Jonas hat es erst gestern behandelt, aber gerade überstürzt es sich. Nachdem die FPD eine entsprechende Ansage gemacht hat, Frau Merkel Kompromissbereitschaft angedeutet hat, war jetzt die SPD die schnellste. Erinnert mich an den Streber aus der ersten Bank, der immer „hier“ gerufen hat, wenn sein nerviges Fingerschnippsen bei der Lehrerin nicht gefruchtet hat. Die sogenannte Ehe für alle kommt wahrscheinlich noch diese Woche. Ach was sage ich, in einer Stunde ist die beschlossen. Wurde ja auch dringend Zeit.
Auch wenn natürlich die Ehe zu dritt, die Ehe mit Kindern oder Staubsaugern gar nicht gemeint ist. Auch Singles werden jetzt nicht zur Heirat gezwungen, aber Ehe für alle klingt so viel schöner als Homo-Ehe. Was das richtige Wort wäre und ich den Verwendern des Begriffs Ehe für alle erstmal Homophobie unterstelle.
Letztens wurde die Rehabilitation für Schwule beschlossen. Nur ein paar Jahrzehnte zu spät. Und die Entschädigung für die Opfer ist so mickrig, daß es eigentlich eine zusätzliche Beleidigung, einen nachträglichen Tritt in den Hintern der Opfer darstellt. Pfui! Wenn ich angesichts dieses beschämenden Ereignisses daran denke, wie schnell es auf einmal mit der Homoehe geht, so werde ich mächtig sauer.
Was ich selbst von der Homoehe halte? Alles prima. Eine gute Entscheidung. Mit einem klitzekleinen Aber. Denn wenn ich dafür kämpfe, daß auch (Trennungs-)Väter wichtig für ihre Kinder sind, so kann ich mich nicht der Einsicht verschließen, dass in Fällen der Adoption auch darauf geachtet werden sollte, daß Vater und Mutter wichtig für Kinder sind. Natürlich geht es auch ohne. Auch mit nur einem Elternteil (oder hier: einem Geschlecht) können Kinder glücklich heranwachsen und tun dies in aller Regel auch. Trotzdem, besser ist es meistens mit beiden. Diesen Aspekt hätte ich gerne irgendwie auch berücksichtigt gesehen. Nicht als sine qua non, aber eben auch berücksichtigt. Nachdenken über das Kindeswohl fällt jedoch aus, wenn es um die neue, bessere, gute Gesellschaft geht, die der Feminismus formen will.
Und mal ehrlich. Was ändert sich? Verkürzt gesagt, wird die Homoehe dazu führen, daß Lesben den Erzeuger aus dem Stammbuch tilgen können. Naja, jedenfalls den bessergestellten und den wirklich alleinstehenden Müttern. Der Rest kann sich nicht leisten auf den Unterhalt zu verzichten. Denn Mutter werden ist für Lesben kein Problem und wird auch regelmäßig praktiziert. Auch ohne Homoehe.
Und Schwule? Nun ja, in ganz besonderen Ausnahmefällen kann ich mir vorstellen, daß einer Adoption stattgegeben wird. In Fällen, aus denen Frauenzeitschriften tragische Geschichten auf Seite 23 machen. Aber sonst? Glaubt doch keiner.
Zusammengefaßt: Die Homoehe sorgt dafür, daß Stiefmütter zu Müttern werden können. Sonst ändert sich wenig. Dass Ehe, Familie und Kinder irgendwie zusammengehören ist in der ganzen Diskussion total egal gewesen. Dass wir ein Familiensplitting (für alle Familien!) benötigen, wäre mal ein wichtiges Thema gewesen. Die Rehabilitation für Schwule war ein Schlag ins Gesicht für alle Schwulen und deren Angehörigen. Und wenn ich mir die Berliner Hipsterschwulen jetzt so vorstelle, wie die die Homoehe feiern, so kann ich nur daran denken, wie sehr die Politik Schwule mal wieder in den Arsch gefickt hat. Gratulation, Ihr habt Euch wie ein Bär am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.
Trotz allem: Liebe Lesben, liebe Schwule. Vom ganzen Herzen wünsche ich allen alles Gute, die jetzt heiraten wollen. Viel Erfolg, viel Liebe und macht es besser als die Heten. 🙂
Es wird sich noch was ändern: in den auf Scheidungsrecht spezialisierten Anwaltskanzleien werden, sobald die Homoehe Gesetz ist, Champagnerkorken knallen.
Ohohoho, da wird das Arschloch wieder brennen, ein bißchen Creme aufgetragen. Man müßte glatt Aktien einer Vaselinefirma haben, die dürften in die Höhe geschossen sein. Muß glatt ein Start up gründen!
Äh?
Diesen Punkt verstehe ich ehrlich gesagt bei Dir nicht. Auch jetzt ist geltendes Recht, dass der biologische Vater, wenn bspw. die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt mit einem anderen Mann verheirat war, nicht zwingend der rechtliche Vater ist (seit 2013 gibt es immerhin ein begrenztes Umgangsrecht*, schauen wir mal, was die Rechtssprechung aus dem unbestimmten Rechtsbegriff „ernsthaftes Interesse“ so macht). Das kann man durchaus kritisch sehen (tue ich selbst auch), die Rechtslage ist aber schon alt. Zumal es jetzt spannend wird, ob dieser Fall überhaupt für gleichgeschlechtliche Paare zutrifft. Ich bin mir übrigens auch gar nicht sicher, dass überhaupt eine Frau die Vaterschaft anerkennen können wird. Halte ich für sehr unwahrscheinlich. Also ich sehe da keine Tilgung aus dem Stammbuch, die Möglichkeit, trotz besserem Wissen „Vater unbekannt“ anzugeben, gab es bisher auch schon, und die Adoption eigener Kinder ist auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich.
Falls der biologische Vater die Vaterschaft anerkannt hat, aber kein Sorgerecht besitzt, ist die Adoption übrigens nicht einfach ohne seine Zustimmung möglich.
Wie gesagt, es erschließt sich mir nicht, was sich da jetzt groß ändern wird.
*https://www.haufe.de/recht/familien-erbrecht/neureglung-zum-umgangsrecht-und-auskunftsrecht-leiblicher-vaeter_220_188582.html
Ich hatte das vorher nicht recherchiert, aber für mich war es schon klar, dass aus Stiefmüttern nun Mütter werden können. Liest man sich diesen Spiegelartikel durch ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-die-wichtigsten-fragen-und-antworten-a-1154642.html ), so kommt dann auch raus, dass die einzige wirkliche Veränderung die Adoption von beidseitig nichtleiblichen Kindern nun erlaubt ist.
Für mich folgt daraus:
Eigentlich ist alles schon grob im Lot. Die Homoehe verändert so gut wie nichts. Insofern ist es zwar begrüßenswert, dass hier mal alles glatt gezogen wird. Anderererseits ist das Bohei komplett übertrieben.
Wenn ich mir jetzt überlege, was ansonsten noch glatt gezogen gehört, werde ich richtig sauer. Lassen wir die Schwulenentschädigung mal beiseite und schauen mal auf ein klitzekleines Detail, was deutlich mehr Leute als die Homoehe betrifft und dabei richtig Geld kostet: Alleinerziehende bekommen Steuerklasse II und Unterhaltsvorschuss. Jetzt haben die den Unterhaltsvorschuss neu geregelt, mit durchaus auch kritisch zu sehenden Aspekten. Aber: Zieht ein vormals Alleinerziehender mit einen Partner zusammen, so verliert er St.Kl II UND den Unterhaltsvorschuss. Das kann man niemanden erklären.
Wie man inzwischen gemerkt haben dürfte weht der Wind nach der Ehe für Alle in Richtung „Familiensplitting“. Klingt gut – und Wolfgang S. wird sich bestimmt auch bald freuen 😉 https://politischekulturheute.wordpress.com/2017/09/18/ist-das-familiensplitting-sinnvoll/