Ja, am politisch korrekten Karneval arbeitet sie sich ab. Man könnte an dieser Stelle mal überlegen, was Karneval seit, ja, seit immer schon ist. Was Karneval tatsächlich in seiner Essenz ist. Und dann könnte man sich laut lachend von dieser Diskussion abwenden.
Aber es geht Anke Schipp in der FAZ ja um die Kinder. Das zieht immer. Anständigerweise und eben auch aus Gründen der Statistik sollte man Frau Schipp durchschnittliche Intelligenz zubilligen. Aber man muss nur bis hierhin lesen, um diese Vorschusslorbeeren zurückzuziehen:
Wie bei dem dreijährigen Caiden aus Virginia, der sich vor gut zwei Jahren zu Halloween als Eiskönigin verkleidete. Sein Vater postete davon ein Foto auf Facebook und schrieb: „Bleibt ihr bei eurem maskulinen Mist und den ordinären Kinderkostümen. An Halloween geht es aber um Kinder, die sich als ihre Lieblingsfiguren verkleiden. Und diese Woche ist seine eine Prinzessin.“
Ein Hoch auf alle kleinen Jungs, die Prinzessin sein wollen. Aber maskuliner Mist? Ist das die Vorstellung von Gleichberechtigung, von Respekt vor allen Lebensentwürfen oder auch Karnevalskostümen? Sicher, nicht Frau Schipp hat das geschrieben, sie hat es nur zitiert. Aber kann man nicht von einer durchschnittlich intelligenten Frau, die sich anscheinend viele Gedanken zur Geschlechtergerechtigkeit gemacht hat, zumindest erwarten, dass sie sich von einer solchen Formulierung distanziert? Das tut sie nicht und als Leser kann man mit Fug und Recht annehmen, dass „maskuliner Mist“ eine akzeptable Formulierung für die Autorin ist.
Weiter muss man diesen belanglosen Mist eigentlich gar nicht lesen, auch wenn die Autorin tatsächlich zu mehr Toleranz aufruft, wenngleich diese an Karnval ausgelebten Genderklischees grundsätzlich bedenklich seien. Wir sind ja immerhin noch bei der FAZ und nicht bei ZEIT, Spiegel oder der Süddeutschen.
Natürlich schauen sich Kinder das meiste von anderen Kindern ab und nicht von ihrer Mutter. Meine Töchter haben mich niemals im Prinzessinnenkleid gesehen, allenfalls im kleinen Schwarzen. Aber sie sehen die größeren Mädchen im Kindergarten Prinzessinnenkleider tragen, sie lesen Märchen, in denen Prinzessinnen vorkommen, sie sehen Filme wie „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ und „Die Eiskönigin“. Natürlich sehen sie auch andere Filme, aber zu Fasching gehen sie trotzdem nicht als „Pettersson und Findus“ oder „Paddington“.
Interessant ist, was sie auslässt, was sie unterschlägt. Was sehen die kleinen Mädchen denn tatsächlich? Sie sehen ihre großen Schwestern, die ab Geschlechtsreife zu den Schlampenkostümen tendieren. Katzenohren, Stupsnasen, Miniröcke und nackte Beine bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Ich finde das moralisch gar nicht verwerflich, junge Mädchen sind unsicher, wollen gefallen und finden oft nicht das richtige Maß bei der Wahl ihrer Klamotten. Ein Problem eher für die Eltern und die jungen alkoholisierten Männer, die es nicht immer leicht haben, unter der Schminke zu sehen, ob sie ein 13-jähriges Mädchen vor sich haben. Die jungen Frauen wiederum sehen ihre Mütter und deren Generation, die natürlich auch sehr gerne in optisch ansprechenden Kostümen aufwarten und die genau wie die Männer durchaus auch auf Sex und nicht nur Feiern aus sind. Aber nein, Frau Schipp, es ist natürlich völlig unverständlich warum Ihre Tochter das Prinzessinnenkleid wählt, obwohl Sie noch nie eines getragen haben.
Und die Jungs mit ihrem „maskulinen Mist“? Nun ja, SWAT-Verkleidungen sind einfach, recht einfallslos, aber gruppengeeignet. Cowboys für große Kinder. Aber wer Karneval nicht allein nach Hause gehen will, wählt besser nicht das Gollum-Kostüm oder die süße Tigerente. Arzt ist besser geeignet und die ganzen Piloten haben eine Mütze auf. Das sieht autoritär, dominant, statushoch aus und es macht insbesondere noch ein bisschen größer. Worauf die Kätzchen und Minnimäuse stehen.
Oder wie Frau Schipp zu kurz springt:
Jungs werden als Ritter plötzlich mutig.
Danke Frau Schipp für soviel Toleranz. Und vielleicht haben Sie über die Fastenzeit mehr Muße über diesen Themenkomplex nachzudenken. Dem Rest viel Spaß an Karneval.
„(…)Wie bei dem dreijährigen Caiden aus Virginia, der sich vor gut zwei Jahren zu Halloween als Eiskönigin verkleidete.(…)“
3 – 2 = 1
Verstehe ich das richtig, ein einjähriger Junge hatte seinen Herzenswunsch artikuliert als Prinzessin zum Fasching zu gehen?
Konnte der damals überhaupt schon gehen?
Das Bekämpfen von Geschlechterstereotypen erinnert mich manchmal schon so ein bisschen an Kindesmissbrauch.
Und im Prinzip wird einfach nur alles herumgedreht, so dass die Mädchen zu Jungs werden und die Jungs zu Mädchen.
Yeah Yeah Yeah (Walter Ulbricht über moderne Musik)
Hier ab Sekunde 58: https://www.youtube.com/watch?v=dFe_tsALBu0
Ist das was grundlegend Anderes? – Zum Glück stößt den meisten Leuten jede Sorte moralinsauere Besserwisserei übel auf.
traurig, wenn man ausgerechnet an Karneval, der ja genuin ein Durchbrechen von Klischees, Mustern und Normen sein soll, schon wieder ein Opfer derselben wird und Gruppennormen / irgendeiner political correctness folgen muss…
Schön von Dir zu hören!