Warum mir der Fall Tim Hunt wenig über Chauvinismus sagt, aber viel über Ideologie

Vor einigen Monaten wurde Dr. Matt Taylor, nachdem er eine der größten astrowissenschaftlichen Leistungen seit einer Generation vollbracht hatte, wegen eines T-Shirts fertiggemacht. Jetzt hat der Nobelpreisträger Tim Hunt mehrere seiner Posten verloren, weil er einen schlechten Witz über sich selbst erzählt hat, den andere Leute bierernst genommen haben. Wie es inzwischen schon fast zum guten Tonfall gehört, geschah dies ohne Anhörung oder die Chance, seine eigene Version der Geschichte zu erzählen. Dr. Matt Taylor wurde seinerzeit dadurch gerettet, dass die breite Öffentlichkeit die mediale Verurteilung nicht nachvollziehen konnte. Tim Hunt bekommt inzwischen zumindest Unterstützung von früheren weiblichen Kollegen, geht aber selbst davon aus, dass es mit seiner Karriere vorbei ist.

Wenn die richtigen Leute Schaum vor dem Mund haben, ist nicht einmal ein Nobelpreisträger vor ihnen sicher, weil die entsprechenden Institutionen nicht den Mumm in den Knochen haben, ihn zu verteidigen: Das ist also die moderne Welt der Wissenschaft, in der ein unangebrachter Witz, der sogar auf eigene Kosten ging, schwerer wiegt als eine jahrzehntelange Spitzenkarriere.

Da wird seit ewig und drei Tagen dafür plädiert, Menschen allein nach ihren Leistungen zu beurteilen – und dann wird jemand, der genau diese in höchsten Maße geliefert hat, wegen einer Bemerkung abgesägt, die ihm einige einflussreiche Leute krumm genommen haben. Und das soll diejenigen mit dem richtigen Talent ermutigen, in die Wissenschaft zu gehen?

Ich hatte es vor zwei Wochen zu einer anderen Fragestellung in einem Kommentar geschrieben. Es passt jedoch auch hier sehr gut:

Diejenigen, die tatsächlich Herausragendes leisten, sind meistens keine normalen Menschen, sondern eher exzentrisch – und eben auch mit Fehlern und Schwächen behaftet.

Oder wie es jemand in anderem Zusammenhang, wenn sich über Nichtigkeiten maßlos empört wurde, bereits geschrieben hat:

University probably is not for You, #UPINFY

Kann man ohne Mühe auf wissenschaftliche Forschung allgemein ausweiten.

Im Kern ging es bei dem misslungenen Witz darum, dass Frauen und Männer getrennte Labore haben sollten, weil er, Tim Hunt, sich in Frauen verliebe, diese in ihn und weil Frauen so schnell weinen würden, wenn man sie kritisiere. Bekloppterweise wird bei allen möglichen anderen Gelegenheiten gefordert, man möge doch bitte Bildung und Erziehung nach Geschlechtern getrennt machen. Frauen würden sich in gemischtgeschlechtlichen Gruppen nicht trauen, sich zu melden oder von den Männern untergebuttert. Alles und das Gegenteil davon sind ein Anlass, Sexismus gegen Frauen anzuprangern. Jetzt hat dies die erste Karriere eines Nobelpreisträgers effektiv beendet.

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