Fundstück: Mythos Gender Pay Gap

Es wird natürlich niemanden mehr wundern, der in dieser Blogblase regelmäßig mitliest: Die Behauptung, Frauen erhielten für gleiche Arbeit 23% weniger Lohn als Männer, gehört ins Reich der Märchen. Es lohnt sich dennoch, solchen scheinbar unausrottbaren Mythen mit Argumenten zu begegnen, etwa mit der Unstatistik des Monats des Rheinisch-Westfälischen Institus für Wirtschaftsforschung. Hinter dieser Serie steckt unter anderem der Statistik-Experte Prof. Dr. Walter Krämer, der Bücher darüber geschrieben hat, wie mit Statistik gelogen wird, an welchen Stellen Menschen immer wieder Trugschlüssen im Zusammenhang mit Statistik aufliegen und zuletzt auch, wie man es stattdessen richtig macht.

Krämer ist ein zweifellos streitbarer Geselle und man muss nicht jede seiner Ansichten teilen. In Sachen Statistik ist er aber eine unbestreitbare Autorität und vor allem strahlt aus seinen Büchern auch der Wunsch, die Leute schlauer zu machen und Wissen zu verbreiten. Deswegen halte ich diesen Beitrag für besonders wichtig, weil er von einem Statistiker selbst stammt, der schon viel Schund und Schmuh gesehen und auseinandergenommen hat.

Popkultur

Was wäre ein Blogeintrag ohne Popkultur? Diesmal wollte mir zum Thema „Frauen, Arbeit, Fairness“ nichts Besseres einfallen…

Donna Summer: She Works Hard For The Money

25 Kommentare zu „Fundstück: Mythos Gender Pay Gap“

  1. „Die in Deutschland beschäftigten Frauen und Männer unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich ihrer durchschnittlichen Ausbildung, Berufserfahrung und Arbeitszeit. Darüber hinaus sind Frauen und Männer weiterhin überwiegend in unterschiedlichen Berufen und Industrien tätig…Vielmehr müssten Frauen und Männer miteinander verglichen werden, die über die gleichen arbeitsmarktrelevanten Charakteristika verfügen und in denselben Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausüben.“

    Das wäre in der Tat mal eine gute Sache. Es ist eine Schande, dass diese 23% immer noch so oft in den Raum gestellt werden.
    Schadet letztendlich auch den Frauen.

    1. Es ist ja schon beachtlich, dass etwa selbst Barack Obama darauf hereinfällt oder den Mythos selbst benutzt. Gebe ich bei Youtube „Gender Pay Gap“ ein, bekomme ich als erstes Video eines von John Oliver. Da wird wohl ein wenig Late Night Comedy gemacht mit dem Thema, nach dem Motto: Die ungleiche Bezahlung ist ein Fakt und wer dagegen argumentiert, ist doof oder böse.

      Es ist interessant, auch einmal dieses Video auseinanderzunehmen. Die erste Statistik kommt ab 1:25. Da geht es um die Durchschnittslöhne der Angestellten des Weißen Hauses. Was dort natürlich nicht genannt wird: Was sind die jeweiligen Stellen? Sind Männer und Frauen dort gleich verteilt?

      Es folgen verschiedene Videoausschnitte, in denen die „Lücke“ unterschiedlich hoch beziffert wird. Was hier natürlich nicht vorkommt: Entscheidend ist, wie genau man untersucht. Je nach Aufwand kann man Unterschied an verschiedenen Faktoren festmachen, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Was an Differenz übrigbleibt, ist dann auch nicht die Differenz, die auf das Geschlecht zurückgeführt werden kann, sondern für die man keine bestimmte Ursache findet. Dann zu sagen „Dann muss es das Geschlecht sein!“ ist ein Fehlschluss.

      (Exkurs: Anhänger der sogenannten Paläo-SETI-Theorie glauben, Außerirdische hätten frühere Zivilisationen besucht, was dazu geführt habe, dass „primitive“ Kulturen beeindruckende Bauwerke errichten konnten. Die „Beweisführung“ lautet wie folgt: Mit allen uns bekannten Mitteln, von denen wir wissen, dass sie das Volk X damals besaß, war es nicht möglich, Bauwerk Y zu erstellen. Also müssen Außerirdische im Spiel gewesen sein! An so einem abstrusen Beispiel wird der logische Fehlschluss hoffentlich deutlicher.)

      Das Aufzeigen von durchschnittlichen (!) Unterschieden zwischen Frauen und Männern, was die Arbeit angeht, wird interpretiert als „Frauen beschuldigen“ (ca. 2:49). In einem Videoausschnitt wird auf die unterschiedliche Lebenssituation von Frauen hingewiesen – wenn man diese berücksichtige, verschwinde der Unterschied in der Entlohnung. John Oliver sieht das als Bestrafung der Frauen dafür an, dass sie die Kinder bekommen. (Man könnte sein Argument so weiterführen, dass bereits die Natur diskriminierend sei, weil nur Frauen aufgebürdet werden kann, schwanger zu werden.)

      Interessanterweise liefert John Oliver tatsächlich ein gutes Argument: Wer Kinder bekommt und sich deswegen nicht 100% auf die Karriere konzentriert, bekommt weniger als diejenigen, die das tun. Was ist daran unfair?

      Als nächstes greift er das Argument auf, dass Frauen schlechter bezahlte Stellen annehmen (ab 3:27), ebenfalls mit einem Videoausschnitt. Hier wird tatsächlich darauf hingewiesen, dass man unter denselben Rahmenbedingungen vergleichen muss und es dann keine Ungleichheit gibt.

      Die Studie mit der gleichen Bewerbung unter den Namen „John“ und „Jennifer“, bei denen dem Mann 4.000 USD mehr angeboten wurden, kann ich nicht widerlegen. Das wäre tatsächlich ein untersuchenswerter Punkt.

      Danach kommt ein weiterer Videoausschnitt, in dem sogar darauf hingewiesen wird, dass unter gewissen Umständen Frauen durchschnittlich sogar mehr (!) verdienen als Männer. Hier wäre spätestens der Zeitpunkt, um an dem Narrativ „Sexismus gegen Frauen“ zu zweifeln. Wenn jeder Lohnunterschied (egal wie man misst) diskriminierend ist, wo bleibt der Aufruhr für die hier benachteiligten Männer?

      John Oliver macht sich über diese Statistik hingegen lustig (sie passt ja auch nicht in sein Bild) und nennt als Bedingungen für eine gleichviel verdienende Frau (ab 4:50): Single bleiben, nie ungewollt schwanger werden und nie 44 werden. Die ersten beiden Bedingungen sind tatsächlich sogar ausgesprochen gut dafür geeignet, nur für seine Arbeit zu leben und damit gute Aussichten zu haben, ordentlich Kohle zu machen. Die dritte Bedingung war eine Rahmenbedingung des Ergebnisses, dass Frauen mehr verdienen als Männer. Sie ist aber nur hinreichend, nicht unbedingt notwendig. Denn es ist keineswegs gesagt, dass das ansonsten nicht eintritt (es wurde zum Beispiel nicht gesagt, dass man ähnliche Untersuchungen in anderen Alterssegmenten gemacht hätte). Er schließt also unzulässig von „wissen wir nicht“ auf „ist so, wie es in mein Weltbild passt“.

      Es folgt ein weiterer schiefer Vergleich mit Affen (bei denen tatsächlich nachvollziehbar ähnliche Bedingungen herrschten) und danach ein Clip, in dem die bösen Männer die Frauen verarschen. Interessanterweise sind es hier 17% und nicht 23% Unterschied.

  2. Auch den hier verlinkten Artikel finde ich sehr gut.

    Diesem Ansatz „Anstatt der Konzentration auf medienwirksame Lohnunterschiede sollte sich die Politik fragen, warum überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten, Kinder betreuen und Familienangehörige pflegen. Auch sollte die Frage gestellt werden, warum Frauen andere Berufe als Männer wählen, was nicht zuletzt die Absolventenstatistik der Universitäten verdeutlicht. Diesen Unterschieden sollte sich die Politik zuwenden, wenn sie ernsthafte Gleichstellungspolitik betreiben möchte. So dürften bspw. Maßnahmen zur verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf die beste Gleichstellungspolitik sein, während andere Maßnahmen, wie das Betreuungsgeld, eher kontraproduktiv sind.“ kann ich nur zustimmen.

    Hinzufügen möchte ich noch, dass interessant wäre, warum genau so genannte „Frauenberufe“ deutlich schlechter bezahlt werden als so genannte „Männerberufe“. Liegt es daran, dass „soziale Berufe“ im weitesten Sinne aufgrund fehlender finanzieller Mittel einfach schlecht bezahlt werden und Frauen bevorzugt diese Berufe ergreifen? Verhandeln Frauen tatsächlich einfach schlechter und ziehen deshalb das Lohnniveau dieser Berufsgruppen nach unten? Wenn ja, warum? Liegt es an der Teilzeitarbeit, die als Zugeständnis des AG gilt, weshalb TZ-Arbeitende eine schlechtere Verhandlungsbasis als VZ-Arbeitende haben?

    1. Meine Theorie: Dass soziale Berufe schlechter bezahlt werden, liegt nicht daran, dass sie nicht wertgeschätzt werden, sondern dass sie im Gegenteil sogar sehr geschätzt werden.

      Nehmen wir an, es würde ein Einheitslohn für alles durchgesetzt werden. Was würde ich dann lieber tun: Einen Schreibtischjob mit Bildschirmarbeit, bei dem ich wenig unter die Leute komme und es Papierkram gibt, Projektstress und viel abstrakte Arbeit, die nie jemand außerhalb meines Berufes verstehen wird und für die ich daher auch kaum gesellschaftliche Anerkennung bekommen werde, oder irgendetwas, bei dem ich unter Menschen bin, bei dem ich Leuten etwas beibringen kann, bei dem ich Leute wachsen sehe, bei dem ich recht schnell und viel erlebe, was ich erreiche mit meiner Arbeit? Klare Sache, letzteres. Und weil annehme, dass es vielen so gehen wird, wird sich für die langweilige, nervige, abstrakte oder eben körperlich schwere und gefährliche Arbeit kaum noch jemand finden. Dazu kommt die Frage, ob ich regelmäßig Feierabend habe oder zu Stoßzeiten Überstunden ohne Ende machen oder evtl. am Wochenende abrufbereit sein muss.

      Die Welt zerfällt auch hier nicht schwarzweiß, denn natürlich ist keine Arbeit Zuckerschlecken und es gibt nicht die in jedem Punkt „guten“ Stellen und die in jedem Punkt „schlechten“, am besten noch zu 100% präsentiert als Frauen- und Männerjobs. Ich würde aber schon darauf wetten, dass bestimmte Stellen besser bezahlt werden, weil sie mit (mehr) unangenehmen Eigenschaften verbunden sind.

      Unterschiede nach Männern und Frauen ergab zumindest bei den Studienfächern mal ein interessantes Phänomen: Frauen bewarben sich bevorzugt auf sehr beliebte Fächer, die dann auch entsprechend hohe Ablehnungsquoten hatten. Selbst wenn in fast jedem Fach mehr Männer abgewiesen wurden als Frauen, scheiterten insgesamt prozentual mehr Frauen bei ihren Uni-Bewerbungen, was dann einen Sexismusverdacht aufkommen ließ. Das ganze ist als Simpson-Paradox in die Geschichte der Statistik eingegangen. Ich wollte darüber noch bloggen.

  3. Der Link zur Unstatistik hat sich geändert, bitte korrigieren: http://www.rwi-essen.de/unstatistik/5/

    Gender Pay Crap war übrigens 2016 nochmals Thema bei Unstatistik, hier: http://www.rwi-essen.de/unstatistik/53/

    Highlight: Die Propagandistinnen haben so was von keine Ahnung von Mathe, dass sie nicht mal den Taschenrechner bedienen können um das richtige Gener Pay Day Datum rauszukriegen.
    Und hier ist die Reaktion der Zeit dazu http://www.zeit.de/karriere/2016-06/gleichberechtigung-lohnunterschied-maenner-frauen-jahrestag

    Highlight: dass sich die Statistiker neben dem Pay Crap auch mit Kaffeebohnen beschäftigen beweist ihre Ignoranz.
    Kann jemand der lieben „Zeit“ mal erklären was Ignoranz heißt, und wie lächerlich das auf-den-Boden-stampf Bestehen auf der eigenen Ignoranz wirkt?

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