Der Wahl-O-Mat zur Abgeordnetenhauswahl 2016 in Berlin:
https://www11.wahl-o-mat.de/berlin2016/
Eine der Thesen dreht sich um Gender Studies: „An Berliner Hochschulen soll es weiterhin Geschlechterstudien (Gender Studies) geben.“
Ich zitiere im folgenden die jeweiligen Begründungen der Parteien für ihre Position zu dieser These. Vom Wahl-O-Mat dabei 1:1 übernommen: Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach ihrem Wahlergebnis bei der letzten Wahl. Parteien, die daran nicht teilgenommen haben, erscheinen anschließend in alphabetischer Reihenfolge.
Dafür:
SPD
„Geschlecht spielt in allen Bereichen unseres Lebens eine zentrale Rolle: Als eigene Identität in konkreten Alltagssituationen in der Schule, im privaten Umfeld oder am Arbeitsplatz. Es gibt deshalb einen großen Bedarf an Gender-Expertise in den verschiedensten Arbeitsfeldern, um Geschlechterverhältnisse zu analysieren und um Instrumente zur Chancengleichheit, Anti-Diskriminierung und zur Infragestellung von Normen und Normalitäten zu entwickeln.”
CDU
„Die CDU bekennt sich zur Unabhängigkeit der Wissenschaft und zur Freiheit von Forschung und Lehre an den Hochschulen, so wie sie im Grundgesetz festgelegt ist. Wir sind stolz auf das breite und vielfältige Angebot unserer Hochschulen.”
Grüne
„Wir haben uns immer für dieses Fach eingesetzt, denn die Frage nach den (sozialen) Geschlechtern, die vielfältiger als die traditionellen Vorstellungen von Mann und Frau sind, ist noch lange nicht ausreichend erforscht. Die Ergebnisse der Gender Studies sind zudem immer wieder Anregung und Richtschnur für mehr Gleichberechtigung, eine Kultur der Anerkennung und gegen gesellschaftliche Diskriminierung.”
Die Linke
„Frauen-und Geschlechterforschung begann in den Geistes- und Sozialwissenschaften und hat als disziplinenübergreifendes Wissenschaftsfeld auch in medizinische, technische und naturwissenschaftliche Fächern Eingang gefunden. Als Querschnittsaufgabe beeinflusst sie Methoden und Inhalte traditioneller Fächer und versetzt Lehrende und Lernende in die Lage, in sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Zusammenhängen zu denken, zu forschen und zu handeln.”
Piraten
(ohne Begründung)
FDP
„Über die Einrichtung von Studienrichtungen und Forschungsfeldern sollen die Hochschulen in eigener Verantwortung selbst entscheiden.”
Tierschutzpartei
„Wenn die Nachfrage nach diesem Studiengang besteht, sollte er im Sinne der Bildungsfreiheit auch angeboten werden.”
Die PARTEI
„Das Erforschen anderer Geschlechter ist für viele Studenten Hauptzweck der akademischen Ausbildung.”
ÖDP
„Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 5 (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.”
PSG
(ohne Begründung)
B
„über alles soll kritisch geforscht werden. in dem wissenschaftlichen feminismus steckt etwas wertvolles: hinterfragen von was als grundfeste unserer identität und gesellschaft geglaubt wurde, die möglichkeit eines komplett neuen Standpunktes. „geschlecht“ ist konstruiert und die notwendigkeit eines neuen gesellschaftsentwurf lässt sich daher nicht aufhalten!”
ALFA
„Es gibt viele Arten von Gender Studies, die teilweise wichtige Erkenntnisse liefern. Unstrittiges Beispiel dürften beispielsweise Studien zu unterschiedlicher Wirkung von Arzneimittel bei Mann und Frau sein. Aber auch auf anderen Fachgebieten ergibt eine geschlechtsspezifische Betrachtung wichtige Erkenntnisse. Wichtig ist allerdings, daß an unseren Hochschulen ergebnisoffen und nicht ideologiegetrieben geforscht wird.”
DIE VIOLETTEN
„Ja, aber gerne in kleinerem Rahmen. Leider entstehen auch viele Ideologien und Dogmen durch dieses Fach. Das sehen wir kritisch.”
MENSCHLICHE WELT
„MENSCHLICHE WELT setzt sich für die Befreiung aller Menschen von jeglicher Ungerechtigkeit und Unterdrückung ein. Die wissenschaftliche Erforschung des Verhältnisses der Geschlechter kann zur Befreiung geschlechterbezogener Ungerechtigkeit und Unterdrückung beitragen.”
Neutral:
pro Deutschland
„An den Hochschulen soll zu allen möglichen Angelegenheiten geforscht werden dürfen. Da wird man Geschlechterstudien kaum generell ausschließen können. Aber derzeit ist das Meiste davon grober Unfug.”
DKP
„Vertreter dieser Fachrichtung mögen ursprünglich einmal mit fortschrittlichen Ambitionen angetreten sein. Das, was sie heute vermittelt, ist reiner Partikularismus, Identitätspolitik für Leute, die sich wissenschaftlich verbrämt ihrer Besonderheit versichern wollen, ist in der Regel aufklärungsfeindlich. Wer braucht unter solchen Umständen dieses Zeug?”
Graue Panther
(ohne Begründung)
Gesundheitsforschung
„Aus unserer Satzung: „Die Partei für Gesundheitsforschung ist eine Ein-Themen-Partei mit dem Ziel, die Gesundheitsforschung in Deutschland vermehrt zu unterstützen. … In alle anderen politischen Themen will sich die Partei nicht einmischen.“”
Dagegen:
NPD
„Die Gender Studies basieren zu großen Teilen auf einem mehr als fragwürdigen Menschenbild, dem zufolge die Geschlechter nur sozial konstruiert seien. Das ist aus unserer Sicht grober Unfug und hat an Hochschulen nichts zu suchen.”
BüSo
„Es besteht die Gefahr, daß derartige Studien zum Zwecke des „social engineering“ mißbraucht werden.”
AfD
„Universitäre Forschung darf nicht fachfremden Zwängen oder Ideologien unterworfen werden. Die Förderung der pseudowissenschaftlichen Geschlechterstudien (Gender Studies) ist in allen Bereichen zu beenden.”
eigene Kommentare dazu
- Alle etablierten Parteien sind dafür. Wer dagegen ist, hat die Wahl zwischen Rechtsextremen, Rechtspopulisten oder Splitterparteien. Das sieht nicht nach einem baldigen Ende der Gender Studies aus. Wobei die Politik selten Avangarde ist, sondern meistens nur auf einen fahrenden Zug aufspringt, wenn sich abzeichnet, dass weite Teile der Bevölkerung eine bestimmte Meinung haben und diese auch en vogue in den Medien ist. Oder es verschlafen einige Parteien eine wichtige Entwicklung und müssen erst (auch deswegen) eine Wahl verlieren, um ihre Haltung zu ändern.
- Das wichtigste Argument für Gender Studies ist die Freiheit der Lehre. Das halte ich, so absolut genommen, tatsächlich für richtig. Ich möchte nicht Leute zwangsweise daran hindern, etwas zu studieren, das ich selbst für Unsinn halte. Ich fange ja auch keine Diskussion darüber an, ob man bei der Kultur „Schund“ (Ballerspiele, Horrorfilme, Pornographie) verbieten sollte. Bisherige Versuche in Deutschland, den besseren Menschen heranzuzüchten, indem man nur „nützliche“ und „moralisch gute“ Sachen erlaubte, sind ja katatrophal gescheitert.
- Mehrfach kommt der Hinweis auf eine ideologische Ausrichtung der Studien vor. Der Weltzwangsverbesserungs- und Umerziehungsanspruch, der davon ausgeht, wäre kurioserweise genau die Gefahr, die ich auch bei einem Verbot der Studien sehen würde.
- Dass ich ausgerechnet von der DKP (!) eine Würdigung früherer „fortschrittlicher Ambitionen“ lese, die inzwischen aber „aufklärungsfeindlich“ umgeschlagen seien, hat mich doch sehr zum Schmunzeln gebracht. Nicht, dass ich über Nacht Kommunist geworden bin – was die Parteien vor der Wahl sagen und dann nach der Wahl machen, sind noch immer zwei verschiedene Dinge. Gerade bei den radikalen Parteien erwarte ich, dass das noch mehr ins Gewicht fällt. Aber einen guten Wortlaut weiß ich zu würdigen, egal von wem er kommt (so etwas habe ich bei Nazis noch nie gesehen, deswegen bin ich da so sicher).
- Beachtlich finde ich ferner die sich völlig widersprechenden Begründungen für Gender Studies. Zum einen sei es eine Tatsache, dass „Geschlechter“ konstruiert seien, es also keine Unterschiede außer der Geschlechtsorgane gebe. Zum anderen sei erwiesen, dass Medikamente bei Männern und Frauen verschieden wirkten. Wenn beides wahr wäre, könnten wir durch reine Konstruktion die Wirkungsweise von Medizin bei Individuen verändern… ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass zwei miteinander unvereinbare Grundannahmen im selben Studiengang als „richtig“ gelehrt werden und gehe davon aus, dass die Idee, es gebe von Natur aus im Schnitt weitere körperliche Unterschiede, tatsächlich in den Gender Studies abgelehnt wird.
Popkultur
Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Zum Superwahljahr 1994 haben die Ärzte ihr nur ein Jahr zuvor erschienenes Lied „Quark“ auf einen politischen Kontext umgedichtet:
Die Ärzte: Quark (neuer Text – 135% politisch korrekt)