„Rechtspopulismus hat eine weibliche Seele“ – über das Geschlecht von Politik und andere aktuelle Hirngespinste aus der ZEIT

Im 21. Jahrhundert ist es irgendwie Mode geworden, alles mögliche zu sexualisieren bzw. zu gendern. Sprich: geschlechtslosen Dingen ein Geschlecht anzudichten. In der Regel sah das im feministisch geprägten Diskurs so aus, dass coole, fortschrittliche Sachen „weiblich“ wurden und irgendwie blöde Sachen „männlich“. Gewalt ist männlich, die Zukunft ist weiblich, die Gesellschaft ist männlich, social skills sind weiblich. Eine Redakteurin der Zeit, Jana Hensel, ist auf diesen neumodischen Schnullifax reingefallen, hat ihn aber umgekehrt: Ihre steile These: „Der Rechtspopulismus“ ist weiblich.

Zunächst finde ich das bemerkenswert, weil dies eines der seltenen Beispiele aus der eher feministischen ZEIT ist, in denen Frauen negative Eigenschaften zugesprochen werden. Normalerweise ist es Usus, den „Rechtspopulismus“ als Bewegung abgehängter (oder privilegierter) Männer zu deuten, die gegen die „weibliche Zukunft“ ankämpfen. Die auffällige Häufigkeit von führenden medienwirksamen Frauen in der Neuen Rechten (bei gleichzeitig sehr geringem Frauenanteil in der Basis) wurde bisher kaum beachtet. Insofern ist Hensels Artikel schon mal tendenziell feminismuskritisch. Sie macht sogar klar, dass Frauen für Ausländerfeindlichkeit und radikale Ideologien ähnlich anfällig sind wie Männer. Außerdem thematisiert sie explizit, dass Politikerinnen menschenfeindliche Politik besser verkaufen können, weil ihnen durch ihr Geschlecht weniger Boshaftigkeit zugetraut wird, als Männern:

„Je gewaltloser [die Rechten] trotz ihrer aggressiven Politik erscheinen, desto erfolgreicher agieren sie. Frauen helfen ihnen dabei, denn es gehört nun einmal zu den ältesten Geschlechterklischees, dass Frauen gegenüber Gewalt abgeneigter sind als Männer.“

und weiter

„Der Rechtspopulismus brauchte dringend weibliche Protagonisten. Frauen konnten gerade im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise glaubhafter Ängste schüren als Männer.“

Alles sehr gute Punkte. Und schön, dass das in der ZEIT thematisiert wird, anstatt immer wieder die alte spießige Leier vom weiblichen Unschuldsengel abzuspielen.

Doch jetzt wird’s leider etwas krude. Hensel zitiert eine Studie der Psychologin Birgit Rommelspacher, die zu Frauen im Rechtsextremismus geforscht hat:

„Männer tun dies [gegen Ausländer sein] stärker über Gewalt und Konkurrenzverhalten – Frauen hingegen mehr über autoritäre Anpassungsforderungen“

Also sprich (wenn ich es richtig verstanden habe): fremdenfeindliche Männer wollen den Fremden als Person besiegen und fremdenfeindliche Frauen wollen seine Fremdheit, nicht aber die Person, besiegen. Leider wird diese interessante These nur so in den Raum gestellt ohne sie genauer zu erläutern oder auch nur ansatzweise zu belegen. Genau auf dieser äußerst dürftigen Grundlage baut nun aber die finale Aussage des Artikels auf:

„Der moderne Rechtspopulismus hat ein weibliches Gesicht und er hat auch eine weibliche Seele. Er ist ein Produkt des Feminismus, der Feminisierung unserer Gegenwart, ohne gleichzeitig feministisch zu sein.“

1. Frau Hensel erkläre mal bitte, was genau eine „Feminisierung der Gegenwart“ sein soll. Ich bin mir nicht sicher, ob es so was gibt. Vielmehr findet eine Genderung bzw. Sexualisierung von Politik statt, welche wiederum Produkt des unnötigen feministischen Geschlechterkriegs ist.

2. Der moderne „Rechtspopulismus“ hat vielleicht ein weibliches Gesicht, aber gleichzeitig auch genauso ein männliches. In erster Linie hat er aber ein geschlechtsloses Gesicht.

3. Mit „weiblicher Seele“ sind anscheinend diese Anpassungsforderungen („die Muslime sollen sich integrieren“) gemeint. Ich kann nicht erkennen, warum das grundsätzlich „weiblich“ sein soll. Konformität wurde schon immer mal mehr und mal weniger von Frauen und Männern gefordert. Wie genau die Studie von Rommelspacher aussieht würde mich da mal sehr interessieren.

Zwischendurch wird im Artikel übrigens ständig behauptet, die AfD wolle Frauen zurück in diese oder jene Rolle stecken. Belege für solche billigen Vorwürfe braucht es natürlich nicht. Davon und von anderen Schwächen des Artikels mal abgesehen – Hut ab für die kritische und unfeministische Betrachtung von Frauen in der Neuen Rechten.

Was gab es sonst so bei ZON zu lesen?

 

SEX-ALARM!! Tour de France ist sexistisch

Der feministische Kampf gegen die Frau als „Lustobjekt“ geht weiter. „Auch im Jahr 2017 sind Frauen bei der Tour de France noch immer nur schmückendes Beiwerk für heroenhafte Männer.“ Und das ist einem Christian Spiller von Zeit Online „peinlich“. Ich finde den Artikel besorgniserregend aber auch amüsant, weil hier ein unglaublich prüder Eiferer, im festen Glauben der Richtigkeit seiner Mission ganz unverblümt seinem Werk nachgeht. Man glaubt sich in Saudi Arabien. Inhaltlich lohnt der Artikel der tieferen Auseinandersetzung nicht, es ist die alte Leier: Frauen dürfen in Sportsendungen wie der Tour de France nicht mehr einfach nur schön aussehen (z.B. bei der Siegerehrung), sondern sollen entweder nicht dem etablierten Schönheitsideal entsprechen oder gefälligst den Mund aufmachen oder irgendwie aktiv sein. Aber einfach hübsch aussehen und nix sagen geht gar nicht! Denn dann sind sie ein schlechtes Vorbild. Dass sie dies jedoch sind, ist aber natürlich nicht ihre eigene Schuld, sondern die von irgendsonem Patriarchatsding. So lautet der Artikel inhaltlich zusammengefasst. Interessant am Artikel ist daher vielmehr, die explizit autoritär-prüde Rhetorik, die ich z.B. bei „Edition F“ oder „Pink Stinks“ – nicht aber unbedingt bei der ZEIT – erwartet hätte.

„Die Frau als Dekorationsobjekt neben keuchenden Männern, als Schmuckstück neben den Helden der Neuzeit. Menschen als Zierde wie ein Blumenstrauß oder eine Gürtelschnalle – das gibt es auch noch im Jahr 2017.“

Nein, Herr Spiller, nicht die Frau ist hier „Dekorationsobjekt“, sondern eine Frau. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Und dass Frauen auf körperlich starke und heldenhafte Männer stehen und dies dadurch zeigen, dass sie lächeln, schön für ihn aussehen und ihm Blumen und Küsschen schenken ist nichts verwerfliches. Und genau darum geht’s bei den Podiumsgirls. Sie zeigen uns, dass Männer, die sich außerordentlich anstrengen, nicht nur mit Geld belohnt werden, sondern auch mit der Gunst von Frauen. Und genauso ist es in der Welt auch (in der Regel). Und das empfinde ich als schön und als gerecht. Materialisten und feministisch-prüde Eiferer wie Spiller finden es „sexistisch“ oder „unmodern“.

„In der Formel 1 stehen die Grid Girls minimal bekleidet auf dem heißen Asphalt“

Au Backe, so viel nackte Haut auf einem Haufen; wenn das der Jesus wüsste! Müssen diese Weibsbilder auch immer so verdammt begehrenswert sein und das auch noch im Fernsehen zur Schau stellen?! Was sollen denn die Kinder denken!! Und die Männer erst – diese elenden Schweine glauben noch, dass es okay ist, schöne Frauen sexy zu finden, nur weil es ihnen im Fernsehen vorgelebt wird.

„Bevor nun wieder die Martensteins dieser Welt zu jammern beginnen, dass ihnen durchgegenderte, feminisierte Cis-Sitzpinkler den letzten Spaß im Leben rauben wollen, der für sie wohl darin besteht, deutlich jüngeren Frauen auf den Arsch zu schauen“

Nun Herr Spiller, was ist daran verwerflich, dass Männer sich gerne Pos von deutlich jüngeren Frauen anschauen? Was denn bloß? Genau: überhaupt nichts. Es sei denn natürlich, man verwechselt seine autoritäre Sex- und Männerfeindlichkeit mit Antisexismus. Vielleicht kann man daher einfach mal darüber nachdenken ob dieser Vorwurf der „Martensteins dieser Welt“ (also nicht-Feministen) ganz einfach gerechtfertigt ist.

„Poledance. Oder Lingerie-Football, in dem Frauen in Unterwäsche gegeneinander antreten. Sportarten also, die nur erfunden wurden, um Frauen in einem sexualisierten Kontext darzustellen.“

So was rückständiges aber auch. Frauen als sexy darstellen und dann auch noch nur in Unterwäsche. Widerwärtiges Drecks-Patriarchat!

„Der belgische Radprofi Jan Bakelants wurde vor dieser Tour de France von einer Zeitung gefragt, wie er drei Wochen ohne Sex auskomme. ‚Es gibt ja noch die Podiumsgirls‘, sagte er. Und dass er auf jeden Fall eine Packung Kondome mitnehmen werde, weil man ja nie wisse, wo die Podiumsgirls sich gerade herumtreiben.’“

Iiiih, oh mein Gott, sexuelle Abenteuer. Wie kann der nur glauben, dass er mit fremden Frauen Sex haben könnte? So ein Perversling! Ab in die Bibelschule mit dem und die 10 Gebote gepaukt, aber dalli!

„Die Zeiten ändern sich, ein wenig zumindest. Während der Olympischen Spiele in London 2012 wurden die Medaillen und Blumensträuße ausschließlich von Männern hereingebracht, ohne dass dabei das Abendland untergangen wäre. Die australische Radrundfahrt Tour Down Under schaffte die Dekofrauen unlängst ab. […weitere ähnliche Fälle…] Und vor ein paar Jahren wurden beim Formel-1-Rennen in Monaco einmal Grid Boys eingesetzt.“

Gott sei Dank müssen also die Christian Spillers dieser Welt, also die „durchgegenderten, feminisierten Cis-Sitzpinkler“, wie sie sich selbst betitelt haben möchten, bald keine heißen Mädels mehr bei Sportsendungen anschauen. Bald müssen sie sich nicht mehr für den 3-Meter-Turm und die zwei prall gefüllten Basketbälle in ihrer Hose während der Siegerehrungen schämen und dafür, dass sie diese armen Podiumsgirls mit ihren Blicken ausbeuten. Endlich müssen sie während der Werbepause nicht mehr schnell mal auf Klo gehen um dieses hochpeinliche Schandmal ihrer toxischen Männlichkeit in ein paar schnellen Handstreichen zu Fall zu bringen.

Diese Grid Boys sind dabei übrigens okay. Anscheinend sogar fortschrittlich. Wirklich ganz erstaunlich diese Logik.

Und sonst so?

 

Teresa Bücker (Edition F) in der ZEIT

Die Zeit übernimmt mal wieder einen Text von Edition F, dem radikalfeministischen Online-Schundmagazin für kapitalistische, männerfeindliche Karrierefrauen, die von sich selbst glauben, dass sie total sympathisch, feminin, cool und links sind. In dem Artikel von Edition F-Chefredakteurin Teresa Bücker geht es um die böse geschlechtliche Arbeitsteilung. Eine neue Studie hat mal wieder rausgefunden, dass Männer einfach so für das Wohl ihrer Familie arbeiten und Geld verdienen, während sie ihre Frauen die Drecksarbeit machen lassen (das mit diesen ekeligen Kinder-Dingern und so…). Ferner geht es um die Doppelbelastung von Müttern in höheren Positionen. Total fies findet Bücker, dass..

„46 Prozent der Vorgesetzten glauben, Mütter wollten im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen ohne Kinder weniger gern beruflich vorankommen.“

Vielleicht liegt das ja daran, dass diese 46% der Vorgesetzten eine Erziehung genossen haben, und daher davon ausgehen, dass sich Mütter um ihre Kinder und nicht nur um die Karriere kümmern wollen. Um es noch mal zu betonen: es geht um „weniger gern beruflich voran kommen“ und nicht um gar nicht. Die Einschätzung dieser 46% Vorgesetzten findet Bücker jedenfalls „mütterdiskriminierend“. Von einer Mutter zu glauben, dass sie Mutter sein will, ist nämlich Unterdrückung. Bücker geht auf ihrem Profil bei Edition F übrigens damit hausieren, dass sie eine „good-enough-mom“ (gut-genug-Mutter) ist. Vor dem Hintergrung ihres Artikels kann ich mir in etwa vorstellen, was das heißt.

Manspreading-Alarm in Madrid

Wie im guten alten 16. Jahrhundert erreicht uns das Gold aus Amerika über Spanien. Der spanische Verkehrskonzern EMT untersagt „Manspreading“ (also breitbeiniges Sitzen von Männern in der Öffentlichkeit) und schließt sich damit dem neusten feministischen Moraltrend aus der Neuen Welt an. Nachdem spanische femi-Aktivisten(die nach manchen Quellen ‚Mujeres en Lucha‘ und nach manchen Quellen ‚Microrrelatos Feministas‚ heißen) über eine Online-Pedition Stimmung gegen das patriarchale Ritual des „Manspreading“ gemacht haben, ist der Stadt-eigene (nicht private!) Verkehrsbetrieb EMT am 7. Juni darauf eingegangen und schmückt von nun an die Busse der spanischen Hauptstadt mit Warnschildern, die ein Männchen dabei zeigen wie es breitbeinig sitzt (während daneben frei ist) und zeigt durch ein Kreuz an, dass das Männchen sich falsch verhält. Gemütlich machen verboten, besonders für Männer? Na gut; darunter steht „Respektier den Platz der anderen“. Man kann das Schild also auch einfach nur so interpretieren, dass es EMT darum geht, grundsätzlich das -in der Tat störende- Verhalten zu unterbinden, dass sich Fahrgäste (egal ob männlich oder weiblich oder Apache-Helikopter) zu sehr ausbreiten (egal ob durch breitbeiniges Sitzen der Herren oder Handtasche abstellen bei den Damen oder Rotorblätter umherwirbeln bei den Apache-Helikoptern) und anderen Fahrgästen damit den Platz wegnehmen. Doch diese Interpretation wäre leider nur die halbe Wahrheit. Denn EMT und die Madrider Stadtverwaltung möchten dies explizit als Kampf gegen „Manspreading“ und als „Gleichstellung“ verstanden wissen. „Die EMT hat die Initiative in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsbehörde der Stadt Madrid ins Leben gerufen.“, schreibt die WELT, welche die Maßnahme übrigens angemessen findet (war’n die nicht irgendwie konservativ oder so?) und der amtliche Twitterkanal der Stadt stellt dies unter #manspreading.

Was ist so schlimm daran? Fahrgäste offiziell aufzufordern, anderen genug Platz zu lassen, ist in Ordnung. Aber das Fehlverhalten zu gendern, wie es beim Kampf gegen „Manspreading“ passiert, ist ungerecht. Erstens wird mit zweierlei Maß gemessen, da vergleichbares Verhalten bei Frauen ja ok zu sein scheint und zweitens bekämpft die Aktion nicht direkt das Wegnehmen von Platz sondern eine bestimmte Sitzhaltung an sich, gerade weil sie bevorzugt von Männern eingenommen wird und als „Dominanzgebaren“ oder dergleichen Unsinn interpretiert wird, egal ob damit tatsächlich jemanden der Platz weggenommen wird oder nicht. Und das nenne ich staatliche Schikane von Männern. Oder im Jargon der Maskulisten: sexistische Diskriminierung.

Bei Ze.tt (gehört zu ZEIT-Online) kommentiert übrigens der unvergleichlich stupide Till Eckert, der uns schon mit seinem Jahrhundertwerk  „Wie Männer den Feminismus unterstützen können“ viele tragikomische Minuten beschert hat.

Wer spanisch kann, sollte sich auch auf jeden Fall mal die offizielle Website der Madrider Stadtverwaltung zu Gemüte führen:

https://diario.madrid.es/

Feminismus und Kampf gegen „Macho-Gewalt“ scheinen dort für die linke Stadtregierung (Podemos und PSOE unter Bürgermeisterin Manuela Carmena) explizit Staatsraison zu sein. Aber mein Spanisch reicht nicht aus um da tiefer einzudringen.

 

HILLARY CLINTONS NIEDERLAGE: Keine Mutter für die Nation

So titelte die Schweizer Wochenzeitung WoZ die Niederlage Clintons gegenüber Donald Trump. Sehen sich weiße Frauen tatsächlich der Versuchung ausgesetzt, sich dem Unterdrücker anzuschließen, weil er ihnen die Teilhabe an der Macht vortäuscht und sich bis heute wenig daran geändert hat? Dieses Narrativ mag bei genauerem Hinsehen nicht richtig zu überzeugen.

Würde die WoZ identisch argumentieren, wenn Frauen wie Sarah Palin, Marine Le Pen oder Frauke Petry zur Wahl gestanden hätten?

Interessant wäre ja die Frage, ob dieses Narrativ (Frauen sind immer noch diskriminiert, Frauen solidarisieren sich lieber mit dem Unterdrücker, weil es ihnen Vorteile verschafft etc.), das die WoZ bzw. Anna Jikhareva erzählt, auch so geschrieben worden wäre, wenn ein Mann bei den Demokraten gegen eine Frau bei den Republikanern angetreten wäre: z.B. eine Frau wie Sarah Palin oder Marine Le Pen oder Frauke Petry? Vermutlich nicht! Da hätte die WoZ vermutlich die Frauen gelobt, die nicht Palin, Le Pen oder Petry gewählt haben, weil sie sich sonst „ideologisch“ in unlösbare Widersprüche begeben hätte. Das identitätspolitische Narrativ (Frauen sollten gefälligst Frauen wählen: alles andere ist unsolidarisch oder eben Komplizenschaft) funktioniert also nur unter ganz bestimmten Prämissen und ist deshalb nicht wahnsinnig stichhaltig bzw. valide.

Clinton hat sicherlich nicht einfach verloren, weil sie eine Frau war, sondern weil sie im Gegensatz zur Obama-Wahl 2012

  • bei allen Altersgruppen bis 64 Jahren prozentual weniger Stimmen als Obama holte;
  • bei allen Ethnien (Weiße, Afroamerikaner, Hispanics, Asiaten und Sonstige) prozentual weniger Stimmen holte als Obama:
  • und auch insgesamt bei den Frauen prozentual weniger Stimmen holte als Obama!

vgl. FAZ

Haben weiße Frauen die Privilegien ihrer Hautfarbe gewählt?

Auch die nachträgliche Begründung von  Jikhareva ist nicht sehr stichhaltig bzw. vollständige Spekulation, die besagt, dass die weißen Frauen lieber die Privilegien ihrer Hautfarbe gewählt haben. Die weißen Frauen, die insbesondere über überdurchschnittlich viel kulturelles Kapital besaßen, haben in hohem Masse für Clinton gestimmt. Diejenigen Frauen, die eben gerade hinsichtlich des kulturellen Kapitals nicht privilegiert waren, haben zu 62% für Trump gestimmt. Viel naheliegender dürfte die Interpretation sein, dass gerade weiße Frauen, die zur Unterschicht gehören und zu den Globalisierungsverlierern gehören, für Trump gestimmt haben.

vgl. SPIEGEL

Und was für Privilegien haben wohl diese weißen Frauen, die wenig kulturelles Kapital besitzen? Im Vergleich zu Männern, die wenig kulturelles Kapital besitzen, dürften sie auch noch weniger ökonomisches Kapital besitzen. Clinton konnte diese Frauen offenbar nicht wahnsinnig überzeugen, dass es ihnen mit ihrer Wahl besser geht.

Schließen sich Frauen lieber ihrem Unterdrücker an, weil er ihnen ein Teilhabe an der Macht vortäuscht?

Und dass sich weisse Frauen ausgesetzt sehen, sich dem Unterdrücker anzuschließen, ist auch nichts weiter als Spekulation. Was genau hätte den Clinton für diese weiße Frauen mit wenig ökonomischem und kulturellem Kapital zu bieten gehabt? Wollte Clinton die Lohnquote für die Arbeitenden erhöhen? Oder ganz allgemein den Gini-Index der USA verbessern, folglich die Kluft der Einkommens- und Vermögensverteilung verringern? Oder wollte sie dafür sorgen, dass die USA weniger eine Plutokratie bzw. Oligarchie ist und ganz allgemein die politische Partizipation der unteren Klassen stärken? Hat Obama irgend etwas diesbezüglich erreicht? Außer der Entspannung zu Kuba und dem Iran sowie Obamacare findet man bei Obama keine nachhaltigen Verbesserungen.

Auch die Aussage, dass die Wahl von Trump für die Frauen ökonomisch negative Folgen haben wird, ist reinste Spekulation und es fehlt jegliche Begründung dafür.

Eine Mehrheit der Menschen wollte einen „Change“ und nicht den Status Quo

Der restliche Text von Jikhareva, der die schwache Repräsentation der Frauen in Exekutive und Legislative in den USA beklagt, mag zwar grundsätzlich richtig sein, ist jedoch für die Analyse der US-Präsidentschaftswahl 2016 mehrheitlich irrelevant. Seit 1945 gab es in den USA nur einmal eine Phase, in der die gleiche Partei ununterbrochen 12 Jahre bzw. drei Amtszeiten hintereinander den Präsidenten stellen konnte. In allen übrigen Phasen konnte die gleiche Partei höchstens 8 Jahre den Präsidenten stellen. Ein großer Teil der Menschen in den USA wollte einen Wechsel (Change) und den erhält man nicht, wenn man noch einmal einen Präsidenten wählt, der aus der selben Partei stammt wie der Vorgänger und schon gar nicht, mit einer Präsidentschaftskandidatin, die innenpolitisch den Status quo weiterführt.

Entscheidend waren die Staaten des Mittleren Westens: Globalisierungsverlierer

Entscheidend bei dieser Wahl waren nun mal die Staaten Ohio, Pennsylvania, Michigan und Wisconsin. Also Staaten, mit überdurchschnittlich hohem Anteil von weißen, wenig gebildeten Menschen, die man unter die Globalisierungsverlierer subsumieren kann. Clinton hatte hier Mühe zu punkten, weil die protektionistischen Sprüche von Trump nun mal glaubwürdiger waren als analoges von Clinton.

Fazit

Das mehrheitlich identitätspolitische Narrativ von Anna Jikhareva ist m.E. überwiegend falsch. Es ist vornehmlich ein ideologisches Narrativ, das nur dann funktioniert, wenn eine Frau bestimmte Voraussetzungen mitbringt wie dies bei Hillary Clinton der Fall war (Mitglied der demokratischen Partei, identitätspolitische, postmodernistische und intersektionale Programmatik), jedoch bei anderen Frauen, die z.B. eher konservativ, rechtspopulistisch oder protektionistisch politisieren, nicht angewendet werden kann/darf, weil sich sonst die Autorin ideologisch in unlösbare Widersprüche verstrickt. Es ist somit ein ideologisches Narrativ, das eben gerade die komplexe empirische Realität aussen vor lassen muss, damit die Ideologie durchgehalten werden kann. Die Realität ist also komplexer, als es Ideologen gerne hätten.

Quellen:

WoZ-Artikel: HILLARY CLINTONS NIEDERLAGE Keine Mutter für die Nation

PLAN International – wieviele Patenschaften von Mädchen habt Ihr? – offener Brief aufgrund des Sexismusvorwurfs gegen PLAN

… und wieviele von Jungen?

Liebes „PLAN International“-Team,

mein Name ist Ludger Pütz und ich lebe in Kolumbien, wo PLAN International ebenfalls tätig ist.

Seit einigen Jahren lese ich immer wieder von Ihren weltweiten Aktionen und Ihrem Einsatz für Kinder. Sich für hilfsbedürftige Kinder in der Welt einzusetzen, finde ich eine ganz tolle Sache, die es sich zu unterstützen lohnt. Doch Ihre Werbung macht mich immer wieder stutzig darüber, ob Ihr wirklich Kindern helft – also Mädchen UND Jungen gleichermaßen – oder doch NUR bzw. hauptsächlich Mädchen.

Wenn ich mir Ihre Projektlisten anschaue, dann sieht es ganz danach aus, dass Ihr Euch auf Mädchen und junge Frauen konzentriert.

tl;dr – Falls Ihnen der Brief zu lang zum lesen sein sollte, was ich verstehen kann, bitte ich Sie, zum dunkelgrün markierten Absatz zu springen, in dem ich meine Fragen an Sie formuliere.

Durch die aktuelle Debatte, die auf Ihrer Facebookfanseite stattfindet, merkte ich, dass ich nicht alleine mit Weiterlesen „PLAN International – wieviele Patenschaften von Mädchen habt Ihr? – offener Brief aufgrund des Sexismusvorwurfs gegen PLAN“