Gastartikel: Leszek und die Soziologie

Leszek hat vor einigen Tagen mal wieder einen längeren Kommentar geschrieben, den ich für so lesenswert halte, dass ich aus ihm einen Gastartikel mache. Die „Wir zitieren Leszek-Aktion“ geht weiter! Also, ab jetzt Leszek im Original:

Mal abgesehen davon, dass zwei Mitdiskutanten hier (Djadmoros & Lomi) Soziologen sind und die beiden viele der besten Beiträge zur Männerrechtsbewegung im Netz verfasst haben:

– Der bedeutendste Vordenker der Männerrechtsbewegung Warren Farrell hat Sozialwissenschaften und Politikwissenschaft studiert.
– Die Soziologen Walter Hollstein, Gerhard Amendt, Christoph Kucklick und Anthony Synnott haben jeweils wichtige Standardwerke zur Männerrechtsbewegung geschrieben.
– Ein großer Teil der Forschungsbefunde zu Männern als Opfer häuslicher Gewalt geht direkt oder indirekt auf den Soziologen und Gewaltforscher Murray A. Strauss zurück. Dieser hat die Conflict Tactics Scales-Methode (CTS-Methode) entwickelt, eine der wichtigsten Forschungsmethoden in der zeitgenössischen Gewaltforschung.
– Der Partnerschaftssoziologe Bastian Schwithal schrieb ein Standardwerk zum Thema “Weibliche Gewalt in Partnerschaften”.
– Der norwegische Unterhaltungskünstler und Gender-Kritiker Harald Eia ist Soziologe.
– Dr. Alexander Ulfig, Mitbetreiber von Cuncti, hat Philosophie und Soziologie studiert.
– Esther Vilar hat u.a. Soziologie studiert.

Die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die den Anliegen und Argumentationen der Männerrechtsbewegung zugrundeliegen, stammen zu großen Teilen aus soziologischen oder anderen sozialwissenschaftlichen Quellen, die Männerrechtsbewegung ist wesentlich eine sozialwissenschaftlich und soziologisch fundierte Bewegung. Der Beitrag der Sozialwissenschaften zu den wissenschaftlichen Grundlagen der Männerrechtsbewegung ist viel größer als z.B. der Beitrag der Evolutionären Psychologie (die in den meisten Standardwerken der Männerrechtsbewegung höchstens eine Nebenrolle spielt).

Und gesamtgesellschaftlich betrachtet: Es ist nicht möglich – weder für Parteien und Politiker, noch für soziale Bewegungen, Gewerkschaften oder außerparlamentarische Organisationen und Gruppen oder irgendwen sonst informierte und fundierte Entscheidungen zu gesellschaftlichen Themen zu treffen ohne Forschungsbefunde der Soziologie oder anderer Sozialwissenschaften heranzuziehen, weil ohne diese schlicht keine Daten zu den verschiedensten gesellschaftlichen Themen verfügbar wären: Keine gute Familienpolitik ist möglich ohne Familiensoziologie (oder andere sozialwissenschaftliche Disziplinen, die das Phänomen Familie erforschen), keine gute Migrationspolitik ohne Migrationssoziologie (oder andere sozialwissenschaftliche Disziplinen, die das Phänomen Migration erforschen), keine gute Jugendpolitik ohne Jugendsoziologie (oder andere sozialwissenschaftliche Disziplinen, die das Phänomen Jugend erforschen), keine gute Kriminalpolitik ohne Kriminologie und Kriminalsoziologie usw.
Und Disziplinen wie politische Soziologie, Wirtschaftssoziologie, Rechtssoziologie und Religionssoziologie sind zum Beispiel absolut grundlegend um die jeweiligen gesellschaftlichen Teilsysteme in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang verstehen zu können (ebenso sind natürlich auch hier noch andere sozialwissenschaftliche Disziplinen, die sich mit den entsprechenden Themen befassen wichtig).

Ohne Soziologie und andere sozialwissenschaftliche Disziplinen kann eine moderne Gesellschaft also gar nicht in rationaler Weise organisiert werden, können gesellschaftliche Probleme nicht wissenschaftlich analysiert und angegangen werden, können wünschenswerte gesellschaftliche Ziele nicht wissenschaftlich fundiert bestimmt und angestrebt werden, da es eben Soziologie und andere sozialwissenschaftliche Disziplinen sind, die die hierfür notwendigen wissenschaftlichen Daten zusammentragen.

Damit will ich nicht sagen, dass Soziologen zwangsläufig genauso viel verdienen sollten wie Informatiker oder Ingenieurwissenschaftler, wohl aber, dass die Soziologie sehr wichtig ist – sowohl für die Männerrechtsbewegung als auch für die Gesellschaft (und Weltgesellschaft).

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Bei verschiedenen Wissenschaften muss ich immer an folgendes Lied denken…

Sam Cooke: What A Wonderful World

26 Kommentare zu „Gastartikel: Leszek und die Soziologie“

  1. „Ohne Soziologie und andere sozialwissenschaftliche Disziplinen kann eine moderne Gesellschaft also gar nicht in rationaler Weise organisiert werden, können gesellschaftliche Probleme nicht wissenschaftlich analysiert und angegangen werden, …“

    Mit aber ganz offensichtlich auch nicht! Ich möchte nur an Gender in und aus den SoWi erinnern. 🙂

    Da kommt dieser Unsinn her.

    Mal eine Frage nebenbei, ist eine gute Familienpolitik trotz oder wegen der Sozoilogie nicht möglich … oder zumindest real machbar, denn ich denke nicht, daß wir eine solche haben. Was soll also dieses Unsinnsargument? Haben wir Soziologie? Ich denke brauchen wir nicht drüber reden. 🙂 Haben wir gute Familienpolitik?- Kann man drüber streiten, allerdings sind die Erfolge dieser doch eher bescheiden.

    Sicher darf man der SoWi dies nicht anlasten, da wäre noch Politik, Justitz und so Zeugs … nur haben die Soziologen (nicht alle natürlich!) den in ihrer Macht stehendem Anteil an der Misere.

    Fatzit: MIT den amtierenden Soziologen kann eine Gesellschaft auf KEINEN Fall in rationaler Weise organisiert werden, ganz im Gegentum! 😦

    1. @ ddbz

      „Mit aber ganz offensichtlich auch nicht! Ich möchte nur an Gender in und aus den SoWi erinnern. Da kommt dieser Unsinn her.“

      Tja, genauso könnte man daran erinnern, dass es Homöopathie als Wahlpflichtfach im Medizin-Studium an mehreren deutschen Universitäten gibt und trotzdem würde wohl kein Mensch, der um eine wahre und faire Beurteilung bemüht ist, deswegen kenntnisfrei und undifferenziert der gesamten Medizin oder gar den Naturwissenschaften insgesamt die Wissenschaftlichkeit absprechen.

      Innerhalb der Soziologie gibt es z.B. eine Vielzahl von Unter-Disziplinen, die als spezielle Soziologien oder Bindestrich-Soziologien bezeichnet werden. Hier ist eine kleine Auflistung einiger von ihnen, aber es gibt noch mehr:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_spezieller_Soziologien

      In einer einzigen dieser zahlreichen speziellen Soziologien dominieren heute die Genderisten innerhalb der Soziologie, nämlich in der Geschlechtersoziologie.
      In allen anderen speziellen Soziologien gibt es entweder keine Genderisten oder höchstens als seltene Ausnahme.

      Zudem beruhen die Gender Studies auf einer anderen wissenschaftstheoretischen Grundlage als alle anderen Richtungen/Schulen der Soziologie, nämlich auf der sogenannten feministischen Wissenschaftstheorie (feministischer Empirismus, feministische Standpunkttheorie, feministischer Postmodernismus). Die feministische Wissenschaftstheorie wird nirgends sonst in der Soziologie außerhalb der Gender Studies angewendet.

      Es sollte also klar sein, dass man aus wissenschaftlicher Perspektive keine andere soziologische Schule/Richtung und keinen anderen soziologischen Forschungsbereich nach den Gender Studies beurteilen kann/darf.

      „Mal eine Frage nebenbei, ist eine gute Familienpolitik trotz oder wegen der Sozoilogie nicht möglich … oder zumindest real machbar, denn ich denke nicht, daß wir eine solche haben. Was soll also dieses Unsinnsargument? Haben wir Soziologie? Ich denke brauchen wir nicht drüber reden. 🙂 Haben wir gute Familienpolitik?- Kann man drüber streiten, allerdings sind die Erfolge dieser doch eher bescheiden.“

      Das Vorhandensein von Disziplinen wie Familiensoziologie garantiert – selbst wenn deren wissenschaftliches Niveau noch so hoch wäre – selbstverständlich allein noch keine gute Familienpolitik bzw. was auch immer man für eine solche hält.

      Aufgabe der Familiensoziologie ist es wissenschaftliche Daten zum Phänomen Familie zu sammeln, aufzubereiten und realistisch zu deuten und zu interpretieren. Diese Befunde müssten nun aber auch von politischen Akteuren herangezogen und in rationaler und ethisch vertretbarer Weise genutzt werden. Geschieht dies aus was für Gründen auch immer nicht oder nicht in ausreichendem Maße, wird sich auch die Politik nicht verbessern.

      Natürlich kann es unterschiedliche Meinungen dazu geben, was eine gute Familienpolitik ausmacht, ich würde aber doch sagen, dass sich die Familienpolitik deutlich verbessern ließe, wenn politische Akteure Familiensoziologen oder andere mit dem Thema befassten Sozialwissenschaftler häufiger zu Rate ziehen würden.

      „Sicher darf man der SoWi dies nicht anlasten, da wäre noch Politik, Justitz und so Zeugs … nur haben die Soziologen (nicht alle natürlich!) den in ihrer Macht stehendem Anteil an der Misere. Fatzit: MIT den amtierenden Soziologen kann eine Gesellschaft auf KEINEN Fall in rationaler Weise organisiert werden, ganz im Gegentum! „

      Na ja, da wir beide aus vergangenen Diskussionen zum Thema wissen, dass du von den Sozialwissenschaften im Allgemeinen und der Soziologie im Besonderen keine Ahnung hast, nie ein Lehrbuch zum Thema – weder zur allgemeinen Soziologie, noch zu irgendeiner der speziellen Soziologien – gelesen hast, nie ein Lehrbuch zur Sozialforschung – weder zur quantitativen noch zur qualitativen – je gelesen hast, du dich mit den verschiedenen soziologischen Schulen genauso wenig auskennst wie mit den Forschungsbereichen und Forschungsergebnissen, sollten wir deine Ansicht hierzu besser nicht allzu ernst nehmen.
      Deine Ansicht unterscheidet sich hinsichtlich des wissenschaftlichem Niveaus nicht von der einer Gender-Feministin, die ohne Kenntnisse und komplett undifferenziert die biologischen Verhaltenswissenschaften abwertet.

    2. @ddbz

      „Da kommt dieser Unsinn her. “

      Tut mir leid, aber das stimmt wirklich nicht.

      Erstens gehen ALLE aber auch wirklich A-L-L-E wesentlichen Basisintuitionen des Feminismus auf Simone de Beauvoir zurück. Die Feministen danach haben kaum was Neues erfunden. Damit ist Feminismus vor allem eine metaphysische Theorie, die ihre Wurzeln im atheistischen Existenzialismus hat: Feminismus ist eine philosophische Theorie, die natürlich nach Bestätigung mit soziologischen Mitteln sucht, aber DAS kommt erst danach.

      Und zweitens sind ALLE für Feminismus wesentlichen Philosophen und Soziologen Franzosen. Die grande nation war die einzige, die es geschafft hat, sich dem Sturm der in Deutschland vor dem 1. Weltkrieg erfundenden, erfolgreich nach England und später die USA exportierten und in den 60igern via Uni Göttingen reimportierten analytischen Philosophie entziehen konnte.

  2. Die Soziologie kann analysieren und beschreiben, mehr nicht. Insbesondere kann sie nicht die Gesellschaft verändern.

    Ihr prinzipielles Handicap ist die fehlende Möglichkeit zu labormäßiger Übeprüfung der Resultate. Darum bleiben alle Aussagen hypothetisch-wolkig und laufen Gefahr, Interpretationen bürgerlicher Moral zum Opfer zu fallen.

    Gender – Verquickung von Aktivismus und Vulgärsoziologie – speist sich aus Judith Butlers „Unbehagen der Geschlechter“. Das Werk ist philosophischer Natur, und Butlers Denkmodelle sind legitim, denn so ist das Geschäft der Philosophie: die Gedanken sind frei.

    Vulgär wird es dadurch, dass die These von der „Konstruiertheit der Geschlechter“ zur realen Grundannahme erhoben wird; und wenn das alles schon konstruiert sei, so die Folgeaussage, können wir fröhlich umkonstruieren, wohlan denn.

    Butlers Gedanken werden pervertiert zur Quasi-Religion. Das ist ziemlich tödlich.

    1. @ Wolf-Dieter

      „Die Soziologie kann analysieren und beschreiben, mehr nicht. Insbesondere kann sie nicht die Gesellschaft verändern.“

      Der Soziologe Anthony Giddens beschreibt den Nutzen der Soziologie folgendermaßen – und diesbezüglich stimme ich ihm weitgehend zu:

      Was kann uns die Soziologie in unserem Leben nützen?

      Die Soziologie hat für unser Leben viele praktische Implikationen (…).

      – Gewahr-Werden kultureller Unterschiede:

      Zuerst gestattet uns die Soziologie, die soziale Welt aus einer Vielfalt kultureller Perspektiven zu sehen. Wenn wir ein adäquates Verständnis dafür erwerben, wie andere leben, dann vertiefen wir auch häufig unser Verständnis dafür, wie ihre Probleme beschaffen sind. Politische Strategien, die nicht auf einem aufgeklärten Bewusstsein der von ihnen betroffenen Lebensformen beruhen, haben wenig Aussicht auf Erfolg. So wird etwa ein weißer Sozialarbeiter, der in einer überwiegend schwarzen Gemeinschaft tätig ist, das Vertrauen der Mitglieder dieser Gemeinschaft nicht gewinnen, wenn er keine Sensibilität gegenüber den kulturellen Unterschieden entwickelt, die häufig Weiß und Schwarz trennen.

      – Bewertung der Auswirkung von Planungsstrategien:

      Zweitens liefert die soziologische Forschung praktische Unterstützung bei der Bewertung der Ergebnisse politischer Initiativen. Ein Programm praktischer Reformen kann sich einfach als ungeeignet erweisen, die Absichten jener, die es geplant haben, zu verwirklichen, oder kann eine Reihe inakzeptabler nicht-beabsichtigter Konsequenzen nach sich ziehen. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zum Beispiel in den Städten vieler Länder große öffentlich finanzierte Wohnsiedlungen errichtet. Nach Absicht der Planer sollten diese den einkommensschwachen Gruppen aus Slumgebieten qualitativ hochstehende Wohnmöglichkeiten bieten; die Siedlungen verfügten auch über Einkaufsmöglichkeiten und andere infrastrukturelle Einrichtungen. Forschungen zeigen allerdings, dass viele der Personen, die aus ihren früheren Wohnungen in solche Neubauten gezogen sind, sich isoliert und unglücklich fühlen. Hochhäuser und Einkaufsstraßen verfielen oft sehr rasch und stellten Brutstätten für Überfälle und andere Gewaltverbrechen dar.

      – Selbsterkenntnis:

      Die Soziologie kann drittens – was vielleicht ihr wichtigster Beitrag ist – den gesellschaftlichen Gruppen Selbstaufklärung, ein vertieftes Selbstverständnis, zur Verfügung stellen. Je besser Leute über die Bedingungen ihres eigenen Handelns und über gesamtgesellschaftliche Prozesse Bescheid wissen, desto eher sind sie in der Lage, die Umstände ihres eigenen Lebens zu beeinflussen. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass sich die praktische Rolle der Soziologie darin erschöpft, Entscheidungsträgern – also mächtigen Gruppen – dabei zu helfen informierte Entscheidungen zu treffen. Man kann von den Mächtigen einer Gesellschaft nicht annehmen, dass sie stets die Interessen der weniger Mächtigen und Unterprivilegierten im Auge haben, wenn sie ihre politischen Entscheidungen treffen. Gruppen, die sich ein gewisses Ausmaß von Selbstaufklärung verschafft haben, können in wirksamer Weise auf die von Regierungsbeamten und anderen Behörden verfolgte Politik reagieren und können auch eigene politische Initiativen begründen. Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker und soziale Bewegungen (…) sind Beispiele sozialer Gruppen, die direkt versucht haben, praktische Reformen herbeizuführen, und damit auch beträchtlichen Erfolg hatten.

      – Die Rolle des Soziologen in der Gesellschaft:

      Schließlich befassen sich viele Soziologen selbst direkt als Professionals mit praktischen Angelegenheiten. Wir finden ausgebildete Soziologen (…) in der Industrie, der Stadtplanung, der Sozialarbeit und der Personalentwicklung und in vielen anderen praktischen Aktivitäten.

      (aus: Anthony Giddens – Soziologie, 2. überarb. Auflage, Nausner & Nausner, 1999, S. 14 f.)

  3. Das Problem mit der Soziologie (und Sozialwissenschaften generell) ist eben, dass die meisten ihrer Vertreter politisch links stehen und das auch auf ihre Forschung durchschlägt, die häufig ideologisch motiviert ist. Es gibt hier einen sehr schönen Artikel aus dem Scientific American dazu:

    http://www.scientificamerican.com/article/is-social-science-politically-biased/?wt.mc=SA_Twitter-Share

    „Duarte et al. find similar distortive language across the social sciences, where, for instance, certain words are used to suggest pernicious motives when confronting contradictory evidence—“deny,” “legitimize,” “rationalize,” “justify,” “defend,” “trivialize”—with conservatives as examples, as if liberals are always objective and rational. In one test item, for example, the “endorsement of the efficacy of hard work” was interpreted as an example of “rationalization of inequality.” Imagine a study in which conservative values were assumed to be scientific facts and disagreement with them was treated as irrational, the authors conjecture counterfactually. “In this field, scholars might regularly publish studies on … ‘the denial of the benefits of a strong military’ or ‘the denial of the benefits of church attendance.’” The authors present evidence that “embedding any type of ideological values into measures is dangerous to science” and is “much more likely to happen—and to go unchallenged by dissenters—in a politically homogeneous field.”
    Political bias also twists how data are interpreted. For instance, Duarte’s study discusses a paper in which subjects scoring high in “right-wing authoritarianism” were found to be “more likely to go along with the unethical decisions of leaders.” Example: “not formally taking a female colleague’s side in her sexual harassment complaint against her subordinate (given little information about the case).” Maybe what this finding really means is that conservatives believe in examining evidence first, instead of prejudging by gender. Call it “left-wing authoritarianism.”

    Genau so sehe ich das auch; bestimmte politische Positionen werden als objektiv wahr einfach vorausgesetzt, anstatt sie erstmal unvoreingenommen zu untersuchen.

    Wenn im Fernsehen zu irgendeiner politischen Frage ein Soziologe oder Politologe interviewt wird, kann man jedenfalls davon ausgehen, dass er höchstwahrscheinlich linke Kampfbegriffe wie Populismus, Ressentiment oder Islamophobie verwenden wird.

    1. „Das Problem mit der Soziologie (und Sozialwissenschaften generell) ist eben, dass die meisten ihrer Vertreter politisch links stehen und das auch auf ihre Forschung durchschlägt, die häufig ideologisch motiviert ist.“

      Ich kann das nicht bestätigen. Das mag so wirken nach außen, aber innerhalb des Faches kann ich nicht erkennen, dass Linke dominant sind.

      Es gibt eine Reihe von Leuten, die tatsächlich die Soziologie als politische Weltverbesserungslehre missbrauchen und die damit das Gebot der Wertfreiheit verletzen. Die Mehrheit der Fachvertreter, die ich so kenne, ist nicht sonderlich links. Die Disziplin ist im übrigen durch eher konservative Vertreter etabliert worden wie z.B. Weber, Durkheim, später Parsons. Diese Klassiker haben nach wie vor großen Einfluss.

      Die Behauptung, die Mehrheit der Soziologen stünde links, müsste erst einmal belegt werden mit Zahlen. Sonst bleibt es schlicht eine Behauptung.

      1. In dem verlinkten Artikel wird eine empirische Untersuchung zitiert:

        “ A 2014 study conducted by the University of California, Los Angeles, Higher Education Research Institute found that 59.8 percent of all undergraduate faculty nationwide identify as far left or liberal, compared with only 12.8 percent as far right or conservative. The asymmetry is much worse in the social sciences. A 2015 study by psychologist José Duarte, then at Arizona State University, and his colleagues in Behavioral and Brain Sciences, entitled “Political Diversity Will Improve Social Psychological Science,” found that 58 to 66 percent of social scientists are liberal and only 5 to 8 percent conservative and that there are eight Democrats for every Republican.“

        ist wohl ziemlich eindeutig. Interessant dazu ist auch:

        http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/ein-jahr-nach-blooger-angriff-auf-herfried-muenkler-14072301.html?GEPC=s3

      2. Ich kann das aus eigener Beobachtung überhaupt nicht bestätigen.

        „found that 58 to 66 percent of social scientists are liberal and only 5 to 8 percent conservative“

        Da wäre mal interessant, was „liberal“ bedeutet. Ich bin mir sicher, dass das deutsche Wort „liberal“ etwas anderes meint. Wenn die Macher der Studie damit die Democrats meinen: sind die wirklich links? Das kann man vermutlich nur für Teile behaupten.

        Ernstnehmen kann man natürlich das Ungleichgewicht. Vorstellbar, dass es so existiert. Die andere Frage ist aber, ob das für die eigene wissenschaftliche Arbeit ausschlaggebend ist. Und das kann man eigentlich nur ermessen, wenn man sich soziologische Schriften im Original anschaut. Ich habe starke Zweifel, dass viele Leute wirklich Originaltexte gelesen haben. Normalerweise sollte ein Soziologe zwischen seinen politischen Vorlieben und seiner Arbeit trennen. Das nennt sich „Werturteilsfreiheit“ und das ist ein Konzept, das vor mehr als hundert Jahren von Max Weber eingeführt worden ist, sprich: mit der Begründung der Soziologie als akademische Disziplin.

        Es gehört eigentlich zu den Kernsätzen der empirischen Sozialforschung, empirische Daten nicht zu bewerten. Auch wenn man bestimmte Phänomene untersucht, wie z.B. Jugendkulturen, hat der Forscher über diese kein Urteil zu fällen. Das gilt allemal auch dann, wenn man etwa Nazi-Subkulturen beforscht. Hier soll der Soziologe nüchtern darstellen, was ist und den Ist-Zustand zu erklären. Alles andere gehört nicht in die Soziologie. Das ist üblicherweise auch Bestandteil der Ausbildung.

        Ich sehe, dass diese Grundsätze oft verletzt werden, aber nichtsdestotrotz sind es zentrale Prämissen soziologischer Arbeit.

        Und wofür soll der FAZ-Artikel ein Beleg sein? Beim Überfliegen sehe ich zumindest, dass sich viele Dozenten gegen das Mobbing durch Studenten wehren.

        Ich wiederhole noch einmal, wenn man die Soziologie beurteilen will, sollte man sich echte Kenntnis der Soziologie aneignen und nicht immer auf Sekundärquellen zurückgreifen.

      3. Liberal bedeutet im amerikanischen Kontext soviel wie progrssiv/links. Und der FAZ-Artikel stellt doch sehr schön dar, wie an einer sozialwissenschaftlichen Fakultät praktisch keine Wissenschaft mehr getrieben, sondern nur noch ideologie produziert wird. Weil eben fast alle die gleichen politischen Ideen vertreten.

      4. @Mocho

        Nein, das steht da eben NICHT im FAZ-Artikel. Das müsstest Du bitteschön mal ausführlicher begründen. Wenn nämlich dem so wäre, müssten die Profs da alle mit ihren Studenten sympathisieren. Der Artikel beschreibt aber, dass genau das nicht der Fall ist.

        Zugegeben, der Diversitätsfokus an der HU geht mir auf die Nerven. Nicht mein Fall. Aber woher möchtest Du jetzt wissen, dass das in irgendeiner Weise repräsentativ ist für Soziologieinstitute in Deutschland? Und warum meinst Du das besser zu wissen als diejenigen, die in diesen Instituten arbeiten?

        Es ist einfach keine vernünftige Argumentation, hier und da mal ein paar passende Artikel zu verlinken, anstatt eine eigene Position zu formulieren und ausreichend zu begründen.

        Außerdem ist es meist ein Strohmann, der hier aufgebaut wird. Diese Strohmann-Bekämpfung ist zudem vollkommen nutzlos. Was nutzt die Pauschaldiskreditierung einer ganzen Disziplin, wenn man damit die 90% potenziellen Verbündeten mit abwertet? Das ist strategisch unklug.

        Aber davon mal abgesehen: Es bleibt dabei, dass die Behauptung, die Soziologie stünde links, immer erst an ihrem Schrifttum belegbar wäre. Und da reicht kein Zufallsfund aus Google, sondern nur eine systematische wie repräsentative Untersuchung. An diesem Punkt, das sage ich Dir voraus als Fachvertreter, wirst Du aber scheitern. Warum kann ich das behaupten? Ganz einfach deswegen, weil ich diese Schriften regelmäßig zur Kenntnis nehme, im Gegensatz zu den rosinenpickenden „Kritikern“. Insofern ist es nicht einmal unbescheiden, mir anzumaßen, eine bessere Basis für ein Urteil zu besitzen.

      5. In dem verlinkten Artikel

        Journalisten und Medienvertreter wählen anscheinend überproportional Grün. Zwischen 60 und 70% wenn ich mich gerade richtig erinnere. Ansonsten gibt es allgemein eine hohe Wahlpräferenz zugunsten linker Parteien.

        Das nennt sich “Werturteilsfreiheit” und das ist ein Konzept, das vor mehr als hundert Jahren von Max Weber eingeführt worden ist

        Dieses Konzept gilt eigentlich ebenso für die Presse. Betrachtet man sich jedoch theoretisch neutrale Berichterstattung, stellt man schnell fest, dass werturteilsfreie Berichterstattung eher die Ausnahme darstellt.

        Anzunehmen ist, dass zwischen politische Meinung des Autors und des Bias eines nicht neutralen Textes ein kausaler Zusammenhang besteht.

        Wenn die Wahlpräferenz einen Rückschluss auf die politischen Meinung zulässt, ist es wahrscheinlicher, dass die Meinungsfärbung grünen oder zumindest linken Positionen entspricht.

        Betrachtet man die Berichterstattung exemplarisch zum Klimawandel, Israel oder Geschlechterthemen bestätigt sich die Annahme.

        Folglich ist es wahrscheinlich, dass Berichte zur Soziologie ebenfalls eine linke Färbung aufweisen. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass ein Interviewpartner eher ausgewählt wird, sobald seine Arbeit linke Positionen stützt.

      6. Hans
        „Folglich ist es wahrscheinlich, dass Berichte zur Soziologie ebenfalls eine linke Färbung aufweisen.“

        Dieser Schluss ist in Teilen plausibel.

        Ich habe jedoch einen Einwand: Wissenschaftler arbeiten anders als Journalisten. Die zentrale Leitidee ist die der Ermittlung der Wahrheit. Idealerweise hat sich dem alles unterzuordnen, auch die eigene Wertung.

        Eine Grundüberzeugung in der Soziologie ist die, dass jeder Standpunkt einer Person ihren gesellschaftlichen Ort hat, sprich: der Standpunkt ist geprägt dadurch, in welcher Zeit und welchem Ort die Person sich befindet. Daher fordert die Soziologie idealiter, dass der eigene Standpunkt zu relativieren und zu hinterfragen ist. Keinesfalls darf er undistanziert auf die betrachtete Gesellschaft übertragen werden. Deshalb soll sich der Soziologe darum bemühen, Abstand zu seinen eigenen Urteilen zu gewinnen und eine neutrale Beobachterposition einzunehmen. Das ist natürlich nicht trivial, aber unmöglich ist das auch nicht. Hilfsmittel sind dafür theoretische Begriffe.

        Dass diese Grundsätze nicht immer befolgt werden, wird z.B. klar, wenn der Jugendforscher Griese seine Kollegen auffordert, ihren eigenen Standpunkt zu reflektieren und ihn wenigstens deutlich zu machen. Sein Urteil: In die Jugendforschung fließe zuviel unwissenschaftliches Vorurteil ein.

        Seine Forderung erinnert aber auch an das, was in den meisten Lehrbüchern zur Soziologie nachlesbar ist. Der eigene politische Standpunkt gehört nicht in die wissenschaftliche Arbeit. Der Soziologe hat darzustellen, was ist, ob ihm der Ist-Zustand gefällt oder nicht, ist dabei vollkommen außen vorzulassen.

        Die Kritiker der Soziologie, die einen Links-Bias annehmen, kennen nur solche Umfragedaten, wie Du und El Mocho sie hier zitiert haben. Was meist nicht bekannt ist, dass ein solcher Bias in der Wissenschaftstheorie der Soziologie in der Regel abgelehnt wird. Es gibt freilich die eine oder andere Strömung, die einen werturteilsfreien Zugang zur Gesellschaft für unmöglich hält und es deshalb für legitim erachtet, politisch zu agieren. Nur: Dem werden sehr viele Soziologen auch deutlich widersprechen.

        Anders als in anderen Disziplinen gibt es in der Soziologie dazu einen weitreichenden, Bibliotheken füllenden Diskurs. Die Frage, ob man den eigenen Standpunkt einbringen darf oder nicht, wird in der Soziologie als eine zentrale wissenschaftstheoretische Frage behandelt. Das ist nicht unbedingt Allgemeingut im Kanon der wissenschaftlichen Fächer.

        Genau deswegen ist es ein bisschen kurzsschlüssig, von politischen Haltungen von Wissenschaftlern auf einen politischen Bias ihrer Arbeiten zu schließen. Wenn ich hier mal von mir auf andere schließen darf: Wenn ich geforscht habe, ignoriere ich nach meinem Empfinden vollkommen, wie ich das Beforschte bewerten würde. Sonst wäre es in meinen Augen keine Forschung. Politische Selbstbestätigung kann ich mir woanders holen, aber meine wissenschaftliche Neugierde würde durch so etwas nie und nimmer befriedigt. Ich schätze mal, dass ein Gutteil meiner Fachkollegen das ganz ähnlich sieht.

        Auch gilt hier weiterhin: Man kann die Frage eines politischen Bias letztlich nur empirisch beantworten und nicht theoretisch deduzieren aus irgendwelchen Umfragen zur persönlichen politischen Haltung. Das heißt, ich wiederhole mich, man muss die Schriften lesen und diese beurteilen.

      7. @Lomi
        Genau deswegen ist es ein bisschen kurzsschlüssig, von politischen Haltungen von Wissenschaftlern auf einen politischen Bias ihrer Arbeiten zu schließen.
        A) Du fackelst einen Strohmann ab,
        B) Du hast nicht verstanden, dass sich die Argumentation gegen Journalisten richtet.

  4. „Der Beitrag der Sozialwissenschaften zu den wissenschaftlichen Grundlagen der Männerrechtsbewegung ist viel größer als z.B. der Beitrag der Evolutionären Psychologie (die in den meisten Standardwerken der Männerrechtsbewegung höchstens eine Nebenrolle spielt).“

    Die richtige Folgerung daraus wäre dann: Es gibt noch viel zu verbessern. Man sollte dabei nicht vergessen, dass in den wissenschaftlichen Geschlechtertheorien an sich, in der aktuellen Forschung, die Biologie und die Evolutionäre Psychologie absolut führend sind.
    Gerade bei einer Kritik rein sozial begründeter Theorien kommt man an der Biologie nicht vorbei.

    Im wissenschaftlichen Bereich ist letztendlich allein das kombinierte Modell (Biologie, ausgestaltet und ergänzt durch soziales) haltbar

    1. “ Man sollte dabei nicht vergessen, dass in den wissenschaftlichen Geschlechtertheorien an sich, in der aktuellen Forschung, die Biologie und die Evolutionäre Psychologie absolut führend sind.“

      Aus welcher Perspektive gesehen sind sie führend? Kann man das so wirklich sagen? Und wer bestimmt das? Politisch dominant sind ja eher sozialwissenschaftliche Theorien, jetzt mal ganz abgesehen von deren Qualität. Auch ist es selten sinnvoll, unterschiedliche Disziplinen gegeneinanderzustellen. Schließlich stellt jede Disziplin eine andere Frage und daher sind deren Ergebnisse selten deckungsgleich.

      Tatsächlich könnte man folgendes machen:
      – die herrschenden sozialwissenschaftlichen „Theorien“ oder Theorien müssen auch sozialwissenschaftlich kritisiert werden ==> wissenschaftliche Hygiene
      – die Geschlechterforschung muss deutlich interdisziplinärer werden ==> bessere Gegenstandsangemessenheit

      „Im wissenschaftlichen Bereich ist letztendlich allein das kombinierte Modell (Biologie, ausgestaltet und ergänzt durch soziales) haltbar“

      Das ist abhängig von der Fragestellung. Dabei ist zu beachten, dass die Fragestellung der gender studies nicht repräsentativ ist für die Fragestellung der Soziologie an sich. In anderen Teildisziplinen der Soziologie gelingt es deutlich besser, die eigene Kompetenz nicht zu überschreiten. Auch eine Geschlechtersoziologie kann sich im soziologieeigenen Feld aufhalten, ohne auf biologische Tatsachen überzugreifen und ohne über biologische Tatsachen Dinge zu behaupten. Dann müsste sie sich aber selbstbeschränken auf die Dinge, die man durch soziales Handeln auch wirklich erklären kann. Ein interdisziplinärer Austausch wäre nötig, um eben diese Grenzen zu klären.

      1. @lomi

        „Aus welcher Perspektive gesehen sind sie führend?“

        Nenne mir einen Wissenschaftler, den man ernstnehmen kann, der heute nicht von einem gemischten Modell ausgeht, in dem Geschlechterunterschiede, die auf der Biologie beruhen eine Rolle spielen?

        „Kann man das so wirklich sagen?“

        Ja.

        „Und wer bestimmt das? Politisch dominant sind ja eher sozialwissenschaftliche Theorien, jetzt mal ganz abgesehen von deren Qualität.“

        Deswegen schrieb ich ja „in den wissenschaftlichen Geschlechtertheorien“

        „Auch ist es selten sinnvoll, unterschiedliche Disziplinen gegeneinanderzustellen. Schließlich stellt jede Disziplin eine andere Frage und daher sind deren Ergebnisse selten deckungsgleich.“

        Das ist absolut sinnvoll. Im Gegenteil: Wenn man es nicht macht, dann ist es unmöglich die Realität zu ermitteln. Man kann bei der Geschlechterfrage die Biologie kaum ausgrenzen.
        Aber vielleicht kannst du mir an einem Beispiel erläutern, wie du das meinst?

        „Tatsächlich könnte man folgendes machen:
        – die herrschenden sozialwissenschaftlichen “Theorien” oder Theorien müssen auch sozialwissenschaftlich kritisiert werden ==> wissenschaftliche Hygiene“

        Wenn der Kern bereits falsch ist, nämlich die Annahme, dass die Geschlechter rein sozial konstruiert sind, wie will man dann zu richtigen Ergebnissen bei einer internen Aufarbeitung kommen?
        Allenfalls kann man bestimmte Fehler nachweisen. Aber auch neue Theorien, die außerhalb der Biologie entwickelt werden, müssen ja zwangsläufig erneut einen Fehler haben.

        „– die Geschlechterforschung muss deutlich interdisziplinärer werden ==> bessere Gegenstandsangemessenheit“

        Ja, durchaus. Allerdings wird das für die Sozialwissenschaften einen bitteren Abschied von einer Vielzahl von Theorien bedeuten.
        Alle, die schlicht auf „Macht“ aufbauen sind heutzutage kaum haltbar. Auch solche, die rein soziologisch begründen sind unhaltbar.

        „“Im wissenschaftlichen Bereich ist letztendlich allein das kombinierte Modell (Biologie, ausgestaltet und ergänzt durch soziales) haltbar”“

        „Das ist abhängig von der Fragestellung“

        Kannst du da mal eine Fragestellung bilden?

        „Dabei ist zu beachten, dass die Fragestellung der gender studies nicht repräsentativ ist für die Fragestellung der Soziologie an sich. In anderen Teildisziplinen der Soziologie gelingt es deutlich besser, die eigene Kompetenz nicht zu überschreiten. Auch eine Geschlechtersoziologie kann sich im soziologieeigenen Feld aufhalten, ohne auf biologische Tatsachen überzugreifen und ohne über biologische Tatsachen Dinge zu behaupten“

        Welche gegenwärtig in der Soziologie vertretene Theorie erfüllt denn diese Voraussetzungen?

        „Dann müsste sie sich aber selbstbeschränken auf die Dinge, die man durch soziales Handeln auch wirklich erklären kann. Ein interdisziplinärer Austausch wäre nötig, um eben diese Grenzen zu klären.“

        Und das ist eben wahnsinnig schwierig, weil es kaum einen Bereich geben dürfte, in dem Signalling, Statusaufbau, Partnerwahl, Darstellung guter Gene etc nicht reinspielt. Natürlich kann man innerhalb dieser Betrachtungen sehr wichtige soziologische Forschung durchführen

      2. @Christian

        ich kann Deine Skepsis verstehen. Aber sie ist nicht immer berechtigt.

        Man kann z.B. deswegen sozialwissenschaftliche Gendertheorien sozialwissenschaftlich kritisieren, weil nicht jede sozialwissenschaftliche Theorie von der Konstruiertheit aller Phänomene ausgeht. Genau deshalb kann man sehr wohl innerhalb der Disziplin in Frage stellen, ob die Grundannahmen von Gender sinnvoll sind.

        Um das mal zu illustrieren: Thomas Luckmann hat zusammen mit einem anderen das eminent wichtige Buch „Gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ geschrieben. Anders als der Titel es nahelegt, behauptet er nicht, dass damit nun alles konstruierbar wäre. Luckmann hat aktuell sogar heftig gegen diese Vorstellung gewettert und den radikalen Konstruktivismus einen Fehler genannt.

        Warum geht das? Das geht, weil Luckmann sich nur auf eine bestimmte Klasse von Phänomenen konzentriert, die durch die prinzipielle Willensfreiheit erzeugt werden. Von biologischen Tatsachen würde er nie behaupten, sie seien konstruiert.

        Und jetzt mal zu einem Beispiel, wie man rein soziologisch fragen kann, ohne a) die Biologie zu benötigen und ohne b) über biologische Tatsachen unsinnige Behauptungen aufzustellen. Man kann z.B. über den gesellschaftlichen Status von Jugend sprechen. Es gibt die biologische Jugend, die entwicklungspsychologische (wird in der Regel von der meist interdisziplinären Jugendforschung auch berücksichtigt). Man kann aber davon ganz unabhängig nur danach fragen, wie durch Institutionen, Gesetzgebung, Medien und Markt eine gesellschaftliche Kategorie „Jugend“ entsteht. Dann interessiert man sich z.B. ausschließlich für die Folgen etwa von Jugendschutzgesetzgebung und -einrichtungen. Aber gleichzeitig lässt man alles gelten, was z.B. die Entwicklungspsychologie naturwissenschaftlich über Jugend und Erwachsenwerden aussagt. Diesen Phänomenbereich lässt man nämlich unberührt, weil er für die soziologische Frage unbedeutend ist.

        „Und das ist eben wahnsinnig schwierig, weil es kaum einen Bereich geben dürfte, in dem Signalling, Statusaufbau, Partnerwahl, Darstellung guter Gene etc nicht reinspielt.“

        Auch das ist letztendlich vollkommen von der verfolgten Fragestellung abhängig. In der Regel sollte Soziologie eben eher nicht nach den biologisch festgelegten Verhaltensdispositionen fragen, sondern nach den Konsequenzen wählbaren Handelns, das im Gegensatz zu Verhalten gesehen wird. Damit lässt sich der eigene Gegenstandsbereich auch trennscharf abgrenzen.

        Es dürfte natürlich trotzdem sinnvoll sein, über den Tellerrand zu gucken, aber es ist erkenntnistheoretisch eigentlich nicht zwingend erforderlich, da der Phänomenbereich im Grunde längst fachspezifisch eingeschränkt worden ist.

        Das Problem feministischer Theorien ist hier halt, dass sie genau das missachten und darum schwierige Thesen aufstellen, die sie mit den Mitteln der Sozialwissenschaft wohl kaum belegen können. Denn üblicherweise sagt ein Soziologe nichts zu biologischen Dispositionen, weil das nicht sein Fachgebiet ist und weil er weiß, dass er darüber gar nichts weiß. Feministinnen tun das, aber damit verstoßen sie eigentlich gegen die wissenschaftstheoretischen Grenzen der Disziplinen.

      3. „Warum geht das? Das geht, weil Luckmann sich nur auf eine bestimmte Klasse von Phänomenen konzentriert, die durch die prinzipielle Willensfreiheit erzeugt werden. Von biologischen Tatsachen würde er nie behaupten, sie seien konstruiert.“

        Wie will er denn wissen, dass sie durch die prinzipielle Willensfreiheit erzeugt sind?

        Was genau vertritt Luckmann denn bezüglich der Geschlechter?

        „Und jetzt mal zu einem Beispiel, wie man rein soziologisch fragen kann, ohne a) die Biologie zu benötigen und ohne b) über biologische Tatsachen unsinnige Behauptungen aufzustellen. Man kann z.B. über den gesellschaftlichen Status von Jugend sprechen.“

        Auch das hätte aber nichts mit Geschlechtern zu tun.
        Die Unterschiede in der Wahrnehmung von „jugend“ bei den Geschlechtern ist hingegen wieder stark biologisch. es gibt einen guten Grund dafür, warum 18jährige Frauen besonders attraktiv erscheinen etc.
        Und es gibt auch biologische Gründe, warum jugendliche sich auf bestimmte weise verhalten

      4. Christian

        „Auch das hätte aber nichts mit Geschlechtern zu tun.
        Die Unterschiede in der Wahrnehmung von “jugend” bei den Geschlechtern ist hingegen wieder stark biologisch. es gibt einen guten Grund dafür, warum 18jährige Frauen besonders attraktiv erscheinen etc.
        Und es gibt auch biologische Gründe, warum jugendliche sich auf bestimmte weise verhalten“

        Das Beispiel „Jugend“ war nicht auf Geschlechterforschung bezogen, sondern eine Illustration einer fachspezifischen Fragestellung. Und meist ist es aus soziologischer Sicht irrelevant dabei, ob junge Frauen als besonders attraktiv wahrgenommen werden. Einfach, weil das nicht zu dem gehört, was man wissen will, wenn man den sozialen Status „Jugend“ betrachtet.

        Würde man mit einer strikt soziologischen Perspektive nach Attraktivität fragen, würde man allein darauf gucken, was durch planvolle Handlungen hergestellt wird. Das könnte z.B. Schönheitsideale sein, die über die Medien transportiert werden. Das könnten Kulturtechniken sein, die eigene Attraktivität zu steigern. Was man nicht betrachten würde, wäre die Frage, was als schön empfunden wird. Das zunächst kein Produkt des Handelns. Davon zu unterscheiden ist, was als schön propagiert wird. Aber wenn man propagierte Schönheitsideale betrachtet, weiß man noch lange nicht, ob sie auch wirken und von den Leuten als die ihren übernommen werden.

        Was man dann weiß, ist folgendes:
        – welche Stilmittel benutzt diese Kampagne?
        – Wer zahlt sie, wer hat Medienzugang, wer betreibt sie?
        – Welche INteressengruppen stecken dahinter und welcher Konflikt wird damit ausgetragen? usw.
        – wie organisiert sich diese Interessengruppe? Wie wirkt die organisatorische Dynamik zurück auf das, was diese Gruppe als Wirklichkeit wahrnimmt?

      5. @lomi

        das es bestimmte Bereiche gibt, in denen Biologie weniger stark hereinspielt ist klar.

        Nur geht es hier ja im Geschlechterthemen. Es wird immer allgemein vorgehalten, dass die Soziologie da eigene Bereiche hat.
        Fragt man dann zu Geschlechterthemen nach kommt grundsätzlich etwas, was mit Geschlechtern nichts zu tun hat.

        Zu Geschlechterthemen an sich kommt dann nichts.

        „Was man dann weiß, ist folgendes:
        – welche Stilmittel benutzt diese Kampagne?
        – Wer zahlt sie, wer hat Medienzugang, wer betreibt sie?
        – Welche INteressengruppen stecken dahinter und welcher Konflikt wird damit ausgetragen? usw.
        – wie organisiert sich diese Interessengruppe? Wie wirkt die organisatorische Dynamik zurück auf das, was diese Gruppe als Wirklichkeit wahrnimmt?“

        Das mag ja alles interessant sein, aber die Frage ist doch, welche Schlußfolgerungen man daraus ziehen kann.
        Selbst wenn etwas übertrieben die Patriarchats GmbH erhebliche Kampagnen startet ergibt sich daraus ja erst einmal nichts. Die Frage der Wirksamkeit oder die Frage, wie es ohne diese Kampagne wäre bleibt offen.

        Gerne wird aber eine falsche Schlußfolgerung ausgestellt, ein versimpeltes Cui bono. Es nützt dann nach sehr überflächlicher analyse den Männern oder die Medienanstalten sind männlich besetzt also ist ein bestimmtes Bild von Männern verursacht.

        Du hast recht, dass man das allein mit der Soziologie durchaus angreifen kann. Letztendlich aufklären worauf bestimmte Bilder beruhen und warum sie verbreitet werden kann man nur unter Zuhilfenahme der Biologie

      6. Christian
        „Du hast recht, dass man das allein mit der Soziologie durchaus angreifen kann. Letztendlich aufklären worauf bestimmte Bilder beruhen und warum sie verbreitet werden kann man nur unter Zuhilfenahme der Biologie“

        Ja, da gebe ich Dir recht. Attraktivität ist kein soziologisches Konzept. Klare Sache. Insofern ist es ein Fehler, wenn ein Soziologe versucht, das Schönheitsempfinden von Menschen abzuleiten aus vorhandenen Bildern in den Medien. Denn er müsste ja letztendlich eine Kausalität behaupten: Bilder prägen das je individuelle Empfinden. Schon wenn er sich damit auf die Individualebene begibt, müsste er eigentlich einen Psychologen fragen. Der ideale Soziologe fragt aber nicht danach, was im Kopf eines Einzelnen vorgeht. Das weiß er nicht und dazu hat er keinen Zugang. Das ist schlicht kein soziologisches Thema. In der Regel kennen Soziologen auch diese Grenze.

        „Das mag ja alles interessant sein, aber die Frage ist doch, welche Schlußfolgerungen man daraus ziehen kann.
        Selbst wenn etwas übertrieben die Patriarchats GmbH erhebliche Kampagnen startet ergibt sich daraus ja erst einmal nichts. Die Frage der Wirksamkeit oder die Frage, wie es ohne diese Kampagne wäre bleibt offen.“

        Es kommt – ich wiederhole das! – auf die Fragestellung an. Dabei bitte ich Dich folgendes zu beachten: Das, was Dich in der Regel interessiert, interessiert die Soziologie meist kein bisschen! Du darfst also nicht den FEhler machen, zu glauben, DEINE Interessen am Geschlechterthema als zentrale Frage einer Geschlechterforschung egal in welcher Disziplin zu verallgemeinern. Das ist es eben NICHT!

        Ich will das mal verdeutlichen:
        Wenn ich z.B. eine Medienkampagne feststelle, wo man gewisse Schönheitsideale propagiert, was folgere ich daraus bzw. was interessiert mich daran als Soziologe?

        Ich gucke nicht darauf, wie Leute denken. Mich interessiert, wer auf der Basis solcher medialen Bilder beginnt, Normen zu entwickeln und in Institutionen zu verankern. Damit meine ich Vorgaben richtiger VErhaltensweisen, die sozial sanktioniert werden.

        Jetzt schau Dir mal die ganze Genderei unter dieser Perspektive an:
        a) Es gibt ein Modell der Geschlechterordnung, nach der wir angeblich in einem Patriarchat leben, das Frauen unterdrückt
        b) dieses Modell wird von einer bestimmten Gruppe propagiert, der es gelungen ist, staatstragend zu werden (Frage wäre: wie ist es ihnen gelungen?)
        c) Die Gruppe leitet VErhaltensnormen daraus ab und versucht diese via Pädagogik und via Gesetzgebung institutionell zu verankern und ein Fehlverhalten sanktionierbar zu machen.

        DAS interessiert Soziologen. Das Balzverhalten junger Menschen interessiert dagegen nicht. Uns interessiert, wie sich gesellschaftliche Strukturen ausbilden, wie sie durch Handeln hergestellt werden. Der institutionalisierte Feminismus ist eine gesellschaftliche Struktur. Kann man natürlich auch umgekehrt versuchen mit der Patriarchats-These.

        Im übrigen bekommt es selbst GEnder auf die Reihe, zu unterscheiden zwischen einer Norm („Schönheitsideal“) und dem, was die Menschen tatsächlich empfinden. Selbst da ist rudimentär noch die Vorstellung vorhanden, dass gesellschaftliche Normen nicht vollkommen deckungsgleich sind mit dem, was der Einzelne fühlt. Ein idealer Soziologe würde von dieser Differenz immer ausgehen, sonst gäbe es nämlich keine Notwendigkeit der Normierung und der Sanktion der Normen.

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