Mehrwertsteuersenkung auf Tampons beschlossen: Quengeln und Lügen hat geholfen

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Diese Petition auf Change.org hatte mit 190 000 Unterschriften Erfolg. Sie suggeriert fälschlicherweise, dass Tampons im deutschen Steuerrecht als „Luxusgegenstand“ gelten.

Wie die FAZ meldet, hat der Bundestag am Donnerstag die Senkung der Mehrwertsteuer auf Tampons (und E-Autos) beschlossen. Dem Voraus ging eine Petiton auf Change.org, die eine solche Senkung der Mehrwertsteuer forderte und von mehr als 190 000 Menschen unterschrieben wurde. Bei den beiden Initiatorinnen der Petition handelt es sich um Nanna-Josephie Roloff und Yasemin Kotra, die beide SPD-Mitglieder sind und nach eigenen Angaben „Sozialökonomie bzw. Politik und Öffentliches Recht studiert“ haben, sich also mit der Materie auskennen (müssten). Trotz (oder wegen) ihres Fachwissens und ihrer Vernetzung in der SPD nehmen es die beiden jungen netten Aktivistinnen aber mit der Wahrheit nicht immer ganz so genau:

In Deutschland gibt es zwei unterschiedliche Mehrwertsteuersätze: Den generellen Satz von 19% und den ermäßigten von 7%.

Soweit richtig.

Der ermäßigte Steuersatz gilt für Grundnahrungsmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs.

Jein. Viele Dinge des alltäglichen Bedarfs (vorallem Lebensmittel) sind ermäßigt besteuert; andere (z.B. Kleidung) hingegen nicht. Andersrum gilt der ermäßigte Steuersatz von 7% auch für unverzichtbare Grundbedürfnisse, wie Kinobesuche, Schnittblumen, Katzenfutter oder Sammlermünzen. Warum auch immer. (Wer sich für die ermäßigten Waren/Dienstleistungen interessiert: hier die amtliche Liste). Weiter im Text:

Menstruationsartikel, also Tampons, Binden, Menstruationstassen, Panties, etc. fallen nach dieser Einteilung unter die Kategorie „Luxusartikel“, da sie mit 19% besteuert werden.

Falsch. Und angesichts dessen, dass die beiden Damen vom Fach es besser wissen müssten: Lüge. Es gibt keinen besonderen Mehrwertsteuersatz für „Luxusartikel“. Tampons und andere Hygieneartikel werden mit dem regulären Mehrwertsteuersatz besteuert, der -um einen alten Klassiker zu zitieren – „AUF ALLES (außer Tiernahrung)“ erhoben wird: Nämlich die ganz normalen 19%, die auch für „Luxusartikel“ wie Hosen, Kochtöpfe und Kugelschreiber gelten. Genau dieses falsche Gerede von einer Luxussteuer, die auch von manchen Medien unkritisch widergegeben wird, ist es, die der Petition die Unterstützer in die Arme treibt und sie schlussendlich ins Parlament gebracht hat. Die folgende Skandalisierung ergibt sich quasi als Folgefehler:

Die hohe Besteuerung dieser Produkte stellt eine fiskalische Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts dar, die das Grundgesetz eigentlich nicht erlaubt.

Selbst wenn wir annehmen, dass diese Behauptung zuträfe, dass 19% Mehrwertsteuer gegen das Grundgesetz verstoßen, wie krass wäre diese Diskriminierung eigentlich, wegen der die armen gebeutelten Frauen „finanziell bluten“ müssen, wie es RTL.de poetisch beschreibt? Christian von AllesEvo hat schon vor 3 Jahren ausgerechnet, wie viel eine Frau durchschnittlich sparen würde, wenn die Mehrwertsteuer für Tampons auf 7% gesenkt wird. Sein Ergebnis:

Demnach geht es hier um ein Ersparnis über das Leben einer Frau gerechnet von:

  • bei den billigen Tampons: 6,93 € (pro Periode 0,015 €)

  • bei den teuren Tampons: 156,34 € (pro Periode 0,34 €)

Ich habe die Zahlen nachgerechnet und komme auf höhere, aber in etwa vergleichbare Ergebnisse. Auch der Spiegel geht von ähnlichen Zahlen aus, auch wenn er redlich bemüht ist, die Zahlen aufzubauschen:

Nicht mitgerechnet: Die vielen Tampons, die in Handtaschen und unterwegs verloren gehen.

Da werden die Fakten knallhart auf den Tisch geballert, dass die Tampons fliegen. Aber leider nichts zu machen. Es bleibt dabei: Die Frau kann durch die Mehrwertsteuersenkung Geld im Wert von ein paar Kuchenkrümeln pro Monat sparen. Und dafür dann das ganze Gezeter und dutzende Artikel über „Luxussteuern“ und „Diskriminierung“. So geht Feminismus! So geht SPD! Es ist reine Symbolpolitik und Relevanzsimulation und ein Vorwand für den sich breit machenden feministischen Fetisch um Menstruationsblut.

Mir persönlich ist es gleich, ob Tampons mit 19% oder 7% besteuert werden und das zugrunde liegende System, was ermäßigt besteuert wird und was nicht, kann ich eh nicht ganz nachvollziehen. Doch angesichts dessen, dass das neue Gesetz durch unnötige Skandalisierung und verzerrte Darstellung der Rechtslage befeuert wurde, wäre es besser, wenn man es demonstrativ abgelehnt hätte, um dieser unehrlichen Art des politischen Aktivismus und der Symbolpolitik eine Abfuhr zu erteilen.

14 Kommentare zu „Mehrwertsteuersenkung auf Tampons beschlossen: Quengeln und Lügen hat geholfen“

  1. »So geht Feminismus! So geht SPD! Es ist reine Symbolpolitik und Relevanzsimulation und ein Vorwand für den sich breit machenden feministischen Fetisch um Menstruationsblut.«

    Genau so ist es! Und diese »Relevanzsimulation« ist heute eine zentrale Funktion des Feminismus, denn zur Relevanzsimulation kommt auch noch die Kompetenzsimulation der Politik. Wer sonst nichts mehr auf die Reihe kriegt, der bearbeitet halt ein feministisches Thema.

  2. Es geht im Kern um die Vergesellschaftung der Versorgung von Frauen. So werden Frauen, die nicht arbeiten wollen, vom Staat unterstützt und nicht mehr wie vor Jahrhunderten vom Mann.
    Anders ist es nicht erklärbar, dass Windeln weiterhin der „Luxussteuer“ unterliegen und gleichzeitig bejammert wird, dass immer mehr Kinder unterhalb der Armutsgrenze leben müssten.
    Es ist schon widerlich, dass in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft inzwischen Frauen als beschützens- und unterstützenswerter gesehen werden als unsere Kinder… Dass die Kinder hinten runterfallen, ist die ekelhafteste Fratze des Feminismus und zeigt, wie es mit der sog. weiblichen Empathie wirklich aussieht.
    #regrettingmotherhood

    1. Also ich hab zunächst mal deinen Rechenweg, bzw. deine Zahlen übernommen:

      „Das wären also 9120 Tampons [im gesamten Leben einer Frau], in Deutschland kostet ein Tampon der Marke OB je nach Packungsgröße und Ausgestaltung zwischen 0,07 € und 0,17 €

      Also wären die Ausgaben im Leben bei 19%

      bei 0,07 € = 638,40 €
      bei 0,17 € = 1550,40 €“

      Dann habe ich den nicht-versteuerten Grundpreis ausgerechnet, indem ich 19% vom Preis abziehe. Wenn ein Stück der günstigen Kategorie 0,07 € kostet (inklusive Mwst) beträgt der Grundpreis also 0,0567€.

      Für die teure Kategorie von 0,17€ beträgt der Grundpreis 0,1377€

      Jetz addier ich 7% auf diese Grundpreise:

      billige Kat: 0,067€
      teure Kat: 0,1477€

      Diese beiden neuen Preise (inkl. 7% MwSt) werden mit der Zahl 9120 auf das ganze Leben hochgerechnet:

      billige Kat: 611,04€ (bei dir: 631,46 €)
      teure Kat: 1343,73€ (bei dir: 1394,06 €)

      Jetzt die Differenzen um die engültige Ersparnis für das gesamte Leben auszurechnen:

      billige Kat: 638,4 – 611,04 = 27,36€ Ersparnis (bei dir: 6,93 €)
      teure Kat: 1550,4 – 1343,73 = 206,67€ Ersparnis (bei dir: 156,34 € )

      Diese extrem niedrige Zahl von 6,93 hat mich bei dir stutzig gemacht. Allerdings ist der Abstand zwischen meinen beiden Zahlen sogar noch höher als bei dir. Wer weiß. Ichhabe bestimmt auch irgendwelche Fehler eingebaut.

      1. Grundpreis 19% 7% 19% 7% Ersparnis
        5,88 7,00 6,29 638,40 574,02 -64,38
        14,29 17,00 15,29 1550,40 1394,06 -156,34

        Ich habs mehrfach hin und her gerechnet. Das Verhältnis der Grundpreise zueinander muss ja am Ende dasselbe sein, wie das Verhältnis der Ersparnisse zueinander.

      2. „…Grundpreis ausgerechnet, indem ich 19% vom Preis abziehe…“
        Das ist falsch.
        Wenn auf einen Grundpreis 19% MWSt draufgeschlagen werden, so kann man in der Gegenrechnung nicht einfach wieder die 19% abziehen.
        Beispiel: Grundpreis wäre 84 €
        19% MWSt drauf wären 84 € * 0.19 = 15.96 €
        84 € plus 15,96 € MWSt ergibt dann 99,96 € Endpreis.

        Dementsprechend muss vom Endpreis 15,9664 % abgezogen werden, um auf den Preis ohne MWSt zu gelangen. Und dann wieder 7% drauf für die zukünftige Variante.

        Mathematisch:
        Jetziger Endpreis * 0 .840336 * 1.07 = zukünftiger Endpreis
        oder
        Jetziger Endpreis * 0.89916 = zukünftiger Endpreis

        Oder:
        Ersparnis ist 10,084% vom jetzigen Endpreis.

        Damit stimmen die 156 € Ersparnis in der teureren Kategorie bei Christian.
        Bei der günstigeren Variante liegt die Ersparnis bei 64.38 €

        Wem das mit dem Hoch und Runter mit den Prozenten zu knifflig erschien:

        100 + (50% von 100) = 150
        aber: 150 -(33,33% von 150) = 100

      3. @kardamom

        Hast recht. Meine Grundpreise sind dann also falsch. Ich hab sie jetzt noch mal mit Dreisatz nachgerechnet, dank dieser Seite:
        https://www.gut-erklaert.de/mathematik/prozentrechnung-durch-dreisatz.html :

        „Ein Auto kostet 30.000 Euro beim Händler. Enthalten sind 19 Prozent Mehrwertsteuer. Was kostet das Auto netto?

        Lösung:

        Hier gibt es einen großen Fallstrick. Die 30.000 Euro sind nicht 100 Prozent, sondern 119 Prozent. Auf 100 % Nettopreis kommen 19 MwSt. drauf.“

        Genau den dort beschriebenen Anfängerfehler habe ich gemacht und mit 100% gerechnet, statt mit 119.
        Meine neuen Ergebnisse sind jetzt:

        billige Kategorie: 64,6€ Ersparnis
        teure Kategorie: 155,6€ Ersparnis

        Christian hat sich bei seinem Wert von 6,93 € Ersparnis in der biligen Kategorie anscheinend in der Kommastelle geirrt. Die restlichen Abweichungen sind trivial.

  3. »So geht Feminismus! So geht SPD! Es ist reine Symbolpolitik und Relevanzsimulation und ein Vorwand für den sich breit machenden feministischen Fetisch um Menstruationsblut.«

    Ich würde eher sagen: billigster Populismus und Reaktionär! Jene Art des Politisierens, die man bei den anderen Parteien ankreidet, und man nicht zu schade ist, sofort nach sach- und nicht gefühlsbezogenen Entscheiden schreit…

    1. Na klar, Fakten soweit wie es gerade noch geht zum eigenen Vorteil verzerren und dann mit maximaler Lautstärke jammern. Der Balken muss gut durchgebogen sein und schon unten ein paar Risse haben, aber gerade noch so halten. Dann hat mans richtig gemacht. Krachen sollte der Balken immer erst dann, wenn man selbst nicht mehr drunter steht.

  4. Glauben die Frauen tatsächlich, dass die Tampons und Binden dadurch billiger werden?
    Und wann werden endlich Rasierapparate und Rasierklingen mit dem ermäßigten Satz besteuert? Soll es weiterhin Luxus sein, sich zu rasieren?

    1. „Glauben die Frauen tatsächlich, dass die Tampons und Binden dadurch billiger werden?“

      Die fleißigen Aktivistinnen und involvierte Politiker glauben das wahrscheinlich eher nicht, denn diese kümmerlichen Zahlen sind denen wahrscheinlich bekannt (waren ja auch im Spiegel und bei Huffpost, wenn auch nicht so klar dargestellt wie hier). Die normalen Frauen allerdings, denen man erfolgreich suggeriert hat, dass es eine Luxussteuer auf Tampons gibt, die erhoffen sich jetzt wahrscheinlich tatsächlich eine echte Ersparnis und werden dann wohl eher nicht so begeistert sein.

  5. „Die vielen Tampons, die in Handtaschen und unterwegs verloren gehen.“

    Ich behaupte mal das mir auch ständig irgendwelche Sachen verloren gehen. Deswegen fordere ich jetzt vom Staat dafür Vergünstigungen.

    Das ist echt schon der Hammer. Eine Lüge reichte wohl nicht.

  6. Nanna-Josephine Roloff, eine der beiden Initiatorinnen, hat auf Twitter auf den Artikel geantwortet:

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