Von Paul Watzlawick stammt das Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ und das ist der absolute Knaller. Wenn ich ein Buch über Psychologie empfehlen darf – das ist es. Kein langes Geschwafel oder Wischiwaschi, sondern ganz vernünftige Erklärungen, wie sich Leute durch eigenes Verhalten unglücklich machen. Dabei wird das so humorvoll präsentiert, dass ich herzlich darüber lachen musste. Also: pragmatisch, praktisch, gut.
Ein Anekdote aus einem anderen Buch war mir jedoch noch im Gedächtnis geblieben, die hervorragend zum Geschlechterallerlei passt. Es geht um Flirtverhalten und wie kulturelle Unterschiede die normale Kommunikation dabei stören:
Mißverständnisse zwischen Menschen verschiedener Herkunft am Beispiel Paarungsverhalten (alternative Quelle).
Kurz zusammengefasst: Amerikanische Soldaten waren während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach in Großbritannien stationiert und trafen dabei auf britische Frauen. Befragt über ihre Erfahrungen, stellten beide (!) Gruppen fest, dass die jeweils andere doch ziemlich schnell vorgehe. Wie konnte das sein?
Das „Balzverhalten“ vom Kennenlernen bis zum Sex verläuft in einer Reihe von Schritten. Während Anfang und Ende wohl ziemlich klar sind, ist einiges bei der Reihenfolge dazwischen kulturell ausgeprägt. Küssen wird als Beispiel dafür aufgeführt, dass es in den USA sehr früh, bei den Briten jedoch sehr spät an der Reihe ist.
Eine aus amerikanischer Sicht vergleichsweise harmlose Sache war für die Britinnen schon ziemlich draufgängerisch. Ließ sich die Frau weiterhin darauf ein und machte an der für ihre Kultur normalen Stelle im Ablauf weiter, wirkte das wiederum auf den Amerikaner ganz schon forsch.
Mir gibt das Hoffnung. Mit etwas Toleranz und dem Bewusstsein um ihre Existenz lassen sich solche kulturellen Unterschiede nutzen, um aus einigen Sackgassen in der Geschlechterdebatte herauszukommen: Wenn inzwischen bloßes Ansprechen auf der Straße als Belästigung gilt (oder wahlweise „einfaches Flirten“ oder „zu nahe bei jemandem stehen“) und nachträglich alles eine Vergewaltigung sein kann, dann ist es dringend Zeit, dieses viel zu enge Regelkorsett aufzubrechen.
Plötzlich gibt es eine Pufferzone, in der man einfach mal etwas wagen und sich vertun kann, ohne gleich soziale Ächtung befürchten zu müssen; in der man Sachen, die ja eigentlich „intuitiv funktionieren müssten“ und bei denen es sonst ungeschickt wirkt, darüber zu reden, einfach direkt ansprechen kann. Niemand muss sich jederzeit zu 100% sicher fühlen – weil immer eine Restirrtumswahrscheinlichkeit bleibt, dass man einfach etwas falsch verstanden hat, das sich schon noch klären läßt. Anstatt wie einige Radikale zu versuchen, die genaue Bedeutung jeder kleinsten Sache genau auszudefinieren (ein Versuch, der ohnehin zum Scheitern verurteilt ist), gibt es wieder einen Korridor, innerhalb dessen man sich aufgrund von Unklarheit bewegen kann. Ich halte das für elementar fürs Kennenlernen; denn wer möchte schon beim ersten „Hallo“ gleich die verbindliche Zusatzinformation bekommen, ob das jetzt ein Flirt / eine Sache für eine Nacht / der Anfang einer Beziehung werden soll? Und wer kann und will das umgekehrt gleich von sich aus sagen?
Popkultur
Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Wo schon amerikanische Jungs erwähnt wurden…
Estelle featuring Kanye West: American Boy