Warum ich Beschämung als eines der wichtigsten Probleme ansehe

Neuerdings ist mir klar geworden, was für eine Unsitte wir uns leisten – und das seit Jahrtausenden, ja womöglich seit Anbeginn der Menschheit: Wir versuchen alle (vor allem Männer) zu fleißigen Menschen zu machen. Dabei übersehen wir, dass Menschen unterschiedlich sind und nicht einfach alle über einen Kamm geschoren werden können.

Manche werden nun einmal faul geboren. Warum können wir das nicht akzeptieren, sondern versuchen mit allerlei Maßnahmen, das zu ändern?

Diese ganze Fleißindustrie… es geht ja schon in Kindergarten und Schule los. Wer nicht macht, was alle machen sollen, wird als „Faulpelz“ gebrandmarkt. Dabei kann doch wohl jeder selbst entscheiden, was er wichtig findet! Später dann muss man eine Ausbildung machen oder ein Studium – aber letzteres ist inzwischen auch völlig verschult und soll in Rekordzeit geschafft werden. Danach kommt der Arbeitsmarkt, Karriereberater, Netzwerke… Wo kann man heutzutage noch einige Jahre auf der faulen Haut liegen, ohne dass sich Leute beschweren? Es gibt keine Toleranz mehr!

Ich hatte dazu auch letztens ein ganz tolles Video bei upworthy.com gefunden mit dem Titel „Dieses Video zeigt, was für lächerliche Fleißstandards unsere Gesellschaft hat“. Ich habe jetzt nur keinen Bock, es noch einmal herauszusuchen.

Es ist doch traurig, wie sehr Männern durch Werbung und Popkultur eingebläut wird, dass sie fleißig sein müssen. Das wird dann gerne damit begründet, dass sie Geld verdienen müssen, um eine Familie ernähren zu können, und dass Fleiß in diesem Zusammenhang ein gutes Merkmal für diese Eigenschaft ist.

Das ist doch lächerlich! Es gibt so viele Beispiele von Leuten, die in den Tag hinein gelebt haben und auch über die Runden gekommen sind. Und andere haben sich abgerackert und trotzdem kaum genug zum Überleben gehabt.

Und wie oft ist es vorgekommen, dass ein Mann von seiner Frau verlassen wurde, weil sie einen fleißigeren gefunden hatte, der noch weiter nach oben wollte? Kein Mann kann sich wirklich sicher fühlen. Das ist alles Teil unserer „work culture“.

Männer, die darauf reduziert werden, dass sie immer ordentlich arbeiten – das ist doch krank! Diese Erwartungshaltung an Männer ist pures non-male entitlement.

Dabei sollten wir einfach neue Standards definieren: Alle Abstufungen von Aktivität sind gleich attraktiv! Es gibt kein „zu faul“. Wenn jemandem nicht gefällt, dass ich nichts tue, dann hat er ein Problem, nicht ich!

Klar gibt es einige, die von Natur aus fleißig sind und die sich gut in der Rolle des emsigen Arbeiters wiederfinden. Das ist aber kein Gegenargument, sondern nur ein Fortführen agilnormativer Rollen. Checkt mal Eure Fleißprivilegien!

Viele merken aber auch gar nicht, in was für einem Hamsterrad sie da gefangen sind. Deswegen kann man von ihnen auch nicht erwarten, dass sie von sich aus ein Bewusstsein dafür entwickeln und von alleine da herauskommen.

Äh, wie, was? Die meisten Menschen, die Zeit haben, über solche Zusammenhänge nachzudenken, beschweren sich gar nicht? Aber das ist doch der Beweis! Denn wenn sie pflichtschuldigst laziness shaming anklagen würden, wäre das ja auch nur eine weitere Fleißarbeit und kein Ausbrechen aus den bekannten Denkschemata. Nein, die Tatsache, dass das nicht passiert, beweist nur, dass ich recht habe!

Und als Form des Protestes gegen diesen ganzen Mist werde ich den Artikel einfach nicht zuende

12 Kommentare zu „Warum ich Beschämung als eines der wichtigsten Probleme ansehe“

  1. Ganz ehrlich… noch nie hörte ich davon, dass eine Frau einen Mann für einen speziell fleißigeren Mann verließ. Zumindest nicht in deinem geschlechterspezifischen Kontext. Man könnte sagen, wenn ein Partner einen so völlig anderen Individualismus und Lebensstil als sein Partner pflegt, könnte es passieren, das dieses der Grund dafür ist, das einer sich vom anderen trennt. Ob Mann oder Frau, seltenst hat ein Part Lust, den Trägen an seiner Seite seine Faulheit wett zu machen. Irgendwo muss immer der Ausgleich dann her. Geben und Nehmen. Sollte Faul nur nehmen, kann Faul sich sicher irgendwann verabschieden.
    Das alles platt ausgedrückt

    1. Nö, es geht nicht um Fleiß direkt, sondern um dessen mögliche Früchte. Mancher Künstler z.B. arbeitet vielleicht länger pro Woche als ein Manager, verdient aber oft genug kaum mehr als das Existenzminimum oder kaum darüber. Der Träge an der Seite ist meistens weiblich und das ist dann gesellschaftlich voll akzeptiert und wird nicht als „faul“ deklariert.

  2. Coole Replik auf den Artikel zum Thema Fatshaming und dass doch bitte jeder Körper schön ist! 😀

    Allerdings denke ich nicht, dass Fleiß attraktiv macht, viel mehr ist es für so manch eine Frau das Geld, dass der Mann verdient, weil er so fleißig ist. Darauf hätte man vielleicht noch eingehen können.

      1. Bei mir hat der Ironiedetektor auch erst an der Stelle „…einige Jahre auf der faulen Haut liegen…“ angeschlagen, danach hatte ich viel zu lachen. Wirklich köstlich.

        Das einzige, was wirklich fehlt, wäre ein Seitenhieb auf das Definitionsmachtkonzept.
        Denn dieser soziale Druck, fleißig zu sein, ist Folter, Vergewaltigung, unmenschlich, und darüber entscheide ich als Betroffener natürlich autonom 🙂
        Schönes WE!
        Legt Euch in die Sonne und entspannnnnt Euch und… erholt Euch von dem ganzen stressigen Bloggen …

      2. @mitm:

        Stimmt schon. Nur greift der Staat hier auch ‚hübsch‘ ein. Beim Vater, zum Beispiel, spricht man „Gesteigerter Erwerbsobliegenheit“ im Unterhalts- und Familienrecht bzw. drückt ihm ein so genanntes „Fiktives Einkommen“ rein, wenn er nicht spurt. Hauptsache, es fließt Geld, damit Mama Staat nichts zahlen muss …

        Frühere Daumenschrauben, hochnotpeinliche Verhöre (aka Folter) hat man heute durch die Legeslative ersetzt – und damit die Zwangssklaverei legalisiert. Dumm nur, dass man sich dabei immer mehr zwischen SGB II und anderen Rechtsbruchbüchern verheddert hat und immer mehr Menschen sich zurecht ausklinken.

        Lesenswert dazu: „Der Aufstand wird leise kommen“, aus dem TrenungsFAQ:
        http://www.trennungsfaq.de/forum/showthread.php?tid=5168

        Ein Auszug:

        „.. Die Politik entscheidet eiligst, wenn es um Banken und Pensionskassen geht, zügig und regelmäßig, wenn es um Mütter und Unterhalt geht, und schleppend oder gar nicht, wenn es um Kinder und Väter geht. Es hat Jahrzehnte gedauert bis die UN-Kinderrechtekonvention anerkannt wurde, es sind bereits wieder fast zwei Jahre verstrichen seit dem Urteil des EGMR zur Diskriminierung nichtehelicher Väter, die fortdauert – ohne dass auch nur der Ansatz eines Gesetzesentwurfes vorläge.

        Die Situation hat vielleicht zwei Kernpunkte. Zum einen haben sich die Männer einlullen lassen, dass dies alles seine rechtsstaatliche Richtigkeit habe, dass der Staat auf Gleichberechtigung hinarbeite und sich stets am verfassungsmäßigen Schutz der Familie orientiere. Sie wachen erst auf, wenn sie im Trennungsfall merken, dass alle Beteiligten die Familiengemeinschaft mit ihren Kindern mit Füssen treten und wie Faustrecht von Müttern legalisiert wird. Zum anderen erkennen die meisten Männer nicht (ob mit Familie oder ohne), in welchem Ausmass dieses System auf der Ausplünderung der Wertschöpfung von Männern fußt.

        Adenauer sagte einmal „Kinder kriegen die Leute immer“. Heute sagen sich die Politiker: „Männer arbeiten immer“. Die Wertschöpfung der Männer wird geplündert zugunsten von Bankenrettung, Kriegsführung, Sozialkassen und Unterhalt. Bei leistungslosem Einkommen gibt es keinen Unterschied in der Kaufkraft, ob dieses aus Banken-Boni oder Unterhalt besteht. Es gibt nur die Gemeinsamkeit von Profit- und Unterhaltsmaximierung, dass beides aus Wertschöpfung bezahlt werden muss. Die Zahl derer, die überwiegend von Unterhalt leben ist größer, als die aller ALG2-Bezieher insgesamt.

        Aber dir sagt man, deine Ausplünderung diene dem Kindeswohl! ..“

    1. Fleiß und Geld haben nur bedingt etwas miteinander zu tun. Es reicht auch, wenn man dick geerbt hat und über genug Resthirn verfügt, nicht alles zu versaufen und / oder zu verzocken…

  3. Ist mir die Ironie entgangen oder ist dieser Eintrag ernst gemeint?

    Dass „faule“ Menschen mit Argwohn beäugt werden, hat einen ganz einfachen Grund:
    Sie tragen selbst nichts zur Gesellschaft bei, und lassen ihren Lebensunterhalt parasitär von der Allgemeinheit finanzieren.

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