allein eben keine nassen Flecke auf den Kinositzen hinterlassen. Offenbar interessiert sich laut Text die Frauwelt nicht für das Innenleben des männlichen Protagonisten. Der Fokus liegt auf seiner Attraktivität, dem Erfolg und seinem Machogehabe. Letzteres natürlich nur dann, wenn die Frau das gerade geil macht. Hier entfaltet sich eine durch und durch ambivalente Erwartungshaltung. Einerseits muss der Mann kühl, abweisend und mysteriös sein, gleichzeit jedoch emotional, nähesuchend und offen. Kein normaler, geistig gesunder Mann kann dieser Schizophrenie gerecht werden. Es braucht also einen Christian Grey.

Es braucht einen labilen, von Verlassensängsten geprägten Mann, der so verunsichert ist, dass er einen Kontrollzwang entwickelt. Er soll innerlich gespalten sein und die Frau soll ihn wieder ganz machen. Sie will das sein, worauf der Mann sein ganzes Leben lang gewartet hat: die Erlösung aus dem Leiden. Prinzessinnen-Märchen reversed. Wer hier wirklich Dominanz ausübt ist die Frau. Es wird ein Idealbild entworfen, welches den Mann derart innerlich zerreißt, dass es einer rettenden Hand bedarf, nämlich die der Frau, um ihn wieder zusammenflicken.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Dass ich auf dieses Lied erst jetzt gekommen bin…

The Rolling Stones: Blue Turns To Grey

Fundstück: crumar über Titanic und den bürgerlich-feministischen Ausredenkalender

Nach crumars Deutung von Groundhog Day habe ich nun seine Deutung zu „Titanic“ aus den Kommentaren gefischt bei Alles Evolution:

Der Film ist selbstverständlich eine „Konstruktion“ in dem Sinne, dass er die Bedürfnisse der Zuschauerinnen zu erraten und zu bedienen versucht:

Die Heldin wird in dem Film dargestellt, als würde sie dies Opfer zu Gunsten ihrer Liebe bringen wollen und eine höhere Macht habe dies eben verhindert.
Die höhere Macht in Gestalt der NATURGEWALT Eisberg hat demnach verhindert, dass sich die *andere hohe Macht* der Naturgewalt der Liebe über die Klassenschranken hinweg durchsetzt.

Aber leider kam – wie gesagt – ein Eisberg dazwischen.
Der Witz ist, alle Zuschauer wissen, dass das Ende der Titanic UNAUSWEICHLICH ist.
Der Regisseur weiß dies auch und erfindet ein sexistisches Märchen – ein weiteres Blatt im bürgerlich-feministischen Ausredenkalender – in dem die Naturkatastrophe über die Liebe als Naturgewalt (beliebtes bürgerliches Ammenmärchen) jenseits von Klassenschranken einbricht.

Der männliche Held des Films opfert also im Film sein Leben für die Heldin nicht aus männlichem Pflichtgefühl oder aus Liebe.
Sondern die Konstruktion des Regiesseurs gibt dem Tod des Helden einen verborgenen Sinn – um nämlich die Heldin VOR SICH SELBST zu retten.
So lange er lebt und die Fahrt dauert, ist ihr Verzicht imaginär, kommt das Schiff an (wir wissen bereits, das wird es nicht) oder überleben beide, dann besteht die Gefahr, dass sie an dem eigenen Anspruch scheitert.

Er MUSS sterben, damit die Heldin nicht gezwungen ist, den realen Verzicht auf ein Leben in Reichtum und Wohlstand in die REALITÄT umzusetzen.
Camerons Konstruktion und Eingriff zielt also darauf ab, sie vor dem Einbruch der Realität in ihre Traumwelt zu schützen, welche zugleich – retrospektiv – als real vorgestellt wird.

Und in einem zweiten Kommentar:

Wobei es das Drama „Liebe überwindet Klassenschranken“ und „normative Zwänge“ *mit* Happy-End für Frauen natürlich gibt. Aber eben nur für Frauen: „Pretty Woman“.
Interessant ist hier (u.a.), dass letztlich noch einmal „Pygmalion“/“My Fair Lady“ noch einmal neu aufgewärmt worden ist.

Anyway: Vergleicht man unter diesem Gesichtspunkt beide Filme, dann wird klar, dass die Regiesseure messerscharf geschlossen haben, welche der beiden Szenarien *nach Geschlecht* für die Zuschauer REALISTISCH und demnach – mit Bezug auf deren Lebenswelt – GLAUBWÜRDIG sind.

(…)

Es gibt in Titanic die wunderbare Szene, in der sie bereits im Wasser sind – er IM Wasser und sie AUF einem Schwimmkörper.
Sie fleht ihn an nicht zu gehen, während sie *zugleich* seine bereits erstarrten Finger vom Rand pult und er in die Tiefe versinkt.
D.h. ihre *tatsächliche Handlung* steht in starkem Kontrast zu dem, was sie *verbal* (als Traum) äußert.

Der bürgerlich-feministische Ausredenkalender wurde von crumar schon vorher erwähnt (dort noch ohne den Zusatz „bürgerlich“) und so definiert:

„Jeden Tag eine neue Ausrede, warum man partout nicht durch eigenes Handeln oder nicht Handeln sich in der Situation befindet, in der man sich eben befindet.“

Christian Schmidt, crumar und ich selbst hatten Interesse daran ausgedrückt, diese Ausreden mal zu sammeln. Voilà, Nummer zwei.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Via Fiete in den Kommentaren (Danke, Fiete!):

Manuel’s Love Song from Captains Courageous

Fundstücke: Opfergeschichten verkaufen sich immer gut

Es war mir schon mehrmals aufgefallen, aber spätestens mit der Behauptung von Björk, „Frauen dürfen nicht über Atome singen“, war die Zeit reif für einen Artikel. Wie wird uns Popkultur verkauft? Indem neue Geschichten und Genres präsentiert werden, die so noch nie dagewesen sind? Manchmal – sie sind aber ein hohes Risiko für die jeweilige Industrie, weil man nicht weiß, wie sie einschlagen werden, und ein Großteil der Verwertungsmaschinerie auch darauf ansetzt, die Produkte in bestimmte Schubladen stecken zu können – selbst wenn diese Schubladen sehr weit gefasst sind und nur eine ungefähre Richtung angeben, was man zu erwarten hat.

In einem Großteil der Fälle schwimmt man also mit dem Strom, springt auf den fahrenden Zug auf, bietet „mehr von demselben“ an in der Hoffnung, das Publikum werde auch das konsumieren. Es ist geradezu kurios, dass dabei etwa die Erzählung von der „rebellischen“ Musik und den „alternativen“ Künstlern auch nach Jahrzehnten noch aufrechterhalten werden kann, auch wenn sich diese längst im Einklang mit den Gesetzen des Marktes befinden.

Im Beispiel von Björk wurde die neuerliche Marketing-Geschichte schon in den Kommentaren bei Alles Evolution auseinandergenommen. Es stimmt bis ins Detail nichts daran: Sie gewinnt seit Jahrzehnten alle möglichen Preise ( = „die Medien nehmen sie nicht ernst“) und die Alben landeten in den Charts ( = „über solche Themen darf sie nicht singen“).

Ja, warum dann diese Aussage? Beim Berichten über Musik ergibt sich immer das Problem, die Leute für etwas zu interessieren, über das sie erst durch den eigentlichen Konsum entscheiden können. Also müssen irgendwelche Ersatzmittel her: Fotos, Persönliches, Details zur Entstehung… am Ende muss das Thema „Dieses Album ist etwas ganz Besonderes, weil…“ bedient werden. Das allein schin deswegen, weil ja auch Leute abseits der unbedingten Fans angesprochen werden sollen, inklusive denjenigen, die mit den früheren Werken des Künstlers wenig oder nichts anfangen konnten. „Björk hat mal wieder ein Album draußen“ klingt eben weniger spektakulär als „Auf dem neuen Album kann sie zum ersten Mal…“.

Kommen wir nun zu der risikoaversen Industrie zurück. Opfergeschichten verkaufen sich derzeit einfach gut, deswegen bekommen wir soviele von ihnen aufgetischt. Und Leute, die länger im Geschäft sind, ändern ihre Geschichte rückblickend entsprechend. Wie crumar in der Diskussion anlässlich des Todes von Carrie Fisher bemerkte:

Du solltest in Betracht ziehen, dass auch Carrie Fisher ihre Erinnerungen ein wenig „frisiert“ haben könnte, um für ein aktuelles Publikum attraktiv zu sein.
Sie nimmt ein bestehendes, feministisches Narrativ für ihre Aussage, um ihre Erinnerung „sozial erwünscht“ darzustellen.

Aber auch Madonna (ein Beispiel wird in den Kommentaren zum Björk-Artikel erwähnt): Früher war sie eine Frau, die selbstbewusst mit ihrer Sexualität umging und „ihr Ding durchzog“. Heute ist auch für sie alles ganz schrecklich und sie, nach Jahrzehnten des Erfolgs, das arme Opfer. Vom Vorreiter zum Mitheuler.

Oder Lady Gaga (Beispiel von Gerhard gefunden), die sich über die harte Musikindustrie beklagt, in der sie wegen ihrer Intelligenz, nicht wegen ihres Körpers wahrgenommen werden wolle. Während man ihren Liedern Ähnlichkeiten zu denen anderer Künstler nachsagte – sooo neu waren die Ideen dann auch nicht – ist sie vor allem für ihre Outfits bekannt geworden (ein Kleid aus Fleisch etwa); übrigens wie seinzerzeit vor ihr Madonna. Sie hat den Startbonus als Frau voll ausgespielt und sich gut über ihr Äußeres vermarktet.

Die Platte „Ich werde nicht ernst genommen / auf mein Äußeres reduziert / nicht ernst genommen, weil mein Äußeres nicht konform genug ist / muss immer gut aussehen“ läuft einfach sehr gut. Ich erinnere mich an Portraits von Caro Emerald und Lily allen in verschiedenen Ausgaben eines Bordmagazins. Bei Lily Allen war es diese bescheuerte Mischung aus „wir zählen noch einmal auf, was sie alles mit ihrem Äußeren gemacht hat – sooo mutig!“ und „viele Leute sind blöd und gucken aufs Äußere“, bei Caro Emerald „sie ist ja nicht absolut schlank; schrecklich, dass Leute das so wichtig nehmen und darauf herumreiten!“. (Bei Männern gibt es aber auch haarsträubende Erzählungen… Xavier Naidoo, der nette Millionär von nebenan, der so erfolgreich ist und trotzdem ganz normal geblieben etc.)

Bei den Frauen, die ihre Karriere mit vollem Körper- und Klamotteneinsatz vorangebracht haben, spielt vielleicht ein Aspekt eine Rolle: Sie dürfen (in den Augen anderer Frauen!) „nicht billig wirken“; es muss so rüberkommen, dass sie nicht zu sehr „nach den Regeln gespielt“ haben, denn das raubt das Rebellenhafte. Also entweder die populäre Erzählung aus den 1990ern, sie würden selbstbewusst mit ihrem Körper umgehen, oder die neuerdings beliebtere Variante, sie hätten das ja tun müssen.

Unter dem Björk-Artikel kommentierte crumar noch:

Ich habe diesen Vorgang für mich „feministischer Ausredenkalender“ getauft.
Jeden Tag eine neue Ausrede, warum man partout *nicht* durch *eigenes* handeln oder nicht handeln sich in der Situation befindet, in der man sich eben befindet.

Wobei der Feminismus nur eine weibliche *Nachfrage* bedient, die wesentlich früher da war und bspw. durch Religion bedient worden ist.
Es ist auffällig, dass abstrakte Wesenheiten, wie z.B. „*der* Sexismus in der Musikindustrie“ nahtlos in das Wirken „Satans in der Musikindustrie“ übersetzt werden können.

Und später:

Der wichtigste Nachteil an dieser Haltung ist nach meiner Meinung, es handelt sich um die selbst verschuldete Blockade eines normalen Lernprozesses, in dem man den objektiven Ursachen für seine individuellen Fehler, die zum scheitern geführt haben auf die Spur kommt und daran arbeitet, diese abzustellen und nicht zu wiederholen.

(Beide Kommentare sind in Gänze lesenswert.)

Christian Schmidt schlägt vor, die Elemente dieses Auredenkalenders mal zu sammeln. Eine gute Idee, findet crumar, und auch mir gefällt der Vorschlag.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Frauen haben schon längst über Moleküle gesunden… (Danke, Mycroft!)

MIA.: Tanz der Moleküle

Fundstücke: Alternative Deutungen zu „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Als ich schrieb, warum ich „Groundhog Day“ so toll finde, gab es darauf unverhofft viele Reaktionen. Am interessantesten sind dabei diejenigen, welche meiner Deutung widersprechen oder andere Aspekte hervorheben.

only_me:

Kehrseite: Ein Film, der zelebriert, dass Männer keine Human Beings, sondern Human Doings sein müssen, um akzeptiert zu werden.

Das stößt mir sauer auf, während ich es mit einem „Das ist halt so“-Seufzer akzeptiere.

crumar findet den Film großartig und schreibt gleich mehrere Kommentare, die ich hier stückweise gemeinsam verwurste, in der Hoffnung, dass man trotzdem noch einen Sinn erkennt:

Zum Kommentar von only_me:

Kehrseite 2: Die Moral von der Geschichte ist, nur eine Frau kann einen Mann erretten.
Um das von only me gesagte aufzugreifen: Der Mann ist demnach „damsel in doing“.

Zu meiner These, dass Phil Rita am Ende nicht nötig habe:

Natürlich hat er sie nötig – sie schlafen am Schluss gemeinsam ein, ohne dass es zu sexuellen Handlungen kommt, nachdem er durch seine Taten sein reines Herz bewiesen hat und damit das ihre gewann.
Voila: Errettung und Erlösung!
Ist dir das nicht aufgefallen?
Die männliche Hölle der Unendlichkeit des einen Tages (Hamsterrad) tauscht er ein gegen das, worauf er zunächst verzichtet (Sex), um die „echte“ Unendlichkeit dann *durch das Weib* zu erhalten. Lieferung in der Regel nach 9 Monaten.

Zur Pointe, dass Phil eine ganze Weile versucht, Rita herumzubekommen, und gerade dann, wenn es möglich wäre, er es doch nicht macht:

Normalerweise hätten wir ein Signal für den dann stattfindenden Sex > Nahaufnahme leidenschaftlicher Kuss zum Beispiel – Blende.
Das findet hier nicht statt und es findet nicht statt, weil KEIN SEX die Pointe ist.

Der VERZICHT auf das gängige Klischee, diese Frau – als Ziel – herum zu bekommen widerspricht *einem* Handlungsstrang des Films, in dem gezeigt wird, wie er versucht, diese Frau herum zu bekommen.

*Rückwärts gerechnet* – ab ERRETTUNG und ERLÖSUNG lässt sich nun feststellen, welche Mittel zum Erfolg geführt haben.
Und eines der Mittel war demzufolge die Preisgabe des *männlichen ZIELS* diese Frau herum zu bekommen; ergo (ohne Preisschild) Sex mit ihr zu haben.
Demnach ist ERFOLG Preisgabe des – ursprünglichen – männlichen Ziels.
Noch einmal: *Errettung und Erlösung* durch PREISGABE des ursprünglichen männlichen Ziels.

Wir waten hier also knietief in einem WEIBLICHEN Narrativ.
Es ist egal, welches Geschlecht die Drehbuchautoren haben, es sind Frauen, die Frauen gewinnen lassen wollen oder Männer, die exakt das Selbe wollen.

Das gesamte Narrativ ist zutiefst sexistisch.
Es ist komplett unmöglich die „gender“ zu tauschen, weil dem Publikum sofort der Betrug um die Ohren fliegen würde.

Zur (nur scheinbar gegenseitigen) Vertrautheit, die zwischen Phil und Rita am Ende besteht:

Aus *seiner* Perspektive hat er unendlich viele Tage mit ihr verbracht, in zahllosen dates.
Er kennt wahrscheinlich ihre Lebensgeschichte besser als sie selbst.
D.h. das *Erfahrungs*gefälle männlich vs. weiblich ist Bestandteil der Konstruktion der Geschichte.
An dieser Stelle schon könntest du das Geschlecht nicht tauschen – versuche dem Publikum zu vermitteln, dass Frauen 20 Anläufe unternehmen, um das erste date zu einem Erfolg zu machen.
Niemand würde es dir abkaufen.

Diese „Vertrautheit“ aus seiner Perspektive ist also real und Resultat seiner Bemühungen über x-Tage hinweg.
Wir sehen die Entwicklung, seine Entwicklung, wir sehen den Prozess und der Prozess ist die „katalytische Wirkung“.
Um so mehr er sich zu dem entwickelt, was *sie* in einem Mann sehen will und an diesem attraktiv findet – was zuuuuuuuufälligerweise (Kucklick brüllt) Hand in Hand geht mit seiner Entwicklung hin zu einem sozialen, fürsorglichen usw. Menschen – desto mehr hingezogen fühlt sie sich zu ihm.
Für *ihn* wird dieser Prozess jedoch *erst* zu einem Erfolg, wenn sie vom *Ergebnis* des Prozesses überzeugt ist und diesen – taraaa – als PRODUKT ersteigert.

Tausche hier das Geschlecht und ein feministischer shitstorm in Tsunami-Größe würde dich hinwegfegen!
Jede Feministin würde diese Geschichte einem unterdrückerischen Patriarchat zuschreiben, das Frauen durch internalisierte Frauenfeindlichkeit zur Selbstoptimierung zwingt, um patriarchalen Normen zu entsprechen, denen sie niemals genügen kann.
Und als ob das nicht schon schlimm genug ist, Anne, wird sie sexuell objektifiziert, auf einer Auktion wie ein Stück Fleisch angepriesen und als Ware (Zwangsprostitution!) versteigert!!!
Dass Hollywood sich überhaupt jemals getraut hat, solche sexistischen Filme abzuliefern…

Aber zurück zum Film selbst.
Graublau schreibt: „Es war für mich immer gerade die Pointe, dass Phil Rita ins Bett bekommt, als er es nicht mehr braucht.“
In einem Film werden die Motive der Figuren per Drehbuch konstruiert und nichts spricht aus einer männlichen Perspektive dafür, dass ein Mann Sex „nicht mehr braucht“.
Hingegen alles dafür, die Drehbuchschreiber/-innen waren der festen Überzeugung, er *soll* Sex nicht mehr brauchen *wollen*.

Denn gerade mit dem „freiwilligen Verzicht“ (laut Drehbuch) auf sein ursprüngliches Ziel findet die männliche Seele Läuterung.
Und darf friedlich einschlafen, Amen (so weit ich mich erinnern kann, gab es wenigstens am nächsten Morgen Sex).
(…)
Ganz ehrlich: Mann liegt im Bett neben seiner Traumfrau (Andie MacDowell war hotttttttttttttttttt!), die einen am gleichen Abend auch noch ersteigert hat….und schläft ein. Wäre Bill Murray nicht die Filmfigur, sondern ein realer Mann gewesen, ich hätte ihn in den Hintern getreten.

Und schließlich nochmals an mich gerichtet:

Du begehst einen klassischen Fehler, nämlich die Geschichte NICHT RÜCKWÄRTS zu betrachten.
Das ist nämlich die weibliche Perspektive – alle Schritte zu betrachten, die EX POST zu diesem ERFOLG geführt haben.
Du fragst und siehst aus einer vorwärts gerichteten männlichen Perspektive, die für die Dynamik des Films KEINERLEI Rolle gespielt hat.
Der Clou ist, die männliche Perspektive auszuhebeln, indem dieser EINE Tag immer wiederholt wird, was männliches Fortschrittsdenken per se beerdigt.
Im Gegenteil: „Da zieht Phil doch eine coole Nummer ab. Ebenso die Sache mit der Eisskulptur: In erster Linie eine persönliche Fähigkeit, mit der man außerdem Leute beeindrucken kann.“
Schatz, was hat es ihm denn gebracht?
Was war das RESULTAT seiner HANDLUNG?!
War es ein Erfolg oder ein Misserfolg?
Mit der Verweigerung einer Rechenschaftslegung ist dies die ENTEIGNUNG eines individuellen, männlichen Lerneffekts.

Du drehst den männlichen frame ins Absurde, ohne den weiblichen zu begreifen.

„Aber ein reines Herz wäre nicht auf solche Showeffekte wie den Bandauftritt ausgelegt“ – es ist die weibliche Version davon.
Die weibliche Version der Showeffekte ist, den Bandauftritt hinzubekommen, ergo muss er individuell DAVOR Klavier lernen.
Das ist demnach KEINE individuelle Entscheidung.
Die Präsentation des Films ergeht sich darin, dir eine Logik zu präsentieren, als WÄRE es seine eigene.

Rechne RÜCKWÄRTS, was in weiblichen Augen *dieser Mann* an Fähigkeiten besitzen muss, um *diese Frau* zu bezaubern und du hast die Hälfte des Films entzaubert.
Demnach ist es kein Geheimnis mehr, wenn ich dir die weibliche LÖSUNG präsentiere: „Sie schlafen am Schluss gemeinsam ein, ohne dass es zu sexuellen Handlungen kommt, nachdem er durch seine Taten sein reines Herz bewiesen hat und damit das ihre gewann.
Voila: Errettung und Erlösung!“

Und JETZT konstruiere einen Film, in dem ALLE männlichen Handlungen auf diese LÖSUNG zulaufen.
Das ist nämlich der weibliche frame und dieser ist die GRUNDKONSTRUKTION des Films.

Und schließlich, diesmal an Fiete gerichtet:

Wer die Analyse der Popkultur auf Ideologien von Männlichkeit und Weiblichkeit vernachlässigt oder unterlässt, wird nicht weit kommen.

Natürlich kannst du in einem Märchen die klassische Situation des aristokratischen Prinzen setzen, der die Prinzessin rettet (feministisch: damsel in distress).
Aus einer *männlichen Perspektive* jedoch sind die Bemühungen verbunden mit der Versprechung, sämtliche Bemühungen würden auf einen Gewinn = Belohnung hinauslaufen.
In einer solchen Gleichung muss der Gewinn immer mehr oder mindestens gleich viel wert sein wie die Summe der Bemühungen, sonst wäre das Versprechen der Belohnung eine Farce. Oder sie wären bspw. eine Sühne für eine Untat, wie die zwölf Taten des Halbgotts Herakles im Dienste des König Eurystheus.
Das ist ein abrechenbares Geschäft auf rationaler Basis (Zwölf Taten auf der To-Do-Liste. Check.).
So rational wird es aber nicht aufgeführt, denn es ist schließlich ein Märchen und der Held tut es aus wahrer Liebe, nicht wahr?!

Wo kämen wir hin, wenn der Held eingangs *von sich aus* abwägen würde, wie viele und welche solcher Taten ihm zumutbar erschienen?
Sagen wir, der Prinz/Held/Halbgott dieser Geschichte bietet: „Zehn!“
„Hallo, in der Geschichte sind es aber ZWÖLF!“
„Ok, einigen wir uns auf elf!“ – hier fällt die griechische Mythologie in Ohnmacht.

Damit will ich aufzeigen, dass das Geschäft „Bemühung“, „Aufgaben“ darauf basiert, sie haben aus männlicher Perspektive *niemals* eine VHB.
Anders herum: Ein Mann erfüllt die Aufgaben, die ihm gestellt werden und bezieht *aus der Erfüllung* dieser einen Sinn (für die eigene Existenz, seine Männlichkeit usw.) PUNKT
Damit verzichtet er auf eigene Ansprüche an den Handlungsverlauf der Geschichte BEVOR sie überhaupt begonnen hat oder genauer gesagt: Er wird *seiner eigenen* Agenda enteignet und die Beurteilung des „Sinns“ der eigenen Bemühungen wird anderen überlassen.

Schön und „modern“ (= bürgerlich) an dem „Murmeltier“ ist, dass es dieses Muster vorführt, aber verbirgt, DASS es dieses Muster vorführt.

Die Erwartungen der Heldin/Prinzessin werden niemals artikuliert, bzw. die Autoren des Drehbuchs ERSPAREN es IHR, diese zu artikulieren.
Wahre Liebe in der bürgerlichen Gesellschaft muss authentisch sein!

Authentisch ist hier, wenn sich alle weiblichen Forderungen an einen Mann sich realisieren, weil “ he just got it!“ – ohne diese Forderungen explizit zu benennen und damit abrechenbar zu machen.
Darin ähnelt die Herangehensweise dem Märchen und der Mythologie.
Außer natürlich, dass es keinen Preis/Belohnung geben kann, denn das wäre sexistisch.
Und: Weil es hier *nicht* um ein rationales, abrechenbares Geschäft gehen kann, denn *wenn es ein Geschäft wäre*, dann wäre es keine wahre Liebe.

Wie rettet sich das moderne Märchen, insbesondere und damit meine ich *vor allem für Frauen* aus diesem Dilemma?
Neu und modern ist, der Held soll das weiblich unausgesprochene *von sich aus wollen sollen*.
Dieser Mann ist nicht nur seiner eigenen Agenda enteignet, externalisiert den Sinn für seine eigenen Bemühungen, sondern er WILL das aus tiefstem Herzen SELBST, weil ihn das zu einem BESSEREN Menschen macht, der die Belohnung darin sieht, dass es ihn zu einem besseren Menschen macht.
Rein zufällig ist es aber die Frau, die hier definiert, was ein „besseres Mensch“ im Detail bedeutet und rein zufällig ist es ein GESCHÄFT in diesem Film: Sie ersteigert das fertige Produkt, zu dem sich der Mann a. aus „eigenem Antrieb“, b. „selber“ gemacht hat.
Uuups.

Diese Illusion von Freiwilligkeit und freiwilliger männlicher Unterwerfung im Film wird auf „moderne“ Art aufgeführt und es ist wichtig, diese Ideologie in ihrem Bezug auf Mythologie und Märchen darzustellen.
Damit wir diesem etwas entgegenzusetzen haben.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Von „I Got You Babe“ gab es auch eine höchst unromantische Version…

Cher with Beavis & Butthead – I Got You Babe

Fundstück: Schneewittchen und „Der Mann das ist ein Lustobjekt“

Als Reaktion auf einen Artikel von crumar schlägt Leonie Popkultur „aus den wilden 70ern“ vor mit dem Hinweis:

Ja, so´war das damals, als die 2. Frauenbewegung entstand – und Ihr hättet auch rebelliert!

Die Popkultur – was wäre ein Blogeintrag ohne sie? – ist dabei folgende:

Gruppe Schneewittchen: Der Mann das ist ein Lustobjekt

Das Lied stammt aus dem Jahr 1978 und merke, wie sich die Zeiten geändert haben, denn mein erster Gedanke war: Das wäre heute abzufeiern!

Der Mann, das ist ein Lustobjekt
Und sonst nicht zu gebrauchen

Also, so eine positive Beurteilung von Männern allgemein bin ich ja gar nicht gewohnt! Männern wird hier zugestanden, als Lustobjekt zu taugen, also sexuelles Interesse zu erregen – von einer Frau, wohlgemerkt! Dies wirkt in der heutigen Zeit, in der Männer in erster Linie mit Gewalt, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht werden, wie ein überschwengliches Lob.

Er nennt mich seinen liebsten Schatz
Doch das, das sind nur Sprüche

Na, das ist doch gut, dass sie das durchschaut. Vor allem, weil sie bereit ist, auch die Konsequenzen daraus zu ziehen:

Und wenn der Neue streicheln kann
Und schöner als der Alte
Dann bleib‘ ich bei dem neuen Mann
Bevor ich ganz erkalte
Dann werd‘ ich von ihm heißgestreichelt
Bis die Matratzen rauchen

Mich erinnert das an das selbstbewusste Frauenbild, das ich in den 1990ern mitbekommen habe: Da gingen Frauen offensiv mit ihrer Sexualität und ihren Wünschen um. Nun mögen seinerzeit Anspruch und Wirklichkeit auseindergeklafft haben – aber es gab zumindest dieses positive Bild, das Frauen ihre Freiheit ließ – und Männern auch! Jeder Erwachsene war eben für seine Taten verantwortlich, aber eben nicht automatisch „schuldig für andere“.

Ab heute, müssen alle ran
Bis sie den Geist aushauchen

Das klingt schon ein wenig lebensbedrohlich. Allerdings immer noch besser als als Soldat zu sterben! Und ich bin mir sicher, viele „nette Kerle„, die ständig in der Friendzone landen, würden gerne mal „nur fürs Bett“ zu gebrauchen sein.

Wenn einer nicht mehr funktioniert
Und anfängt zu querelen
Dass er an seiner Lust krepiert
Ja dann, ja meiner Seelen
Geb‘ ich ihm ein paar Euroschecks
Dann kann er sich was kaufen

Das ist ja sogar zu modern für heute: Der Mann bekommt Geld für seine „emotionale Arbeit„.

Für diejenigen, für das alles zu albern war, hier der Kommentar von crumar als Antwort auf Leonie:

Aber Leonie, selbst heute würde z.B. Adrian den Refrain begeistert mitsingen!
Frag ihn ruhig! 😉

Die Zeiten haben sich geändert, Leonie.
Natürlich könnte ich ebenfalls einem Mann die Schuld dafür geben, wenn mein Haushalt nicht ordentlich geführt ist.
Denn ich lebe als Single – so wie über 50% der Haushalte hier in Berlin (weibliche Singles müssten dann allerdings einer Frau die Schuld geben, beinahe unvorstellbar).

Das Lied stammt noch aus der „guten alten Zeit“, in der es solide Paarbindungen in traditionellen Paarbeziehungen gab, die mit einer traditionellen Aufgabenteilung nach Geschlecht zusammen wohnten und einen traditionellen Haushalt bildeten und führten.
Diese Haushalte befinden sich inzwischen in mehreren (deutschen) Großstädten in der Minderheit.

Diese gesellschaftliche Entwicklung hat der Feminismus der zweiten Welle (und nachfolgende) nicht nur verkannt, sondern die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der die gute alte „Hausarbeit“ ebenso wie die „care-Arbeit“ ausschließlich als weiblich verstanden worden ist, prägt auch die aktuelle feministische Debatte.
Wenn ungebrochen feministischerseits geklagt wird, die „unbezahlte“ care-Arbeit und Hausarbeit sei immer noch weiblich, dann wird m.E. diese „gute alte Zeit“ beschworen.
Man hat fast den Eindruck, die rituelle Klage muss sich der Existenz einer solchen, traditionellen, konservativen Gesellschaft versichern, um überhaupt wirksam zu sein.

Was evtl. daran liegt, dass sich zwar immer mehr Frauen sich an der Erwerbsarbeit beteiligen, das Verhältnis der durchschnittlichen Arbeitszeit nach Geschlecht sich hingegen nicht geändert hat. Durchschnittlich sind es 22 Stunden in der Woche für Frauen und 43 Wochenstunden für Männer und daran hat sich in den letzten zwanzig Jahren nichts großartig geändert. D.h. die Entwicklung stagniert seit dieser Zeit.

Nun kann man durchaus die Existenz von sehr gut verdienenden Single-Frauen und Männern annehmen, die ihr individuelles Leben mit 22 Stunden Erwerbsarbeit in der Woche bestreiten.
Für die Mehrheit der Männer und Frauen wird dies jedoch nicht zutreffen.
Was allerdings die Frage aufwirft, von was der Durchschnitt der Frauen in Paarbeziehungen lebt, die durchschnittlich 22 Stunden in der Woche arbeiten…
Wenn es in dem Lied heißt, dann „geb ich ihm eine paar Euroschecks, dann kann er sich was kaufen“, ist das löblich.
Nur müsste man fragen: Verfügt der *reale Mann* über das Geld seiner Partnerin oder sind die Schecks nicht sehr wahrscheinlich durch *sein eigenes Geld* gedeckt?

Ich fand und finde an der feministischen Diskussion bezeichnend, dass solche Fragen erst gar nicht erst gestellt worden sind.
Die Einkünfte durch die männliche Erwerbsarbeit werden ebenso fraglos vorausgesetzt, wie auch, dass der Mann seine materiellen Ressourcen (fraglos) zu teilen habe.
Als sei es das selbstverständlichste der Welt, auf diese – durch Männer – erarbeitete Ressourcen einen – quasi biologischen – *Anspruch* zu haben.

Gerecht und emanzipiert wäre es, wenn beide Geschlechter 32,5 Wochenstunden arbeiten und sich Hausarbeit und „care-Arbeit“ 50:50 teilen – dafür stehe ich ein.
Vom Mann jedoch *die Hälfte* der beiden letztgenannten Tätigkeiten zu erwarten und selber nur ein *Drittel* zu den Paar-Einnahmen beizusteuern, hat weder etwas mit Gerechtigkeit, noch mit Emanzipation zu tun.
Sondern es ist die *Fortsetzung* einer traditionellen, konservativen Aufgabenteilung nach Geschlecht, in dem die modernen Ansprüche von Frauen an Männer diesen ZUSÄTZLICH aufgehalst werden.
Bei gleichzeitiger weiblicher Verhaltensstarre, den gleichen Beitrag zu den Paar-Einkünften beizusteuern – siehe Stagnation.

Was wir dem Feminismus – auch der zweiten Welle – vorwerfen ist, dass er nicht nur eine halbierte Form der Emanzipation anstrebt, sondern sich propagandistisch darin ergeht, traditionelle, konservative Verhältnisse, in denen Männer *verbleiben sollen* (irgendwer muss diese Gesellschaft finanzieren) als „modern“ zu *verkaufen*.
Ein Marketing von außen rot, innen traditionell und konservativ.

Ich glaube, die Männerbewegung wird diese versteinerten Verhältnisse sehr, sehr grundlegend zum tanzen zwingen.

Warum sich für mich tatsächlich etwas geändert hat

Der bereits von crumar zitierte Kommentar von Leszek zur aktuellen Debatte zeigt mal wieder, warum man bei Alles Evolution die Kommentar lesen sollte:

Es ist m.E. recht offensichtlich, was der wesentliche Grund dafür ist, dass die Männerrechtsbewegung nicht schneller vorankommt: weil sie vor allem eine Internetbewegung darstellt und außerhalb des Netzes kaum in Erscheinung tritt.

Die Männerrechtsbewegung tut bislang das nicht, was jede andere soziale Bewegung auch tun musste um erfolgreich zu sein, nämlich auch im öffentlichen Raum als konstruktive soziale Bewegung in Erscheinung treten und gewaltfreie Aktionen durchführen.

Der nächste wesentliche Schritt für die Männerrechtsbewegung müsste die Bildung gewaltfreier Aktionsgruppen sein, welche gewaltfreie Aktionen durchführen und zwar so, dass dadurch Sympathie und Interesse für die Männerrechtsbewegung und ihre Anliegen in der Öffentlichkeit geweckt wird und die Medien über diese gewaltfreien Aktionen berichten.

Die Frage „Was tun?„, die in gewissen Abständen immer wieder auf die Tagesordnung in der Blogblase kommt, könnte frustrieren. Ich habe für mich persönlich in den letzten Tagen aber festgestellt, was sich für mich in den letzten Jahren geändert hat. Es mag für andere wenig erscheinen – das kann ich nicht beurteilen – aber für mich ist es ein positives Zeichen, auch in der Hinsicht, dass sich Aktivisten und Blogger nicht gegenüberstehen, sondern ergänzen:

Ich hatte einige Jahre das dumpfe Gefühl, dass bei Debatten um Gleichberechtigung irgendetwas falsch läuft, die Aufregung schien mir „verbogen“ und nicht auf den Kern der Probleme fokussiert. Aber genau benennen konnte ich das nicht. Es war eben nur ein Bauchgefühl, nicht klar zu benennen, heute da, morgen mal wieder weg.

Dann fand ich Texte wie die von man in the middle. Plötzlich wurden die Gedanken geordnet. Die Sachverhalte und Argumente waren klar; sie konnten ja aus tagesaktuellen Ereignissen abstrahiert und allgemeingültig formuliert werden.

Wie crumar schrieb:

Im Rückblick sollte man auch die Erfolge der Männerrechtsbewegung bis zum jetzigen Zeitpunkt betrachten und dazu gehört zweifellos das Phänomen der „sprechenden Männer“, die in zahlreichen Foren in ihren Kommentaren das Wort ergreifen und die bestehenden Verhältnisse kritisieren.

Ja, dieses sprechen können für die eigenen Anliegen, dieses Dinge formulieren können, das war neu und fühlte sich richtig an.

Naiv, wie ich war, versuchte ich einige Argumente in Diskussionen (außerhalb der Anonymität) anzubringen – und scheiterte noch mehr als bei früheren Versuchen, echte Gleichberechtigung im Sinne von „Frauen sind frei, haben damit auch Verantwortung für ihr Handeln“ einzubringen. Die Debatte ist eben nicht frei und allein am besseren Argument orientiert, sondern von Tabus und ggfs. Druck von Interessengemeinschaften begrenzt und gesteuert.

Also, was tun, wenn der öffentliche Diskurs so verbrannt ist, dass man sich nur noch unter Pseudonym zu äußern traut, um nicht geächtet zu werden? Es wird immer einzelne Leute geben, sie sich im Vertrauen ähnlich unzufrieden äußern, aber wie kann man langsam hervortreten?

Mir helfen konkrete Erfolge, auf die ich verweisen kann wie die Gewaltschutzwohnungen für Männer, zuletzt in Sachsen eröffnet. Solche Sachen kann ich offen im Bekanntenkreis herumerzählen.

Das sind „einfache Ziele“, gegen die niemand direkt etwas sagen kann: Das Gegenteil, „Männer sollen nicht vor Gewalt geschützt werden“, ist schwer zu vertreten. Hier ist dann die Schweigespirale durchbrochen, das Trägheitsprinzip umgedreht.

Es erzeugt auch keine assoziative Dissonanz wie „Feministen verhindern bislang Gewaltschutzwohnungen für Männer“, bei der man sein Weltbild ändern muss und lieber Gründe sucht, warum das so ist („das kann nicht sein, dass Leute mit guten Absichten so etwas tun, da muss irgendetwas anderes dahinterstecken“).

Die Arbeit von Gleichmaß e.V. wie die Gewaltschutzwohnung in Gera hat also Wirkung weit über den Kreis der Betroffenen hinaus. Mir ist erst bei der aktuellen Diskussion aufgefallen, dass ich das offen nenne, ohne schon automatisch die üblichen Schutzmechanismen („wenn Du das sagst, wird Du sozial vernichtet“) auszufahren.

Also, das scheint ein Weg zu sein! Was wäre ein nächster Schritt?

Die bisherigen Artikel zum schnellen Nachlesen:

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Ich hatte schon einmal eine Liveversion gebracht – das Lied drückt meine verhalten optimistische Stimmung immer noch richtig aus.

Herbert Grönemeyer: Land unter

Gastartikel: crumar und die dicken Bretter, zweiter Teil

crumar hat sein Wort gehalten und tatsächlich Teil zwei geschrieben! Die Links habe ich ergänzt.

Ich möchte an meinem historischen Rückblick ansetzen, der im ersten Teil einen Bruchpunkt in *einem* Forum charakterisierte, nämlich den bei „telepolis“ zu einem feministischen Artikel von Birgit Gärtner im Jahr 2010.
Hier wurde die Autorin offensichtlich von der Redaktion wegen der Forenreaktionen gezwungen, den ursprünglichen Test um die gröbsten Falschaussagen zu bereinigen und erneut zu veröffentlichen.

D.h. die „Offensive in der Defensive“ – nämlich engagiert aus der Sicht des Lesers zu kritisieren – hatte Früchte getragen, auch weil „heise“ von seiner liberalen Moderationspraxis nicht abließ (ausdrücklich hervorgehoben).

Zwei Jahre später, also 2012 gab es zwei Ereignisse, die ich als Dammbruch charakterisieren würde und die fast zeitgleich erfolgten:

Am 12.4. erschien „Das verteufelte Geschlecht“ von Christoph Kucklick in der „Zeit“ und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf die *eigentlichen* gesellschaftlichen und historischen Gründe für die Entstehung *gesellschaftlich akzeptierter* Männerfeindlichkeit:

Der Feminismus hat die Ideologie der bösen Männlichkeit nicht erfunden, er hat diese nur für eigene Zwecke genutzt und oft sogar richtige und politisch segensreiche Schlüsse daraus gezogen.
Das Stereotyp vom unmoralischen, gewalttätigen, sexuell unersättlichen Mann ist weit vor dem Feminismus entstanden, an einer historischen Schlüsselstelle: zu Beginn der Moderne, um 1800. Die Geburt des maskulinen Zerrbildes ist also unmittelbar mit der Geburt der modernen Gesellschaft verbunden, seither schreiten beide, Moderne und verteufelte Männlichkeit, gemeinsam und untrennbar durch die Historie.
Das Unbehagen an der Moderne wurde zum Unbehagen am Mann.
Und umgekehrt.

http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner/seite-2

Der Lerneffekt: Wer den feministischen Begriff der „toxic masculinity“ bekämpfen will, indem er den Feminismus bekämpft, betreibt ein Art Schattenboxen.
Der Artikel ist in Gänze lesenswert! Sein Buch „Das unmoralische Geschlecht“ (quasi als Antwort auf „Das moralische Geschlecht“ von Lieselotte Steinbrügge geschrieben) wird bereits als Klassiker der Männerbewegung angesehen.
Da es sich um eine gekürzte Fassung seiner Promotion handelt, die nicht einfach zu lesen ist, empfehle ich eine Zusammenfassung in mehreren Teilen von Lucas Schoppe:

Zu Christoph Kucklicks Das unmoralische Geschlecht.
Teil 1: Warum Männerfeindschaft modern ist
Teil 2: Der liebesunfähige Mann: Vom alten Klischee zur revolutionären Neuheit
Teil 3: Politik und Kinderfeindschaft
Teil 4: Zeit für neue Lieder

Am 18.4. erschien beim „Spiegelfechter“ die „Eckpfeiler einer linken Männerpolitik“ von Arne Hoffmann und hier sind die Eckpunkte weniger wichtig, als herauszustellen, dass nach satten 1234 Kommentaren in drei Wochen das Forum geschlossen werden musste.
Eine solche Resonanz auf einen Beitrag eines ausgewiesenen Männerrechtlers hatte es bisher nicht gegeben.
Ebenso wenig die Möglichkeit, auf einem Blog zu veröffentlichen, von dem bekannt ist, der Autor schreibt in und für die „Nachdenkseiten„, einem im linken sozialdemokratischen Spektrum verortbaren Blog.

Nachdem sich Arne Hoffmann mit „Genderama“ zudem als „Blog des linken Flügels der antisexistischen Männerbewegung (Maskulismus)“ positionierte, waren sämtliche Versuche, die Männerechtsbewegung als „rechts“ zu denunzieren und auszugrenzen lächerlich geworden.
Endgültig mit Erscheinen von „Plädoyer für eine linke Männerpolitik“ 2014, einem absoluten Klassiker des linken Flügels der Männerrechtsbewegung. Nichtsdestotrotz gibt sich das Wikipedia-Geschwader von Fälschern, namentlich Fiona und nico b., natürlich noch immer Mühe seinen Eintrag „korrekt“ zu redigieren (ihn also als „rechts“ anzuschmieren).

Nachdem ich diese beiden Männer vorgestellt habe, ist es wichtig, sich deren akademischen Werdegang anzusehen: Christoph Kucklick studierte Politikwissenschaften und Soziologie in Hamburg, Arne Hoffmann Medienwissenschaften in Mainz.
Damit kann übergeletet werden zur politischen Forderung, die Geisteswissenschaften abzuschaffen: Ich halte diese Forderung für falsch.
Sie ist nicht nur falsch, weil die besten Kritiker des Feminismus und Genderismus offensichtlich selber Geisteswissenschaftler sind und diese Forderung auf ihre Selbstabschaffung hinauslaufen würde.

Sondern weil sich in der hier gestellten Frage, ein grober politischer Fehler, nämlich aus einem Gefühl von OHNMACHT abgeleitete Politik verbirgt:

Wie viele Geisteswissenschaftler gibt es denn, die man von feminismuskritischen Positionen oder gar von männerrechtlichen Positionen überzeugen könnte? Nach meiner Einschätzung sind das nicht viele.

Zunächst eröffnet Siggi eine m.E. falsche Frontstellung, nämlich WIR gegen „die Geisteswissenschaften“, die nicht existiert – siehe eben Arne Hoffmann und Christoph Kucklick.
Aber weil ein Gefühl der Ohnmacht ihm sagt, dass Geisteswissenschaftler per se nicht von unseren Argumenten zu überzeugen sind, muss eben „die Geisteswissenschaft“ sterben.

Das klingt zunächst einmal radikal, im Kern steht jedoch entweder das Eingeständnis der Ohnmacht, andere mit Argumenten nicht überzeugen zu können, weil diese ideologisch verbohrt sind oder das Eingeständnis unserer Schwäche, weil wir argumentativ nicht gut genug sind.

Da ich selbstbewusst genug bin zu behaupten, letzteres trifft nicht zu, läuft seine Forderung darauf hinaus, allen Geisteswissenschaften pauschal zu unterstellen, es handle sich um männerfeindliche, feministische Ideologieproduzenten.
Den Beweis für eine solche Behauptung kann jedoch nicht erbracht werden.

Nur weil sich eine feministische Bürokratie aus den Geisteswissenschaften rekrutiert, kann man nicht alle Geisteswissenschaften in Sippenhaft nehmen und kollektiv bestrafen.
Darauf läuft der Vorschlag aber hinaus und allein deshalb finde ich ihn grenzwertig.
Wenn man „die Feministische Infrastruktur und den Staatsfeminismus“ in seiner Macht beschränken willst, dann sollte DAS ein Thema sein.
Mitm erklärt hier, was wir darunter verstehen: maninthmiddle.blogspot.de/p/staatsfeminismus.html

Anders verhält es sich bei den „gender studies“, aber aus anderen, guten Gründen anders.
Leszek (ein Sozialwissenschaftler, übrigens) schrieb auf „Alles Evolution“ im Rahmen einer Antwort auf die Vorschläge:

Innerhalb der Geschlechter-Soziologie dominieren heute leider die Gender Studies. Ich bin allgemein dafür die Gender Studies einer gründlichen Evaluation zu unterziehen und dann alle Personen rauszuwerfen, die nicht wissenschaftlich arbeiten – wobei ich vermute, dass dann wenig von den Gender Studies übrigbliebe.

D.h. Leszek kritisiert die Unwissenschaftlichkeit der „gender studies“, die also (sozial/geistes-) wissenschaftlichen Standards nicht genügen.
Eine Wissenschaft zu kritisieren, bloß weil sie eine andere, von uns nicht gewünschte Positionen vertreten ist nicht ausreichend.
Sie aus diesen Gründen abschaffen zu wollen, wäre haargenau das, was wir unseren politischen Gegnern vorwerfen: Zensur und Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft.

Ich werfe Siggi nicht vor, dass er solche Auffassungen selber hat, sondern für die „radikalen Forderungen“, die Siggi präsentiert sehe ich andere Ursachen, die Leszek ebenfalls (kritisch) anführt:

Es ist m.E. recht offensichtlich, was der wesentliche Grund dafür ist, dass die Männerrechtsbewegung nicht schneller vorankommt: weil sie vor allem eine Internetbewegung darstellt und außerhalb des Netzes kaum in Erscheinung tritt.

Die Männerrechtsbewegung tut bislang das nicht, was jede andere soziale Bewegung auch tun musste um erfolgreich zu sein, nämlich auch im öffentlichen Raum als konstruktive soziale Bewegung in Erscheinung treten und gewaltfreie Aktionen durchführen. (…)

Solange Männerrechtler keine gewaltfreien Aktionen durchführen, wird sich der Fortschritt für die Männerrechtsbewegung eben langsamer vollziehen als es eigentlich möglich wäre.

https://allesevolution.wordpress.com/2017/02/08/es-wird-zeit-fuer-plakative-forderungen-fuer-extrempositionen-die-nur-im-indirektem-zusammenhang-mit-jungen-und-maennerrechten-stehen/#comment-279970

Ich sehe die Forderungen vor dem Hintergrund, dass wir uns in einer politischen Internetbewegung befinden, die alle Kennzeichen einer gefährlichen Filterblase hat.
Vor allem, sich und uns selbst ins Nirwana zu radikalisieren.
Seit 2012 (länger sind die meisten nicht tätig) geht es rasant aufwärts mit männerrechtlichen/maskulistischen Blogs, mit Kommentaren mit youtube-Videos usw., aber der Internet-Aktivismus springt nicht auf das echte Leben über.
Der Fehler ist m.E. angesichts dieser Rasanz der Entwicklung im Internet ungeduldig zu werden, weil man die Internetbewegung mit einer wirklichen politischen Bewegung verwechselt.
Das sind wir aber (noch) nicht.
Es würde helfen, wenn wir uns das eingestehen, geduldig bleiben, weiter männerfeindliche Scheiße fressen und dicke Bretter bohren (am Ende werden wir natürlich sowieso siegen).
Und irgendwann mal den Arsch hoch bekommen – „Komm ins Offene, Freund!“ 😉

Ende Teil 2

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Dass mich crumar daran erinnern muss…

Peter Licht: Wir werden siegen

Gastartikel: crumar zu den dicken Brettern, die gebohrt werden mussten

Ein weiterer Fall von „der Kommentar ist einen eigenen Artikel wert“: Siggi, der schon einen Gastartikel hier im Blog veröffentlicht hatte, äußerte sich zu der wiederkehrenden Frage „Was tun?“ dahingehend, dass es Zeit für Extrempositionen sei. Ihm antwortet crumar in einem längeren Kommentar und kündigt sogar noch weitere Teile an. Ab jetzt bis zu den Aktualisierungen O-Ton crumar, ich habe allein die Links ergänzt zwecks besserer Nachlesbarkeit:

Du hast am Anfang einen Kommentar auf „telepolis“ (heise) zitiert, aber das Bild wird erst vollständig, wenn du auch den Artikel nennst, auf den sich dieser Kommentar bezieht, bzw. durch den er angeregt worden ist.
Nämlich „Vergewaltigung: Spiel mit den Zahlen“ von Stephan Schleim vom 20.5.2016, in dem nicht nur die Zahlen der feministischen Lobby kritisiert, die unkritisch medial verarbeitet werden, sondern auch die Definition von bspw. der „sexuellen Belästigung“ aus „Studien“, die offensichtlich so weit gefasst worden ist, um solche aufgeblähten Zahlen zu ermöglichen.

Nun muss man wissen, dass „telepolis“ nicht „schon immer“ Kritik der Männerrechtsbewegung an feministischen Mythen veröffentlichte; das Gegenteil ist der Fall.
Auch auf diesem Medium gab es im Lauf der Jahre feministische, feministisch inspirierte, genderistische, gynozentrische Texte in Massen.
Das war mehr oder weniger die Leitlinie der Redaktion (speziell des Chefredakteurs Florian Rötzer).
Die wurden jahrelang gelesen und in den Kommentaren – mehr oder weniger sachkundig und mehr oder weniger radikal – kritisiert.

Eine Zeitenwende trat m.E. am 5.10.2010 ein, als Birgit Gärtner den Artikel „Jammernde Väter“ schrieb und in 854 (!) Kommentaren, größtenteils sachlich und inhaltlich, regelrecht in der Luft zerrissen worden ist.
Sie wurde daraufhin recht offensichtlich von der Redaktion genötigt den ursprünglichen Artikel zu verbessern, zehn Tage später erschien „Die Sorge der Mütter und die Rechte der Väter“ – ihr erging es allerdings in den 1116 (!) Kommentaren zum zweiten Artikel wenig besser.

Bis zu diesem Punkt war es also die beharrliche Kritik aus unserer Perspektive – nur in diesem einen Forum – die offensichtlich eine Veränderung der Mehrheitsmeinung in diesem Forum bewirkte.
Der Katalysator war dieser eine Artikel, bei dem die Forenmeinung offensichtlich war:
„Jetzt reicht es!“.
D.h. die Vorgeschichte zu dem von dir zitierten Kommentar von 2016 ist dieser Artikel von 2010 und das gloriose Scheitern dieses Artikels hat wiederum eine Vorgeschichte, die nach meiner Schätzung bis 2006 zurückreicht.
Es stimmt, es hat eine lange und beharrliche Arbeit erfordert, um an diesem Punkt anzukommen.
Dafür schreiben nun Twister und Schleim und andere *Artikel* auf „telepolis“ und nicht mehr nur *Kommentare* im Forum in unserem Sinne.

Dass die sehr pessimistische Sicht des Kommentators auf den Stand der Bewegung ausgerechnet zum kritischen Artikel von Stephan Schleim erfolgte, ist Angesichts der Tatsache, dass Stephan Schleim diesen Artikel überhaupt auf „telepolis“ veröffentlichen konnte, fast ein Widerspruch in sich.

Ich möchte nun noch einmal deinen Blick auf den Zeitraum von 10 Jahren lenken, der zwischen den Anfängen der Kritik in diesem Forum an der veröffentlichten offiziellen Meinung stand und bis zu dem Punkt reicht, in dem exakt dieses Medium auch die Kritiker selber veröffentlicht.
Es handelt sich bei unseren Anliegen leider um die Bohrerei in ganz dicken Brettern und auf „man tau“ hat Lucas Schoppe in mehreren, sehr lesenswerten Artikeln beschrieben, warum das bei Anliegen der Männerrechtsbewegung (für Männer und Jungen) *zwangsläufig* so ist.

Im Rückblick sollte man auch die Erfolge der Männerrechtsbewegung bis zum jetzigen Zeitpunkt betrachten und dazu gehört zweifellos das Phänomen der „sprechenden Männer“, die in zahlreichen Foren in ihren Kommentaren das Wort ergreifen und die bestehenden Verhältnisse kritisieren.
Auf „telepolis“ hat dies immerhin schon dahin geführt, dass wir in Artikeln selber sprechen dürfen, statt dass – wie in der „Süddeutschen“ – nur *über* uns gesprochen wird.

Aktualisierungen: Christian Schmidt beschäftigt sich bei Alles Evolution mit dem ursprünglichen Artikel. Siggi legt nochmal nach.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Den Ausdruck „sprechende Männer“ kannte ich noch nicht. Er ließ mich sofort an die Talking Heads denken… und die Zeile „you might get what you’re after“, also eine positive Aussicht.

Talking Heads: Burning Down the House

Fundstück: Haben 3 Jahre Beziehung eheähnliche Konsequenzen in Neuseeland?

crumar schreibt bei Alles Evolution:

Interessant, dass der Feminismus auf die Heiratsunwilligkeit von Männern bereits juristisch reagiert hat, indem bloßes zusammen wohnen in Neuseeland bereits nach 2-3 Jahren einen Eigentumstitel auf die Hälfte der Wohnung/ des Hauses und des Hausrats generiert.

Wer als Mann also vorher stolzer Besitzer dieser Wohnung, dieses Hauses war und voll eingerichtet, wird im Trennungsfall feststellen, „Beziehung“ kann ein ebenso teurer Spaß werden wie „Ehe“.

Erstaunlich ist, niemandem fällt auf, wie abwertend das für Frauen und Männer in Beziehungen ist, was Feministinnen über sie denken: Die Frau hat eigentlich so wenig Interesse an diesem Mann, sie muss dafür materiell entschädigt werden, nur mit ihm zusammen zu sein.

Und wie wenig dafür spricht, dass Feministinnen Frauen wirklich für Menschen halten, die ein eigenständiges sexuelles Interesse (an Männern) haben.
Denn in letzter Instanz bedeutet die materielle Gratifikation von Frauen in diesem Kontext: Wenn schon Beine breit, dann wenigstens für Geld.

D.h. was Gesetz geworden ist, ist die feministische Ideologie selbst und was diese über die Beziehung von Mann und Frau denkt und von ihr hält.

Das wäre tatsächlich etwas, was ich so bisher noch nicht gelesen habe. Ein schnelles Überfliegen des PDFs „Living Together“ von der New Zealand Law Society scheint crumars Einschätzung aber zu bestätigen. Mein lieber Scholli, wieso geht unter solchen Umständen überhaupt noch irgendein männlicher Neuseeländer eine Beziehung ein? Oder irre ich mich und es ist alles ganz anders? Kommentare erwünscht!

Sehr treffend der zweite Teil des Kommentars: Es ist einer Frau gar nicht zuzumuten, „einfach so“ (oder gar „aus Liebe“!) mit einem Mann zusammen zu sein. Dafür muss sie schon entschädigt werden (sog. „emotionale Arbeit“ – plus „Care-Arbeit“, wenn die Frau etwa den Haushalt macht).

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Knorkator besingt die Romantik in einer Beziehung…

Knorkator: Komm wieder her

Fundstück: Leszek verteidigt Konservative

Ganz im Sinne des gestrigen Beitrags geht es heute weiter, wenn es auch diesmal eines längeren Vorlaufs bedarf. Zu einem Artikel bei Alles Evolution, der ein Interview mit Jordan Peterson bespricht, schrieben crumar und Leszek sehr erhellende Kommentare.

Zunächst crumar:

So sehr ich das Anliegen von Jordan Peterson (ebenfalls bspw. Sargon) schätze und unterstütze in ihrem Kampf um „freedom of speech“, so sehr geht mir seine Unkenntnis und (angelsächsische) Ignoranz auf die Nerven.

Bevor ich dazu Beispiele für meine Kritik bringe, möchte ich ein weiteres Video mit ihm empfehlen, weil ich die Kritik an den SJW prinzipiell teile:

Seine in diesem Video vorgestellte These, seine Erkenntnisse bezüglich einer *autoritären Persönlichkeit auf der Linken* sei neu ist jedoch falsch und entweder eine Lüge oder der Tatsache geschuldet, dass er nur Veröffentlichungen im angelsächsischen Sprachraum zur Kenntnis nimmt.

Falls es noch niemandem aufgefallen ist: Die meisten Forscher und Forscherinnen im angelsächsischen Sprachraum können nur *in einer einzigen Sprache* lesen und schreiben, nämlich Englisch.

Was Peterson daher m.E. wahrgenommen hat, sind die in den USA veröffentlichten Forschungsergebnisse der „Frankfurter Schule“ zur „autoritären Persönlichkeit“, die schließlich 1950 in der Veröffentlichung der „The Authoritarian Personality“ mündete.

Dazu hier mehr: https://de.wikipedia.org/wiki/Autoritäre_Persönlichkeit

Hieraus geht hervor, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Konservativismus und autoritärer Persönlichkeit gibt.
Dies war natürlich leitend für die weitere Autoritarismus-Forschung.

Würde er jedoch Kenntnis von E. Fromms Studie von 1929/30, die später unter dem Titel „Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritte Reiches“ (sehr viel später) veröffentlicht worden ist, besitzen, dann wäre seine These abenteuerlich.

Denn die zentrale Erkenntnis dieser Studie war:

„Die Erwartung, daß sich bei den Arbeitern und Angestellten ein revolutionärer Charakter ausmachen ließe, der durch ein solidarisches, nicht konkurrentes und liebendes Ich gekennzeichnet sein sollte, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Viele Anhänger der politischen Linken waren gekennzeichnet durch den Widerspruch zwischen politischen Zielen, die auf eine Überwindung der Klassengesellschaft zielten, und persönlichen Haltungen, vor allem gegenüber Frauen und Kindern, die eindeutig einem autoritären Modell zuzurechnen sind.“

http://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/autoritaere-persoenlichkeit/1819

D.h. seine These ist wenig originell und schon mal gar nicht neu.
Dann unterschlägt er weiterhin alles, was Wilhelm Reich an einem autoritären Sowjetstaat in „Die Massenpsychologie des Faschismus“ kritisiert hat. Es ist 1946 auf Englisch erschienen; wenigstens so sollte er es gelesen haben.

Der Kommentar ist ursprünglich noch länger. Für mich spielte vor allem der Verweis auf die Forschung von Erich Fromm eine Rolle. Auf diese bin ich erst vor kurzem aufmerksam geworden, weil sie in dem Artikel „AfD, BNP, Front National, Norbert Hofer, Donald Trump – überall Rechtspopulismus?“ erwähnt wird. Dort geht es unter anderem um den französischen Soziologen Didier Eribon, welcher feststellt, dass die Arbeiterklasse durchaus rechts und autoritär sein kann: Warum die Arbeiterklasse nach rechts rückt (beide Quellen via Nachdenkseiten gefunden). Also insgesamt eine interssante These, die auch anderswo aufgegriffen wird.

Hierzu nun der vollständige Kommentar von Leszek:

Danke für diesen wichtigen Beitrag.

Eine kleine Ergänzung.
In Theodor W. Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ ist der autoritäre Charakter nicht als konservativ, sondern explizit als pseudo-konservativ bezeichnet worden.

Adorno und Horkheimer haben zudem in späteren Schriften deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine pauschale Gleichsetzung von autoritärem Charkter und konservativ falsch ist.

Max Horkheimer hat in der Spätphase seines Werkes mehrfach einen bestimmten Typus des Konservativen verteidigt, den er als humanistischen Konservativen beschrieb und den er deutlich vom autoritär gesinnten Konservativen oder vom Faschisten abgrenzte.

Max Horkheimer:

„Der wahre Konservative ist vom Nazi und Neonazi nicht weniger weit entfernt als der wahre Kommunist von der Partei, die sich so nennt, nicht unähnlich dem Christen im Verhältnis zur Kirche zur Zeit der Reformation und Gegenreformation. Nazis und Parteikommunisten sind Diener niederträchtiger Cliquen, die nichts anderes wollen als die Macht und ihre endlose Ausdehnung. Ihre wahren Feinde, der Gegenstand ihres Hasses, sind keineswegs, wie sie behaupten, die Totalitären der Gegenseite, sondern die, denen es mit der besseren, richtigen Gesellschaft ernst ist. Zwischen Achtung und Verachtung des Lebendigen verläuft die Trennungslinie (…).“

(aus: Max Horkheimer – Gesammelte Schriften Band 6: „Zur Kritik der instrumentellen Vernunft“ und „Notizen 1949 – 1969“, Fischer Verlag, 2008, S. 408 f.)

„Im übrigen habe ich oft betont, daß richtige Aktivität nicht bloß in der Veränderung, sondern auch in der Erhaltung gewisser kultureller Momente besteht, ja daß der wahre Konservative dem wahren Revolutionär verwandter sei als dem Faschisten, so wie der wahre Revolutionär dem wahren Konservativen verwandter ist als dem sogenannten Kommunisten heute.“

Nachzulesen hier:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45226214.html

„(…) Schopenhauer stand kritisch zur Welt, aber nicht kritisch im Sinne moderner Revolution, sondern kritisch im Sinne des Konservativen. (…) Er maß – wie sehr viele Konservative – die Welt an den Ideen, zu denen sie sich bekannte, und er fand einen krassen Unterschied; und das bestimmte weitgehend die Kritik, die er an der gesellschaftlichen Realität übte. Ich will jetzt nicht auf seine Metaphysik eingehen, die zwar sehr wichtig ist, sondern darauf hinweisen, dass die konservative Haltung ebenso kritisch sein kann, wenn sie eine wahre konservative Haltung ist, wie die ihr entgegengesetzte revolutionär-marxistische. Von Marx las ich erst nach dem Ersten Weltkrieg etwas, und ich fand manche Ähnlichkeit mit Schopenhauer, denn es schien mir, dass die Marxsche Lehre eigentlich ein Protest dagegen war, dass die Losungen der bürgerlichen Revolution – liberte, egalite, fraternite – in der Welt, die sich zu ihnen bekannte, nur für eine relative kleine Gruppe verwirklicht wurden. Und so kamen für mich diese beiden Denker zusammen.”

(aus: Max Horkheimer – Verwaltete Welt. Gespräch mit Otmar Herrsche. In: Max Horkheimer – Gesammelte Schriften Band 7, Vorträge und Aufzeichnungen 1949 – 1973, S. 364)

Und Adorno betonte in einem Rundfunktbeitrag von 1959 ausdrücklich, dass die autoritäre Persönlichkeit nicht an eine bestimmte politische Weltsicht gebunden ist und auch auf Seiten der Linken zu finden ist:

„Man beurteilte die autoritätsgebundenen Charaktere überhaupt falsch, wenn man sie von einer bestimmten politisch-ökonomischen Ideologie her konstruiere; die wohlbekannten Schwankungen der Millionen von Wählern vor 1933 zwischen der nationalsozialistischen und der kommunistischen Partei sind auch sozialpsychologisch kein Zufall. Amerikanische Untersuchungen haben dargetan, dass jene Charakterstruktur gar nicht so sehr mit politisch-ökonomischen Kriterien zusammengeht. Vielmehr definieren sie Züge wie ein Denken nach den Dimensionen Macht – Ohnmacht, Starrheit und Reaktionsunfähigkeit, Konventionalismus, Konformismus, mangelnde Selbstbesinnung, schließlich überhaupt mangelnde Fähigkeit zur Erfahrung. Autoritätsgebundene Charaktere identifizieren sich mit realer Macht schlechthin, vor jedem besonderen Inhalt.“

(aus: Theodor W. Adorno – Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, in: Theodor W. Adorno – Erziehung zur Mündigkeit, Suhrkamp, 2015, S. 17)

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Fahren wir doch einfach mit der Musik von Queen passend zur Saison fort:

Queen: A Winter’s Tale

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